BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Mechthild von Magdeburg

um 1207 - um 1282

 

 

Das fließende Licht

der Gottheit

 

Buch I

 

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Dis ist das erste teil dis buoches

 

I. Wie dú minne und dú kúneginne zesamen sprechent

II. Von drin personen und drin gaben

III. Von den megden der sele und von der minne schlag

IV. Von der hovereise der sele, an der sich got wiset

V. Von der qwale und dem lone der helle

VI. Von den nún koeren, wie si singent

VII. Von gottes fluoche in acht dingen

VIII. Der minste lobet got an zehen dingen

IX. Mit den dingen wonest du in der hoehin

X. Der got minnet, der angesiget drin dingen

XI. Vierú sint an dem strite gottes

XII. Dú sele lobet got an fúnf dingen

XIII. Wie got kumet in die sele

XIV. Wie dú sele got enpfahet und lobet {3r}

XV. Wie got die selen enpfahet

XVI. Got gelichet die selen vier dingen

XVII. Die sele lobet got an fúnf

XVIII. Got gelichet die selen fúnf dingen

XIX. Got liepkoset mit der sele an sehs dingen

XX. Die sele widerlobet got an sehs dingen

XXI. Von der bekantnússe und gebruchunge

XXII. Von Sante Marien botschaft und wie ein tugent der andern volget und wie dú sele im jubil der drivaltikeit wart gemachet und Sante Marie alle heligen hat gesoeget und noch soeget

XXIII. Du solt bitten, das dich got minne sere, dik und lange

XXIV. Wie got antwúrtet der sele

XXV. Von dem wege, pine ze lidende gerne dur got

XXVI. In disen weg zúget die sele ir sinne und ist vri ane herzeleit

XXVII. Wie du siest wirdig des weges und in behaltest und vollekomen siest

XXVIII. Die minne sol sin mortlich ane masse, ane underlas, das ist der toren torheit

XXIX. Von der schoeni des brútegovmes und wie im dú brut volgen sol an XXIII. gradus des crúzes

XXX. Von den siben ziten

XXXI. Du solt nit ahten smahheit

XXXII. Du solt nút ahten ere, pine, guot, betruebe dich nach der súnde

XXXIII. Von der phruonde, troste unde minne

XXXIV. Du solt in der pine sin ein lamp, ein turteltube und ein brut {3v}

XXXV. Die woesti hat XII ding

XXXVI. Von der bosheit, gueti und wunder

XXXVII. Dú sele antwúrtet got, das si unwirdig sie der gnaden

XXXVIII. Got ruemet sich, das dú sele úberwunden hat vier súnde

XXXIX. Got vragot die sele, was si bringe

XL. Des antwúrt sú im: Das groesser ist denne siben ding

XLI. Got vragot mit einem lobe, wie das cleinoeter heisset

XLII. Das cleinoeter heisset des herzen lust

XLIII. Dinen lust leg in die drivaltekeit

XLIV. Von der minne weg an siben dingen. Von drin kleidern der brúte und von tanzen

XLV. Von aht tagen, in denen vollebraht wart der propheten gerunge

XLVI. Von der manigvaltigen zierde der brute und wie sú kumt zuo irem brútgovme und wielich ir gesinde ist, das ist núnvalt

 

 

Dis buoch sol man gerne enpfan,

wan got sprichet selber dú wort

Dis buoch das sende ich nu ze botten allen geistlichen lúten beidú boesen und guoten, wand wenne die súle vallent, so mag das werk nút gestan, und ez bezeichent alleine mich und meldet loblich mine heimlichkeit. Alle, die dis buoch wellen vernemen, die soellent es ze nún malen lesen.

 

Dis buoch heisset

ein vliessendes lieht der gotheit

«Eya herre got, wer hat dis buoch gemachet?» «Ich han es gemachet an miner unmaht, wan ich mich an miner gabe nút enthalten mag.» «Eya herre, wie sol dis buoch heissen alleine ze dinen eren?» «Es sol heissen ein vliessende lieht miner gotheit in allú dú herzen, dú {4r} da lebent ane valscheit.»

 

I. Wie dú minne und dú kúneginne

zesamene sprachen

Die sele kam zuo der minne und gruoste si mit tieffen sinnen und sprach: «Got gruesse úch, vro minne.» «Got lone úch, [liebú] vro kúneginne.» «Vro minne, ir sint sere vollekomen.» «Vro kúneginne, des bin ich allen dingen oben.» «Vro minne, ir hant manig jar gerungen, e ir habint die hohen drivaltekeit dar zuo betwungen, das sú sich alzemale hat gegossen in Marien demuetigen magetuom.» «Frovwe kúneginne, das ist úwer ere und vrome.» «Frov minne, nu sint ir har zuo mir komen und ir hant mir <alles benomen>, das ich in ertrich ie gewan.» «Frovwe kúnegin, ir hant einen seligen wehsel getan.» «Frovwe minne, ir hant mir benomen mine kintheit.» «Frovwe kúneginne, da wider han ich úch gegeben himelsche vriheit.» «Frovwe minne, ir hant mir benomen alle mine jugent.» «Frovwe kúnegin, da wider han ich úch gegeben manig helige tugent.» «Frovwe minne, ir hant mir benomen guot, frúnde und mage.» «Eya frovwe kúnegin, das ist ein snoedú klage.» «Frovwe minne, ir hant mir benomen die welt, weltlich ere und allen weltlichen richtuom.» «Frovwe kúnegin, das wil ich úch in einer stunde mit dem heiligen geiste nach allem úwerm willen in ertrich gelten.» «Frovwe minne, ir hant mich also sere betwungen, das min licham ist komen in sunderlich krankheit.» «Frovwe kúnegin, da wider han ich úch gegeben manig hohe bekantheit.» «Frovwe minne, ir hant verzert min fleisch und min bluot.» «Frovwe kúnegin, da mitte sint ir gelútert und gezogen in got.» «Frovwe minne, ir sint ein rovberinne, dennoch sont ir mir gelten.» «Frovwe kúnegin, so nement reht mich selben.» «Frovwe minne, nu hant ir mir vergolten hundertvalt in ertriche.» «Frov {4v} kúnegin, noch hant ir ze vordernde got und alles sin riche.»

