BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kaiserchronik

um 1150

 

Daz pilde in honore Veneris

 

Der Text folgt der Ausgabe:

Kleinere mittelhochdeutsche Verserzählungen

mittelhochdeutsch - neuhochdeutsch

Hrsg.: Jürgen Scholz-Grobert, Stuttgart: Reclam, 2006

 

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Daz buoch chundet uns sus:

daz rîche besaz Theodôsîus

von Criechen geborn.

13070

als er ze rihtære wart erchorn,

got er harte vorhte,

vil guotiu werc er worhte,

er kêrte alle sîne liste

ze dem hailigen Criste,

13075

den begunder inneclîche flêhen.

des gewan er michel êre.

 

Dô chom iz alsus,

daz der chunich Theodôsîus

genam im ainen site –

13080

dâ genas er sît mite – :

daz er des morgenes nie nehain wort enresprach,

ê er daz hailige crûce resach,

sô flôch er ie die menige:

dâ vor suocht er sîne venie,

13085

er manete got sîner wunden.

ze Rôme wâren ze den selben stunden

zwêne gebruoder hêre,

di enahten niht ûf die sêle:

si begunden vaste ringen,

13090

wi si diu abgot mahten geminnen.

werltlîch gezierde

begunde in harte lieben,

si netâten gotes nehaine war.

der chunich sant dike tougenlîche dar.

13095

er hiez si flêgen unde biten,

daz si diu abgot miten

unt sich des bedæhten,

daz si diu abgot der christenhait vur bræhten,

dem hailigen gelouben ze êren.

13100

daz versmâhete den junchêrren.

 

Duo gevuoctez got alsus,

daz der aine bruoder Astrolâbîus

unt ander sîn genôze

spilten mit dem clôze.

13105

den clôz er ûf huop

in ain altez gemûre er in versluoch.

ich waiz, er daz niene vermait,

durch hôhfart er dar nâch staich.

do resach er ain pilde lussam:

13110

dem jungelinch harte gezam,

ob er der bî wære,

daz im nie sô wol gescæhe.

ich waiz, er nie rewant:

die hôhen stainwant

13115

er hin ze tal viel,

vur daz pilde er gie.

dar inne uobte sich der vâlant:

ez winct im dar mit der hant.

an den stunden

13120

der jungelinch wart sô harte enzundet,

daz er verwandelt alle sîne sinne,

daz pilde begunder minnen.

daz pilde was gewis

in honore Veneris.

13125

daz geriet im ouch der vâlant:

daz vingerlîn zôch er ab der hant,

er gab im sînen gemähelscaz,

vil tiure gehiez er dem pilde daz,

daz erz iemer minnen wolte

13130

alse lang er leben solte.

 

Do di lieben hûsgenôze,

di da warten an der strâze,

sîner verte begunde zerlangen,

si wânden, er hête sich ervallen,

13135

si gebuten der haiden êwarten,

si ensluzzen in die porte.

die êwarten antwurten in alle bî aim munde sus:

iz verbôt der kaiser Constantînus,

dise porte nesol niemer werden ûf getân

13140

durch nehainen cristen man.

 

Die jungelinge erzurnden harte,

si blûwen di êwarten,

si sluogen unt stâchen,

unz si di porte nider brâchen,

13145

si vunden den jungelinch:

harte nôtlîche stuonden sîniu dinch.

iedoch verhal er si daz,

daz im sô harte missescehen was.

 

Dô vuorten in die genôze

13150

wider zuo dem clôze.

daz enwas frume niet:

im wart daz pilde alsô liep,

mit dem tievel wart er besezzen.

er nemahte trinken noch ezzen,

13155

er was naht unde tac

daz er slâfes niene phlac:

er wânde, daz daz pilde bî im læge.

der lîp wart im alsô swære,

er wart plaich unt ubel gevar,

13160

ze dem tôde wart er wol gar.

daz clageten friunt unt mâge

unt alle die in gesâhen.

