BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Walther von der Vogelweide

nach 1170 - um 1230

 

Sprüche und Lieder

in chronologischer Anordnung

 

Der erste Philippston

um 1201/04

 

Dô Friderîch ûz Oesterrîch alsô gewarp (L 19,29)

Diu krône ist elter danne der künic Philippes sî (L 18,29)

Ez gienc eines tages als unser hêrre wart geborn (L 19,5)

Philippes künig die nâhe spehenden zîhent dich (L 19,17)

Der in den ôren siech von ungesühte sî (20,4)

 

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I

Dô Friderich ûz Osterrîch alsô gewarp

(Hofwechselstrophe)

L 19,29

Dô Friderich ûz Osterrîch alsô gewarp,

daz er an der sêle genas und im der lîp erstarp,

dô fuort er mînen krenechen trit in die erde,

Dô gienc ich slîchent als ein pfawe, swar ich gie,

daz houbet hanht ich nider unz ûf mîniu knie,

nû riht ich ez ûf nâch vollem werde:

ich bin wol ze fiure komen,

mich hât daz rîche und ouch diu krône an sich genomen,

wol ûf, swer tanzen welle nâch der gîgen!

mir ist mîner swære buoz,

êrste wil ich eben setzen mînen fuoz

und wider in ein hôhgemüete stîgen.

 

 

II

Diu krône ist elter danne der künic Philippes sî

(Kronenspruch)

L 18,29

Diu krône ist elter danne der künic Philippes sî,

dâ mugent ir alle schouwen wol ein wunder bî,

wie si ime der smit sô ebene habe gemachet.

sîn keiserlîchez houbet zimt ir alsô wol,

5

daz si ze rehte nieman guoter scheiden sol,

ir dewederz dâ daz ander niht enswachet.

si lachent beide ein ander an,

daz edel gesteine wider den jungen süezen man,

die ougenweide sehent die fürsten gerne.

10

swer nû des rîches irre gê,

der schouwe, wem der weise ob sîme nacke stê,

der stein ist aller fürsten leitesterne.

 

 

III

Es gienc eines tages als unser herre wart geborn

(Magdeburger Weihnacht)

L 19,5

Es gienc eines tages als unser herre wart geborn

von einer maget, die er im ze muoter hât erkorn,

ze Megdeburg der kûnic Philippes schône.

dâ gienc eins keisers bruoder und eins keisers kint

5

in einer wât, swie doch die namen drîge sint,

er truoc des riches zepter und die krône.

er trat vil lîse, im was niht gâch,

im sleich ein hôchgeborniu küniginne nâch,

rôse âne dorn, ein tûbe sunder gallen,

10

diu zuht was niener anderswâ,

die Düringen und die Sahsen dienten alsô dâ,

daz ez den wîsen muoste wol gevallen.

 

 

IV

Philippes künig die nâhe spehenden zîhent dich

(Philippschelte)

L 19,17

Philippes künig die nâhe spehenden zîhent dich,

dun sîst niht dankes milte, des bedunket mich,

wie dû dâ mite verliesest michels mêre.

dû möhtest gerner dankes geben tûsent pfunt

5

danne drîzec tûsent âne danc. dir ist niht kunt,

wie man mit gâbe erwirbet prîs und êre.

denke an den milten Salatîn

der jach, daz küniges hende dürkel solten sîn,

sô wurden sie erforht und ouch geminnet.

10

gedenke an den künig von Engellant,

wie tiure man den lôste dur sîne milten hant.

ein schade ist guot, der zwêne frumen gewinnet.

 

 

V

Der in den ôren siech von ungesühte sî

(Thüringer Hofschelte)

L 20,4

Der in den ôren siech von ungesühte sî,

daz ist mîn rât, der lâz den hof ze Düringen frî,

wan kumet er dar, dêswâr, er wirt ertœret.

ich hân gedrungen unz ich niht mê dringen mac,

5

ein schar vert ûz, diu ander in, naht unde tac,

grôz wunder ist, daz iemen dâ gehœret.

der lantgrâve ist sô gemuot,

daz er mit stolzen helden sîne habe vertuot,

der iegeslîcher wol ein kenpfe wære.

10

mir ist sîn hôhiu fuore kunt:

und gulte ein fuoder guotes wînes tûsend pfunt,

dâ stüende doch niemer ritters becher lære.