 

II. Von drin personen und

von drin gaben

Der ware gottes·gruos, der da kumet von der himelschen fluot us dem brunnen der fliessenden drivaltekeit, der hat so grosse kraft, das er dem lichamen benimet alle sin maht, und machet die sele ir selben offenbar, das si sihet sich selben den heligen gelich und enpfahet denne an sich gotlichen schin. So scheidet dú sele von dem lichamen mit aller ir maht, wisheite, liebin und gerunge, sunder das minste teil irs lebendes belibet mit dem lichamen als in eime suessen schlaffe. So sihet sú einen ganzen got in drin personen und bekennet die drie personen in einem gotte ungeteilet. So gruesset er si mit der hovesprache, die man in dirre kuchin nút vernimet, und kleidet sú mit den kleidern, die man ze dem palaste tragen sol, und git sich in ir gewalt. So mag sú bitten und vragen was si wil, des wirt si gewert und beriht. Warumbe si nút beriht wirt, dis ist dú erste sache von drien personen. So zúhet er si fúrbas an ein heimliche stat. Da muos si fúr nieman bitten noch fragen, wan er wil alleine mit ir spilen ein spil, das der lichame nút weis noch die doerper bi dem phluoge noch die ritter in dem turnei noch sin minnenklichú muoter Maria, des mag si nút gepflegen da. So swebent si fúrbas an ein wunnenriche stat, da ich nút von sprechen <wil noch mag>. Es ist ze notlich, ich engetar, wan ich bin ein vil súndig moensche. Mer: wenne der endelose got die grundelosen sele bringet in die hoehin, so verlúret sú das ertrich von dem wunder und bevindet nút, das si ie in ertrich kam. Wenne das spil aller{5r}best ist, so muos man es lassen. So sprichet der bluejende got: «Juncfrov, ir muessent úch neigen.» So erschrikket si und beweinet ir ellende. So sprichet si: «Herre, nu hast du mich hie so sere verzogen, das ich dich in minem lichamen mit keinem orden mag geloben, sunder das ich ellende lide und gegen dem lichamen strite.» So sprichet er: «Eya du liebú tube, din stimme ist ein seitenspil minen oren, dinú wort sint wurtzen minem munde, dine gerunge sint die miltekeit miner gabe.» So sprichet sú: «Lieber herre, es muos sin als der wirt gebútet.» So ersúfzet si mit aller maht, das der lip <wirt erweget>. So sprichet der licham: «Eya frovwe, wa bist du nu gewesen? Du kumest so minnenklich wider, schoene und creftig, fri und sinnenrich. Din wandelen hat mir benomen minen smak, rúchen, varwe und alle min maht. «So sprichet si: «Swig, morder, la din klagen sin! Ich wil mich iemer huetten vor dir. Das min vient verwundet si, das wirret uns nút, ich froewe mich sin.» Dis ist ein gruos, der hat manige adern, der dringet usser dem vliessenden gotte in die armen, dúrren sele ze allen ziten mit núwer bekantnússe und an núwer beschowunge und an sunderlicher gebruchunge der núwer gegenwúrtekeit. Eya sueslicher got, fúrig inwendig, bluegende uswendig, nu du dis dem minnesten hast gegeben, moehte ich noch ervarn das leben, das du dinen meisten hast gegeben, darumbe wolt ich dest langer qweln. Disen gruos mag noch muos nieman enpfan, er si denne úberkomen und ze nihte worden. In disem gruosse wil ich lebendig sterben, das moegen mir die blinden heligen niemer verderben, das sint die da minnent und nit bekennent. {5v}

 

III. Von den megden der sele und

von der minne schlage

Alle heilige cristanliche tugende sint der sele megede. Der sele suesser urdrutz claget der minne ir not: «Eya allerliebeste jungfrovwe, nu hast du lange min kamererin gewesen, nu sage mir, wie sol ich dar ane wesen? Du hast mich gejagt, gevangen, gebunden und so tief gewundet, das ich niemer wirde gesunt. Du hast mir manigen kúlenschlag geben, sage mir, sol ich ze jungest vor dir genesen? Wúrde ich nút getoedet von diner hant, so were mir bas, das ich dich nie hette bekant.» Die minne: «Das ich dich jagete, des luste mich, das ich dich vieng, des gerte ich; das ich dich bant, des froewete ich mich; do ich dich wundote, do wurde du mit mir vereinet; so ich dir kúlinschlege gibe, so wirde ich din gewaltig. Ich han den almehtigen got von dem himelrich getriben und han ime benomen sin moenschlich leben und han in mit eren sinem vatter wider gegeben, wie wenest du snoeder wurm moegen vor mir genesen?» Die sele: « Sprich, min keyserinne, ich voerhte ein kleine heimeliche arzenie, die mir got dikke hat gegeben, das ich vor dir selben moege genesen.» Die minne: «So man die gevangenen nút wil haben tot, so git man inen wasser und brot. Die artzenie, die dir got dikke hat gegeben, das ist anders nút denne ein vristunge in dis moenschlich leben. Swenne aber kumt din ostertag und din lichame enpfat den totschlag, so wil ich dich alumbe·van und wil dich aldurch gan und wil dich dime lichamen stelen und wil dich dime liebe geben.» Die sele: «O minne, disen brief han ich us dinem munde {6r} geschriben, nu gip mir, frovwe, din ingesigel.» Die minne: «Swer got ie úber sich selben liep gewan, der weis wol, wa er das ingesigel nemen sol, es lit zwúschent úns zwein.» Die sele sprichet: «Swig, liebe, und sprich nút me, genigen si dir, aller juncfrovwen liebeste, von allen creaturen und von mir. Sage minem lieben, das sin bette bereit si und das ich minnesiech nach im si.» Ist dirre brief ze lang, das ist des schult: Ich was in der matten, da ich manigerleige bluomen vant. Dis ist ein suesse jamerclage: Wer von minnen stirbet, den sol man in gotte begraben.