 

Aines tages kom ez sus,

daz der kint Astrolâbîus

13165

gestuont altersaine,

vil haize begunder wainen,

er nam in sînen muot,

er sprach: «dize dinch enist mir ze nihte guot,

ich enmag ez aine niht getragen,

13170

mäht ich ez ettewem wîsem sagen.

mîn dinch enist langer nehain frum,

nehain arzât nekan mir niht gerâten noch getuon.

west ich nû iemen,

dar ich mahte gefliehen,

13175

der mir den lîp kunde gefristen,

jâ wurde ich gerne cristen.»

 

Dô hêt der chaiser ainen kapelân,

von dem hôrt er michelen wîstuom sagen,

der hêrre hiez Eusêbîus.

13180

do gedâhte Astrolâbîus,

ob erz im gesagete

unt sîne nôt geclagete,

er gehulf im ettewie der von.

als er mit im selbem des ze râte kom,

13185

niht langer er nebait,

vil tougenlîche er zuo im slaich,

er viel im ze vuozen:

«dîne genâde», sprach er, «hêrre, ich suoche.

ich pin alsô lange

13190

mit grôzem laide bevangen;

ich mane dich dîner guote,

hilf mir von mîner nôte!

mir nekan niemen niht getuon.

dînen rât hân ich gerne dar zuo:

13195

swaz dû mich haizest an vergân,

des pin ich dir gerne gehôrsam».

 

Der selbe êwarte

der vorhte got harte.

als er vernam,

13200

wiez umbe den jungelinch was getân,

er erwainte vil sêre,

er mante unseren hêrren,

daz er sîn selbes êre gedæhte

unt den kint wider zu sînen sinnen bræhte.

13205

do behielt do der briester Eusêbîus,

dannen dâ sprichet der hailig apostolus:

«welt ir gotes hulde behaben,

die burde sult ir mit ainander tragen.»

er behielt in tougenlîche,

13210

er gelobete, er newolt im niemer geswîchen,

er negehulf im, ob er mähte,

wider zu sîner crefte

unt wider ze sînen sinnen,

ob erz an got wolte gedingen.

 

13215

Nû chundet uns daz buoch sus,

daz der priester, der hêrre Eusêbîus,

di wîl er jungelinch was,

in den swarzen buochen er las.

dâ hêt er sich inne geflizzen,

13220

daz im wol was gewizzen.

duo in der tievel so verre enspuon,

iz enmahte anders niemen widertuon,

er negewunne wider sîn vingerlîn,

iz entæte denne aine mîn trähtîn.

 

13225

Aines morgenes vil fruo

den jungelinch nam er dar zuo:

an ainem puoche er dô las.

vil unlange stuont daz,

unz der tievel zuo vuor.

13230

alse tiure er in beswuor,

er reoffente im die sache,

wer daz hête gemachet,

daz dem kinde missescæhe,

unt ob er der mit wære?

 

13235

Der tievel antwurte im dô sus:

«sihem, her Eusêbîus!

nû swuore dû hie vor ainen ait,

du behieltest dîne cristenhait:

nû bist dû mainaide.

13240

ja gestuont ich mir nie sô laide,

wande mir gotewaiz

in der helle nie wart sô haiz

sô mir bî dir ist.

nû gimmir der rede ain frist,

13245

reloube mir ze varne hinnen:

ich handelez nâch dînen willen.»

 

Dô sprach der gotes dienestman:

«ich gebiute dir in gotes pan,

dû bringest mir daz vingerlîn.

13250

is enmach nehain ander rât sîn.

vil sciere dû hin île,

in ainer halben wîle

kum dû her widere ze mir.

ze wâre sagen ich iz dir:

13255

nekumest dû niht sciere,

iz wirt dir ze michelem sêre.»

 

Der tievel antwurte im dô:

«siheme, wie redest dû nû sô?

iz dûhte dich michel unreht,

13260

swer dir benæme dîne diu oder dînen kneht,

alse dû getân hâst.

sich, wâ er bî dir stât:

der ist wârlîchen mîn,

daz urkundet ouch daz vingerlîn.»

 

13265

Duo sprach der gotes dienestman:

«diu rede ist niuht sô getân,

dû wære spæte unde fruo,

dû verscuntest in dar zuo

mit dînen bôsen ræten.

13270

daz insigele wirt vil unstæte:

daz vingerlîn muost dû mir bringen,

oder du nekumest niemer von mir hinnen.»