 

IV. Von der hovereise der sele,

an der sich got wiset

Swenne die arme sele kumet ze hove, so ist si wise und wol gezogen. So siht si iren got vroelichen ane. Eya, wie lieplich wirt si da enpfangen! So swiget si und gert unmesseklich sines lobes. So wiset er ir mit grosser gerunge sin goetlich herze. Das ist gelich dem roten golde, das da brinnet in einem grossen kolefúre. So tuot er si in sin gluegendes herze. Alse sich der hohe fúrste und die kleine dirne alsust behalsent und vereinet sint als wasser und win, so wirt si ze nihte und kumet von ir selben. Alse si nút mere moegi, so ist er minnesiech nach ir, als er ie was, wan im gat zuo noch abe. So sprichet si: «Herre, du bist {{gat}} min trut, min gerunge, min vliessender brunne, min sunne und ich bin din spiegel.» Dis ist ein hovereise der minnenden sele, die ane got nút <mag wesen>.

 

V. Von der qwale und

von dem lobe der sele

Min licham ist an langer qwale, min sele ist an hoher wunne, wan si hat beschovwet unde mit armen umbevangen iren lieben alzemale. Von {6v} ime hat sú die qwale, die vil arme. So zúhet er si, so vlússet si; si kan sich nút enthalten untz er sú bringet in sich selber. So spreche si gerne und si enmag. So ist si gar verwunden in die wunderlichen drivaltekeit mit hoher einunge. So lat er si ein kleine, das si geron moege. So gert si sines lobes, das kan si nach irem willen nút vinden. Ja, si wolte, das er si zuo der helle senden wolte, uf das er von allen creaturen úber unmasse gelobet wúrde. So sihet si in an und sprichet im zuo: «Herre, gip mir dinen segen.» So siht er si an und zúhet si wider und git ir einen gruos, den der licham <nit sprechen> muos. So sprichet der licham zuo der sele: «Wa bistu gewesen? Ich mag nit me.» So sprichet die sele: «Swig, du bist ein tore. Ich wil mit mime liebe wesen, soltest du niemer me genesen. Ich bin sin vroede, er ist min qwale.» Dis ist ir qwale, niemer muesse si genesen! Dise qwale muesse dich bestan, niemer muessest du ir entgan!

 

VI. Von den nún koeren,

wie si singent

Nu hoere, liebú, hoere mit geistlichen oren, sust singent die nún koere: «Wir loben dich, herre, das du úns hast gesuochet mit diner demuetekeit. Wir loben dich, herre, das du úns hast behalten mit diner barmeherzekeit. Wir loben dich, herre, das du úns hast geheret mit diner smahheit. Wir loben dich, herre, das du úns hast gefuoret mit diner miltekeit. Wir loben dich, herre, das du úns hast geordent mit diner wisheit. Wir loben dich, herre, das du úns hast beschirmet mit diner gewaltekeit. Wir loben dich, herre, das du úns hast gehelget mit diner edelkeit. Wir loben dich, herre, das du úns hast gewiset mit diner heimlichkeit. Wir loben dich, herre, das du úns hast gehoehet mit diner minnesamkeit{7r}

 

VII. Von gottes vluoch in

ahte dingen

Ich vluoche dir: Din lichame muesse sterben, din wort muesse verderben, din ovgen muessen sich sliessen, din herze muesse vliessen, din sele muesse stigen, din licham muesse bliben, dine moenschliche sinne muessin vergan, din geist muesse vor der heligen drivaltekeit stan!

 

VIII. Der minste lobet got

an zehen dingen

O du brennender berg, o du userwelte sunne, o du voller mane, o du grundeloser brunne, o du unreichaftú hoehi, o du klarheit ane masse, o wisheit ane grunt, o barmherzekeit ane hinderunge, o sterki ane widersatzunge, o crone aller eren! Dich lobet der minste, den du ie geschueffe.

 

IX. Mit drin dingen wonest

du in der hoehin

Die da brinnent in der waren minne und uf einen steten grunt buwent der warheit und fruht bringent mit vollem huffen des seligen endes, die wonent in der hoehin. Glosa: das ist úber Seraphin.

 

X. Der got minnet, der angesiget

drin dingen

Swelch moensch die welt úbersiget und sime lichamen allen unnútzen willen benimet und den túvel úberwindet, das ist die sele, die got minnet. Tuot ir die welt einen stos, davon lidet si kleine not; tuot ir das fleisch einen wank, da von wirt der geist nút krank; tuot ir der túvel einen bik, des ahtet die sele aber niht. Si minnet und si minnet und si kan anders nit beginnen.

 

XI. Vier sint an dem

strite gottes

O tube ane gallen, o maget ane sere, o ritter ane wunden, o kneht unverzaget! Dis sint die vier, die gotte in sinem strite wol {7v} behagent.

 

XII. Die sele lobet got

an fúnf dingen

O keyser aller eren, o crone aller fúrsten, o wisheit aller meistern, o geber aller gabe, o loeser aller gevangnisse!

 

XIII. Wie got kumet

in die sele

Ich kum zuo miner lieben als ein tovwe uf den bluomen.

 

XIV. Wie dú sele got enpfahet

und lobet

Eya vroelichú anschowunge! Eya liepliche gruos! Eya minnenklichú umbehalsunge! Herre, din wunder hat mich verwunden, din gnade hat mich verdruket. O du hoher stein, du bist so wol durgraben, in dir mag nieman nisten denne tuben und nahtegalen!

 

XV. Wie got die sele

enpfahet

Siest wilkomen, min liebú tube, du hast so sere geflogen in dem ertriche, das dine vedern sint gewahsen in das himelriche.

 

XVI. Got gelichet die sele

vier dingen

Du smekest als ein wintrúbel, du rúchest als ein balsam, du lúhtest als dú sunne, du bist ein zuonemunge miner hoehsten minne.

 

XVII. Die sele lobet got an

fúnf dingen

O du giessender got an diner gabe, o du vliessender got an diner minne, o du brennender got an diner gerunge, o du smelzender got an der einunge mit dinem liebe, o du ruowender got an minen brústen, ane dich <mag ich nút wesen>!

 

XVII. Got gelichet die sele

fúnf dingen

O du schoene rose in dem dorne, o du vliegendes bini in dem honge, o du reinú tube an dinem wesende, o du schoenú sunne an dinem schine, o du voller mane an dinem stande, ich mag mich nit von dir gekeren. {8r}

 

XIX. Got liebkoset mit der sele

an sehs dingen

Du bist min senftest legerkússin, min minneklichest bette, min heimlichestú ruowe, min tiefeste gerunge, min hoehste ere! Du bist ein lust miner gotheit, ein turst miner moenschheit, ein bach miner hitze!

 

XX. Dú sele widerlobet got

an sehs dingen

Du bist min spiegelberg, min ovgenweide, ein verlust min selbes, ein sturm mines hertzen, ein val und ein verzihunge miner gewalt, min hoehste sicherheit!

 

XXI. Von der bekantnisse und

von der gebruchunge

Minne ane bekantnisse dunket die wisen sele ein vinsternisse, bekantnisse ane gebruchunge dunket si ein hellepin, gebruchunge ane mort kan si nit verklagen.

 

XXII. Von Sante Marien botschaft und wie ein

tugent der andern volget und wie dú sele im jubilus der

drivaltekeit wart gemachot und wie Sante Maria alle

heligen hat gesoeget unde noch soeget

Der suesse tovwe der unbeginlicher drivaltekeit hat sich gesprenget us dem brunnen der ewigen gotheit in den bluomen der userwelten maget, und des bluomen fruht ist ein untoetlich got und ein toetlich mensche und ein lebende trost des ewigen libes, und únser loeser ist brútegovm worden. Die brut ist trunken worden von der angesihte des edeln antlútes: In der groesten sterki kumt si von ir selber, in dem schoensten liehte ist si blint an ir selber und in der groeston blintheit sihet si allerklarost. In der groesten klarheit ist si beide tot und lebende. Ie si langer tot ist, ie si vroelicher lebt. Ie si vroelicher lebt, ie si mer ervert. Ie si minner wirt, ie ir mer zuoflússet. Ie si sich {8v} mere voerhtet, ... Ie si richer wirt, ie si armer ist. Ie si tieffer wonet, ie si breiter ist. ..., ie si gebeitiger ist. Ie ir wunden tieffer werdent, ie si me stúrmet. Ie got minnenklicher gegen ir ist, ie si hoher swebet. Ie si schoener lúhtet von dem gegenblik der gotheit, ie si im naher kumt. Ie si me arbeitet, ie si sanfter ruowet. ..., ie si me begriffet. Ie si stiller swiget, ie si luter rueffet. ..., ie si grosser wunder wúrket mit siner kraft nah ir maht. Ie sin lust me wahset, ie ir brutloft groesser wirt. Ie das minnebet enger wirt, ie die umbehalsunge naher gat. Ie das muntkússen suesser smekket, ie si sich minneclicher ansehent. Ie si sich noeter scheident, ie <er ir mer> gibet. Ie <si me> verzert, ie <si me> hat. Ie si demueteklicher urlop nimt, ie <si e> wider kumt. Ie si heisser blibet, ie si e entfunket. Ie si mere brinnet, ie si schoener lúhtet. Ie gottes lob mer gebreitet wirt, ie ir girheit groesser blibet. Eya, wa wart únser loser brútgovm? In dem jubilus der heligen drivaltekeit, do got nit me mohte sich enthalten in sich selben, do mahte er die sele und gab sich ir ze eigen von grosser liebi. «Wa von bist du gemachet, sele, das du so hohe stigest úber alle creaturen, und mengest dich in die heligen drivaltekeit unde belibest doch gantz in dir selber?» «Du hast gesprochen von minem aneginne, nu sage ich dir werlich: Ich bin in der selben stat gemachet von der minne, darumbe mag mich enkein creature noch miner edelen nature getroesten noch entginnen denne allein die minne.» «Vrovwe Sant Maria, dis wunders bist du ein muoter. Wenne geschach dir das?» «Do únsers vatter jubilus betruebet {9r} wart mit Adames valle, also das er muoste zúrnen, do underfieng dú ewige wisheit der almehtigen gotheit mit mir den zorn. Do erwelte mich der vatter zuo einer brut, das er etwas ze minnende hette, wand sin liebú brut was tot, die edel sele; und do kos mich der sun zuo einer muoter und do enpfieng mich der helig geist ze einer trútinne. Do was ich alleine brut der heligen drivaltekeit und muoter der weisen und truog si fúr gottes ovgen, also das si nit <versunken ze male>, als doch etliche taten. Do ich also muoter was maniges ellenden kindes, do wurden mine brúste also vol der reinen unbewollener milch der waren milten barmherzekeit, das ich soegete die propheten und die wissagen, e denne ich geborn wart. Dar nach in miner kintheit soegete ich Jhesum; fúrbas in miner jugent soegete ich gottes brut, die heligen cristanheit, bi dem crútze, da ich also dúrre und jemerlich wart, do das swert der vleischlicher pine Jhesu sneit geistlich in min sele.» Do stuonden offen beide sine wunden und ir brúste; die wunden gussen, die brúste vlussen, also das lebendig wart die sele und gar gesunt, do er den blanken roten win gos in iren roten munt. Do si alsust us den offen wunden geborn und lebendig wart, do was sie kindesch und vil jung. Solte si do nach irem tode und ir geburt volleklich genesen, so muoste gottes muoter ir muoter und ir amme wesen; es was und ist wol billich, wand got ist ir rehte vatter und si sin rehtú brut, und si ist im an allen iren liden glich. «Vrovwe, in dinem alter soegetost du die heligen aposteln mit diner muoterlicher lere und mit dinem cref{9v}tigen gebette, also das got sin ere und dinen willen an inen tete. Vrovwe, alsust soegetostu do und soegest noch die martyrer in iren herzen mit starkem gelovben, die bihter mit heliger beschirmunge an iren oren, die megde mit diner kúscheit, die wittewen mit stetekeit, die ehten mit miltekeit, die súnder mit der beitekeit. Vrovwe, noch muost du úns soegen, wan dine brúste sint noch also vol, das du nút maht verdruken wol. Woltostu nit soegen me, so tete dir dú milch vil we, wan werlich ich han gesehen dine brúste so vol, das siben stralen gussen alzemale us von einer brúste úber minen lip und úber min sele. In der stunde beneme du mir ein arbeit, die kein gottesfrúnt mag getragen ane herzeleit. Alsust solt du noch soegen untz an den jungsten tag; so muost du ersihen, wan so sint gottes kint und dinú kint entwenet und vollegewahsen in den ewigen lip. Eya, darnach soellen wir bekennen und sehen in unzellicher lust die milch und ovch die selben brust, die Jhesus so dikke hat gekust.