 

Duo antwurte im der tievel:

«ich sage dir ân zwîvel:

13275

sul ouch ich iemer hie brinnen,

daz vingerlîn nemach ich niemer wider bringen.

daz neist mir ainem niht verlâzen,

daz ich inînen genôzen

iemer geturre genemen

13280

daz in allen ist ergeben.

mîner genôze ist vil manich scar.»

«nû brinch aver dû mich dar,»

sprach der gotes dienestman,

«daz gebiut ich dir in gotes pan,

13285

dâ ich daz vingerlîn resehe,

unt vuor mich niender von dem wege.

dînen genôzen

enist nehain gewalt uber mich verlâzen,

sîn verhenge mîn got.»

13290

wie laide er im dô kot:

«sol ich mîn leben hân,

iz ensol niht langer sô varn,

ich zebriche iu daz selbe hûs,

ich vertrîbe iuch dar ûz,

13295

dâ iwer gewalt sô grôz inne ist

nu nehân ich langer nehaine frist,

ich muoz haln daz vingerlîn.

dar solt dû mir hergeselle sîn.»

 

Der tievel vorht im dô harte,

13300

er nam den êwarten,

er vuort în in ainer wîle

driu hundert mîle

in aines tiefen moses grunt.

dô grisgrimmete der hunt,

13305

vil lût er ingegen dem hêrren scrai:

«der vingerlîne der sint zwai.

geruorest dû daz unrehte vingerlîn,

daz dû roubâre wil sîn,

wil dû uns unrehte tuon,

13310

si zerbrechent dich sam ain huon.»

 

Duo sprach der gotes dienestman:

«sage mir des staines namen,

der in dem vingerlîne beworht sî.

daz gebiute îch dir in verbo domini.»

13315

«Jaspis ist sîn name.

dû wil, daz ich dir allez daz sage

daz under disem himel ist.

mit dir ist ain ubel mitewist.»

 

Als der wâre gotes dienestman

13320

daz vingerlîn zu sich genam,

daz was dem tievel swære.

er sprach: «nû brinch mich dâ dû mich næme!»

er sazte in wider ze Rôme in die stat.

der tievel urloubes pat,

13325

er sprach: «lâst dû mich nû hinnen varn,

dû maht mîn dienest iemer willeclîchen haben.»

 

Dô sprach der gotes êwarte:

«nu negâhe dû niht sô harte!

sam mir mîn lîp,

13330

dû bîtest hie morgen dirre zît,

dû muost hie brinnen,

du nesagest mir, von welhen dingen

daz aller êrist kôme,

daz dem jungelinge missescæhe.»

 

13335

«Nû muoz ich dirz durch nôt sagen:

die haiden worhten aine statuam

in honore Veneris,

dâ wâren wir mit gewis.

die wurze die dar under sint begraben –

13340

daz wil ich dir wærlîchen sagen:

si habent sô getâne craft,

daz des niemen uber werden nemach

di wîle di wurze dar under ligent.

swer daz pilde oben an sihet,

13345

der muoz iz iemer minnen.

dâ mit êrten si di guttinne.»

 

Dô sprach der gotes dienestman:

«dû maht wol urloup hân.

nû var dû in gotes haz!

13350

wir gehandelen iz ienoch michel baz,

wir suln in der gottes minne

ain ander hûs hie gewinnen.»

daz liut er dô offenlîche bat,

daz diu sûl von der stete verruket wart

13355

niewan ainen vuoz.

dem jungelinge wart buoz

aller sîner nôte.

an den wâren got er geloupte.

 

Do rewarf der briester Eusêbîus,

13360

daz der bâbes Ignâtîus

wîhete die sûl ze êren

dem guoten sante Michahêle:

si ubertriffet ze Rôme alle di stat,

alse man hiute wol kiesen mach.

13365

dô touften si den jungen man;

dô wurden gote gehôrsam

die haiden di dô dâ wâren

unt si diu grôzen wunder vernâmen.

dô frowete sich der kaiser Theodôsîus,

13370

daz der briester Eusêbîus

gewuocherte gote sô manige sêle

ouch lônet im selbe unser hêrre,

daz er daz reht erbe hât besezzen.

ja nesol er niht vergezzen,

13375

swer im mit diemuote

enphilhet sîne nôte.