 

XXIII. Du solt bitten, das dich got minne sere, dikke unde lange,

so wirdest du reine, schoene und helig

Eya herre, minne mich sere und minne mich dike und minne mich lange! Wande ie du mich serer minnest ie ich reiner wirde, ie du mich dikker minnest ie ich schoener wirde, ie du mich langer minnest ie ich heliger wirde hie in ertrich.

 

XXIV. Wie got antwúrtet

der sele

Das ich dich < sere minne>, das han ich von miner nature, wan ich selbe <bin die minne>. Das ich dich dikke minne, das han ich von miner gerunge, wan ich gere, das {10r} man mich sere minne. Das ich dich lange minne, das ist von miner ewekeit, wan ich ane ende bin und ane aneginne.

 

XXV. Von dem wege pine ze lidenne

gerne dur got

Got leitet sinú kint, dú er userwelt hat, wunderliche wege. Das ist ein wunderlich weg und ein edel weg und ein helig weg, den got selber gieng, das ein mensche pine lide ane súnde und ane schulde. In disem wege froewet sich dú sele, dú nach got jamerig ist, wan si vroewet sich von nature ze irem herren, der dur sine woltat manige pine gelitten hat. Únsir lieber herre, der himelsche vatter, gap sinen allerliebsten sun, das er gepingot wart von den heiden und gemarterot von den juden ane sine schulde. Nu ist dú zit komen, das etlich lúte, die geistlich schinent, gottes kint pingent am libe und marterent an dem geiste, wan er wil si sinem lieben sune gelichen, der an libe und an sele <wart gepinget>.

 

XXVI. In disen weg zúhet dú sele ir

sinne und ist vri ane herzeleit

Es ist ein selzen und ein hoher weg, da wandelt dú getrúwe sele inne und leitet na ir die sinne als der sehende tuot den blinden. In disem weg ist vri die sele und lebt ane herzeleit, wan si wil anders nit denne als ir herre, der allú ding uffen das beste tuot.

 

XXVII. Wie du siest wirdig dis weges und in

behaltest und vollekomen siest

Drú ding machent einen menschen des weges wirdig, das er in erkenne und kome darin. Das erste, das der moensche sich selber twinge in gotte ane alle menschliche meisterschaft und die gottes gnade heliklich behalte und willekliche trage in verzihunge aller dingen nach des menschen willen. Das ander behaltet den menschen {10v} in dem wege, das im allú ding ze danke sint ane alleine die súnde. Das dritte machet den menschen vollekomen in dem wege, das man allú ding glichlich gotte ze eren tuo, wan min snoedeste notdurft wil ich vor gotte also hohe reiten als ob ich were in der hohesten contemplacie, da ein mensche in komen mag. Warumbe? Tuon ich es in einer liebin gotte ze eren, so ist es alles ein. Swenne ich aber súnde, so bin ich <nit an disem wege>.

 

XXVIII. Die minne sol sin mortlich ane masse und

ane underlas; das ist der toren torheit

«Ich froewe mich, das ich minnen muos den, der mich minnet, und gere des, das ich in mortlich minne ane masse und ane underlas. Vroewe dich, min sele, wan din leben ist gestorben von minnen dur dich, und minne in so sere, das du moegest sterben dur in; so brennest du iemer mere unverloschen als ein lebend funke in dem grossen fúre der hoher maiestat; so wirstu minnefúres vol, da mit dir hie ist so wol. Du darft mich nit me leren, ich enmag mich nit von der minne keren, ich muos ir gevangen wesen, ich mag anders nit geleben. Da si wonot, da muos ich beliben, beide an tode und an libe.» Das ist der toren torheit, die lebent ane herzeleit.

 

XXIX. Von der schoeni des brútgovmes und wie im

die brut volgen sol an XXIII gradus des crúzes

Vide me, sponsa! Sich, wie schoene min ovgen sint, wie reht min munt si, wie fúrig min herze ist, wie geringe min hende sint, wie snel min fuesse sint, und volge mir! Du solt gemartert werden mit mir, verraten in der abegunst, gesuochet in der vare, gevangen in dem hasse, gebunden in dem horsame, din ovgen verbunden, das man dir der warheit nit wil bekennen, gehalsschlaget mit {11r} dem grimme der welte, fúr gerihte gezogen an der bichte, georschlaget mit der buosse, ze Herode gesant mit dem spote, entkleidet mit dem ellende, gegeiselt mit dem armuote, gekroenet mit der bekorunge, angespiet mit der smahheit, din crúze getragen in dem hasse der súnden, gecrúzegot in verzihunge aller dingen nach dinem willen, genegelt an das crúze mit den heligen tugenden, gewundot mit der minne, gestorben an dem crúze in heliger bestandunge, in din herze gestochen mit steter einunge, von dem cruce geloeset in warem sige aller diner vienden, begraben in der unahtberkeit, uferstan von dem tode in einem heligen ende, ze himel gevarn in einem zuge gottes atemes.

 

XXX. Von den siben

ziten

Mettin: minnen vol, ein suesse wol. Prime: minnen gere, ein suesse swere. Tercie: minnen lust, ein suesse turst. Sexte: minnen vuelen, ein suesse kuolen. None: minnen tot, ein suessú not. Vesper: minnen vliessen, ein suesses giessen. Conplet: minnen ruowen, ein suesses vroewen.

 

XXXI. Du solt nút ahten

smahheit

Ich wart versmehet sere, do sprach únser herre. «La dich nit sere wundern; sit das here desemvaz so sere verworfen und angespiet wart, was sol denne dem essichvasse geschehen, da nút guotes inne von im selben ist?»

 

XXXII. Du solt nút ahten eren, pine, guot;

betruebe dich nach der súnde

So man dir ere bútet, so solt du dich schamen; so man dich pineget, so solt du dich vroewen; so man dir guot tuot, so solt du dich voerhten; so du súnde wider mich tuost, so solt du dich betrueben von herzen. Maht du dich nit betrueben, so sich, wie sere {11v} und wie lange ich dur dich betruebet was.

 

XXXIII. Von der pfruonde,

dem troste und der minne

Min sele sprach alsust zuo irem lieben. «Herre, din miltekeit ist die pfruonde mines lichamen wunderlich, dine barmherzekeit ist der trost miner sele sunderlich, dine minne ist die ruowe mines wesendes eweklich.»

 

XXXIV. Du solt sin in der pine ein lamp,

ein turteltube und ein brut

Du bist min lamp an diner pine, du bist min turteltube an diner súfzunge, du bist min brut an diner beitunge.

 

XXXV. Die woestin

hat zwoelf ding

Du solt minnen das niht, du solt vliehen das iht, du solt alleine stan und solt zuo nieman gan. Du solt nit sere unmuessig sin und von allen dingen wesen vri. Du solt die gevangenen enbinden, und die vrien twingen. Du solt die siechen laben und solt doch selbe nit haben. Du solt das wasser der pine trinken und das fúr der minne mit dem holtz der tugende entzúnden. So wonestu in der waren wuestenunge.

 

XXXVI. Von der bosheit, guoten werken

und von wundere

Mit der bosheit diner vienden solt du gezieret werden. Mit den tugenden dines herzen solt du geheret werden. Mit dinen guoten werken solt du gecroenet werden. Mit únser zweiger minne solt du gehoehet werden. Mit minem lustlichen wunder solt du geheliget werden.

 

XXXVII. Die sele antwúrtet got, das si

unwirdig sie der gnaden

O vil liebe! Unschuldiger smacheit lustet mich, herzeklicher tugenden beger ich, guoter werken han ich leidor nit, únser zweiger minne die verderbe ich, dines schoenen wunders bin ich gar unwirdig. {12r}

 

XXXVIII. Got ruemet sich, das die sele

úberwunden hat vier súnde

Unser herre ruemet sich in himelriche siner minnenden sele, die er hat in ertrich, und sprichet. «Sehent, wie si kumt zuostigende, die mich gewundet hat. Si hat den affen der welte von ir geworfen, si hat den beren der unkúschi úberwunden, si hat den loewen der hochmueti under ir fuesse getretten, si hat dem wolf der girheit sinen grans zerrissen und kumt gelovffen als ein verjageter hirze nach dem brunnen, der ich bin, si kumet geswungen als ein are usser der tieffi in die hoehin.»

 

XXXIX. Got vragot die sele,

was si bringe

«Du jagest sere in der minne, sage mir, was bringest du mir, min kúneginne?»

 

XL. Des antwúrt si im.

Das besser ist denne siben ding

«Herre, ich bringe dir min kleinoeter. Das ist groesser denne die berge, es ist breiter denne die welt, tieffer denne das mer, hoeher denne die wolken, klarer denne die sunne, manigvaltiger denne die sternen, es wiget me denne alles ertrich.»

 

XLI. Got vraget mit einem lobe,

wie das cleinoeter heisse

«O ein bilde miner gotheit, gehert mit miner menscheit, gezieret mit minem heligen geiste, sage mir, wie heisset din kleinoeter?»

 

XLII. Das cleinoeter heisset

des herzen lust

«Herre, es heisset mins herzen lust, den han ich der welte entzogen, mir selben erhalten unde allen creaturen versaget; nu mag ich sin nút fúrbas getragen. Herre, war sol ich in legen?»

 

XLIII. Dinen lust leg in

die drivaltekeit

«Dines herzen lust solt du nienar legen denne in min goetlich herze und an min mensclich {12v} brust. Da alleine wirst du getroest und mit minem geiste gekust

 

XLIV. Von der minne weg an siben dingen, von drin

kleiden der brúte und von tantzen

«Eya minnendú sele, wilt du wissen, wielich din weg si?» «Ja lieber heliger geist, lere <es mich>.» «Also du kumest úber die not der rúwe und úber die pine der bihte und úber die arbeit der buosse und úber die liebin der welte und úber die bekorunge dez túvels und úber die úberflússekeit des vleisches und úber den verwassenen eigenen willen, der manig sele ze ruggen zúhet so sere, das si niemer zuo rehter liebin kumt, und so du alle dine meisten viende hast nider geschlagen, so bist du also muede, das du denn sprichest. ‹Schoener jungeling, mich lustet din, wa sol ich dich vinden?› So sprichet der jungeling. ‹Ich hoere ein stimme, die lutet ein teil von minne. Ich han si gefriet manigen tag, das mir die stimm nie geschach. Nu bin ich beweget, ich muos ir engegen! Sú ist die jene, die kumber und minne mitenander treit.›» Des morgens in dem suessen tovwe, das ist die besclossen innekeit, die erst in die sele gat, so sprechent ir kamerere, das sint die fúnf sinne. «Vrovwe, ir soellent úch kleiden.» «Liebe, wa sol ich hin?» «Wir han das runen wol vernomen, der fúrste wil úch engegen komen in dem tovwe und in dem schoenen vogelsange. Eya vrovwe, nu sument nút lange!» So zúhet si an ein hemede der sanften demuetekeit und also demuetig, das si under ir nit mag geliden; dar úber ein wisses kleit der luteren kúschekeit und also reine, das si an ge{13r}denken, an worten noch an beruerunge nút me mag geliden, das si bevlekken moege. So nimet si umbe einen mantel des heligen geruchtes, den si verguldet hat mit allen tugenden. So gat si in den walt der geselleschaft heiliger lúten, da singet die allersuesseste nahtegale der getemperten einunge mit gotte tages und nahtes, und manig suesse stimme hoert si da von den vogeln der heiligen bekantnússe. Noch kam der jungeling nút. Nu sendet si botten us, wan si wil tanzen, und sant umb den gelovben Abrahe und umb die gerunge der propheten und umb die kúsche diemuetekeit únser frovwen Sante Marien und umb alle die heligen tugende únsers herren Jhesu Christi und umb alle die frúmekeit siner userwelten. So wirt da ein schoener loptanz. So kumt der jungeling und sprichet ir zuo. «Juncfrovwe, alsust fromeklich sont ir nach tantzen, als úch mine userwelten vor getanzet hant.» So sprichet si. «Ich mag nit tanzen, herre, du enleitest mich. Wilt du, das ich sere springe, so muost du selber vor ansingen; so springe ich in die minne, von der minne in die bekantnisse, von der bekantnisse in die gebruchunge, von der gebruchunge úber alle moenschliche sinne. Da wil ich bliben und wil doch fúrbas crisen.» Unde muos der jungeling singen alsus: «Dur mich in dich und dur dich von mir.» «Gerne mit dir, <noete von dir>!» So sprichet der jungeling: «Juncfrovwe, dirre lobetantz ist úch wol ergangen, ir súllent mit der megde sun úwern willen han, wan ir sint nu minnenkliche muede. Kument ze mittem tage zuo dem brunnenschatten in das bette {13v} der minne, da soent ir úch mit im erkuelen.» So sprichet dú jungfrovwe: «O herre, das ist úbergros, das dú ist din minnegenos, dú nit minne an ir selben hat, si werde e von dir beweget.» So sprichet dú sele zuo den sinnen, die ire kamerer sint: «Nu bin ich ein wile tanzes muede, wichent mir, ich muos gan, da ich mich erkuele. «So sprechent die sinne zuo der sele: «Vrovwe, wellent ir úch kuelen in den minnetrehnen [Sante] Maria Magdalenen, da mag úch wol genuegen.» Die sele: «Swigent, ir herren, ir wissent nit alles, was ich meine! Lant mich ungehindert sin, ich wil ein wile trinken den ungemengeten win.» «Vrovwe, in der megde kúschikeit ist dú grosse minne bereit.» «Das mag wol sin, das enist das hoehste nit an mir.» «In der marterer bluote moegent ir úch sere kuelen.» «Ich bin gemartert so manigen tag, das ich dar nu nit komen mag.» «In dem rate der bihteren wonent reine lúte gerne.» « An rate wil ich iemer stan, beide tuon und lan, doch mag ich nu dar nit gan.» «In der aposteln wisheit vindent ir grosse sicherheit.» «Ich han die wisheit bi mir hie, da mitte wil ich ie zem besten kiesen.» «Vrovwe, die engel sint klar und schoene minnevar; went ir úch kuelen, so hebent úch dar.» «Der engelen wunne tuot mir minnewe, swenne ich iren herren und minen brútgovme nit anse.» «So kuelent úch in dem heligen herten leben, das got Johanni Baptisten hat gegeben.» «Zuo der pine bin ich bereit, iedoch gat der minne kraft úber alle arbeit.» «Vrovwe, went ir úch minnekliche kuelen, so neigent úch in der jungfrovwen schos zuo dem kleinen kint und sehent und smekent, wie der engel froede von der ewigen maget die unnatúrlichen milch sovg.» «Das ist ein kintlich liebi, das man kint soege und wiege. Ich bin ein {14r} vollewahsen brut, ich wil gan nach minem trut.» «O vrovwe, kumest du dar, so muessen wir erblinden gar, wan dú gotheit ist so fúrig heis, als du selb wol weist, das alles fúr und alle die gluot, das den himmel und alle heligen lúhten <und brinnen tuot>, das ist alles geflossen usser sinem goetlichem ateme und von sinem menschlichen munde von dem rate des heligen geistes. Wie machtu da beliben joch eine stunde?» «Der visch mag in dem wasser nit ertrinken, der vogel mag in dem lufte nit versinken, das golt mag in dem fúre nit verderben, wand es enpfat da sin klarheit und sin lúhtende varwe. Got hat allen creaturen das gegeben, das si ir nature pflegen, wie moehte ich denne miner nature widerstan? Ich mueste von allen dingen in got gan, der min vatter ist von nature, min bruoder von siner moenscheit, min brútegovm von minnen und ich sin brut ane anegenge. Went ir, das ich < sin nit wol vuele>? Er kan beide krefteklichen brennen und trostlichen kuelen. Nu betruebent úch nit ze sere! Ir soellent mich noch leren; swenne ich widerkere, so bedarf ich úwer lere wol, wan dis ertrich ist maniger strikke vol.» So gat dú allerliebeste zuo dem allerschoenesten in die verholnen kammeren der unsúnlichen gotheit. Da vindet si der minne bette und minnen gelas, von gotte unmenschliche bereit. So sprichet únser herre: «Stant, vrovwe sele!» «Was gebútest du, herre?» «Ir soent úch usziehen!» «Herre, wie sol mir denne geschehen?» «Frovw sele, ir sint so sere genatúrt in mich, das zwúschent úch und mir nihtes nit mag sin. Es enwart nie engel so her, dem das ein stunde wúrde gelúhen, das úch eweklich ist gegeben. Darumbe sont ir von úch legen beide vorhte und schame und alle uswendig tugent; mer alleine die ir binnen úch tragent von nature, {14v} der sont ir eweklich phlegen: Das ist úwer edele begerunge und úwer grundelose girheit; die wil ich eweklich erfúllen mit miner endelosen miltekeit.» «Herre, nu bin ich ein nakent sele und du in dir selben ein wolgezieret got. Únser zweiger gemeinschaft ist das ewige lip ane tot.» So geschihet da ein selig stilli nach ir beider willen. Er gibet sich ir und si git sich ime. Was ir nu geschehe, das weis si, und des getroeste ich mich. Nu dis mag nit lange stan; wa zwoei geliebe verholen zesamen koment, si muessent dike ungescheiden von einander gan. Lieber gottes·frúnt, disen minneweg han ich dir geschriben, got muesse in an din herze geben! Amen.

 

XLV. Von ahte tagen, in denen vollebraht

wart der propheten gerunge

Dis ist ein tag der gerunge und der seligen froeden in der kúndunge Christi. Dis ist ein tag der ruowe und der lieplichen zartekeit in der gebúrte Christi. Dis ist ein tag der trúwe und der seligen einunge, der hohe donrstag. Dis ist ein tag der miltekeit und der herzeklichen liebin, der stille fritag. Dis ist ein tag der gewalt und der vroelichen vroede, die urstandunge. Dis ist ein tag des gelovben und des ellenden jamers, der uffart·tag. Dis ist ein tag der warheit und des brennenden trostes, der pfingestag. Dis ist ein tag der rehtekeit und der waren stunde, das jungest gerihte. Dis ist ein wuche, der sollen wir siben tag began mit stetegunge. Den ahten wil únser herre began an dem jungsten tage mit úns allen.

 

XLVI. Von der manigvaltigen zierde der brúte

und wie si kumt zuo irem brútegovme und wielich

ir gesinde ist; das ist núnvalt

Die brut ist gekleidet mit der sunnen und hat den manen under die fuesse getretten, und si ist gekroenet mit der einunge. Si hat ein cappellan, das ist die vorhte. Der hat eine guldine ruote in der hant, das ist die {15r} wisheit. Der cappellan ist gekleidet mit des lambes bluot und ist mit der ere gekroenet, und dú wisheit ist gekleidet mit der wolsamikeit und ist gekroenet mit der ewekeit. Die brut hat vier jungfrovwen. Die eine ist minne, die leittet die brut, die ist gekleidet mit der kúschekeit und ist gekroenet mit der wirdekeit. Die ander ist demuetekeit, die haltet die brut, die ist gekleidet mit der unahtberkeit und ist gekroenet mit der hoehi. Die dritte juncfrovwe ist rúwe, dú ist gekleidet mit den wintrúbelin und ist gekroenet mit der vroede. Die vierde juncfrovwe ist erbarmherzekeit, die ist gekleidet mit der salbe und ist gekroenet mit der wunne. Dú zwoei tragent der brut den mantel uf, das ist das helige gerúhte. Si hat einen bischof, das ist der gelovbe, der bringet die brut fúr den brútegovme. Der bischof ist gekleidet mit túrem gesteine und ist gecroenet mit dem heligen geiste. Der bischof hat zwene ritter. Der eine ist die starchekeit, der ist gekleidet mit dem strite und ist gekroenet mit dem sige. Der ander ist kuonheit, der ist gekleidet mit genendekeit und gekroenet mit aller selekeit. Si hat einen kamerer, das ist die huote, der ist gekleidet mit stetekeit und ist gekroenet mit bestandunge. Er treit das lieht vor der brúte und treit ir das tepet nach. Das lieht ist vernúnftekeit, die ist gekleidet mit der bescheidenheit und ist gekroenet mit miltekeit. Das tepet ist die helige conscientie, die ist gekleidet mit guotem willen und ist gekroenet mit gottes behagunge. Si hat einen schenken, das ist die begerunge, der ist gekleidet mit girikeit und {15v} ist gekroenet mit vride. Si hat einen spilman, das ist die minnesamkeit, sin harpfe das ist innikeit. Der ist gekleidet mit dem gunste und ist gekroenet mit der helfe. Dú brut hat fúnf kúngrich. Das erste sint die ovgen, die sint gebuwen mit den trehnen und gezieret mit getwange. Das ander sint die gedenke, die sint gebuwen mit dem strite und gezieret mit dem rate. Das dritte ist das sprechen, das ist gebuwen mit der nut und ist gezieret mit der trúwe. Das vierde ist das hoeren, das ist gebuwen mit dem gottes worte und ist gezieret mit dem troste. Das fúnfte ist die beruerde, die ist gebuwen mit der gewalt und ist gezieret mit der reinen gewonheit. Dise fúnf kúngriche hant einen voget, das ist die schult. Der ist gekleidet mit der bihte und gekroenet mit der buosse. So hat si einen rihter, der ist gekleidet mit der discipline und gekroenet mit der gedult. Dú brut hat einen sovmer, das ist der lichame. Der ist gezoemet mit der unwirdekeit und smacheit ist sin fuoter und sin stal ist bihte. Der sovmeschrin, den er treit, ist die unschulde. Die brut hat einen pellelbovir, das ist die hoffen, die ist gekleidet mit der warheit und gekroenet mit dem sange. Si hat einen palmen in der hant, das ist die sege úber die súnde, und ein búhsen in der andern hant, die ist vol gerunge und minne, die wil si irem lieben bringen. Si hat einen pfawenhuot, das ist das guote gerúhte in dem ertrich und hohe ere in dem himelrich. So gat si einen weg, das ist die senftmuetekeit. Die ist gekleidet mit dem vliessenden honge und gekroenet mit der sicherheit. So singet si denne: «User{16r}weltes liep, ich geren din; du nimest und gibest mir vil mange herzensweri. Joch han ich von dir unsúneliche not; swenne du, herre, gebútest, so wird ich von mir erlost.» So sprichet er: «Minnekliche liebe, gedenke an die stunde, da du begriffest den vollen funt, und la dich nit belangen. Joch han ich dich ze aller stunt mit armen umbevangen.» So sprichet únser herre zuo siner userwelten brut: «Veni, dilecta mea, veni, coronaberis!» So git er ir eine crone der warheit, die nieman tragen muos denne geistliche lúte. In der crone siht man vier tugende: Wisheit und kummer, gerunge und behaltnisse. Got gebe úns allen die krone! Amen.