BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hartmann von Aue

um 1160 - nach 1210

 

Der arme Heinrich

 

um 1190/95

 

Textgrundlage:

Hartmann von Aue, Der arme Heinrich

Hrsg.: Ursula Rautenberg, Stuttgart 1993

 

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Ein ritter sô gelêret was,

daz er an den buochen las,

swaz er dar an geschriben vant:

der was Hartman genant,

5

dienstman was er zOuwe.

er nam im manige schouwe

an mislîchen buochen:

dar an begunde er suochen,

ob er iht des vunde,

10

dâ mite er swære stunde

möhte senfter machen,

und von sô gewanten sachen,

daz gotes êren töhte

und dâ mite er sich möhte

15

gelieben den liuten.

nu beginnet er iu diuten

ein rede, die er geschriben vant.

dar umbe hât er sich genant,

daz er sîner arbeit,

20

die er dar an hât geleit

iht âne lôn belîbe,

und swer nâch sînem lîbe

sî hoere sagen oder lese,

daz er im bittende wese

25

der sêle heiles hin ze gote.

man giht, er sî sîn selbes bote

unde erloese sich dâ mite,

swer vür des andern schulde bite.

 

Er las daz selbe mære,

30

wie ein herre wære

ze Swâben gesezzen:

an dem enwas vergezzen

deheiner der tugent,

die ein ritter in sîner jugent

35

ze vollem lobe haben sol.

man sprach dô niemen alsô wol

in allen den landen.

er hete ze sînen handen

geburt unde rîcheit:

40

ouch was sîn tugent vil breit.

swie ganz sîn habe wære,

sîn geburt unwandelbære

und wol den vürsten gelîch,

doch was er unnâch also rîch

45

der geburt und des guotes

so der êren und des muotes.

 

Sîn name was gnuoc erkennelich:

er hiez der herre Heinrich

und was von Ouwe geborn.

50

sîn herze hâte versworn

valsch und alle dörperheit

und behielt ouch vaste den eit

stæte unz an sîn ende.

ân alle missewende

55

stuont sîn êre und sîn leben.

im was der rehte wunsch gegeben

zu werltlîchen êren:

die kunde er wol gemêren

mit aller hande reiner tugent.

60

er was ein bluome der jugent,

der werltvreude ein spiegelglas,

stæter triuwe ein adamas,

ein ganziu krône der zuht.

er was der nôthaften vluht,

65

ein schilt sîner mâge,

der milte ein glîchiu wâge:

im enwart über noch gebrast.

er truoc den arbeitsamen last

der êren über rücke.

70

er was des râtes brücke

und sanc vil wol von minnen.

alsus kund er gewinnen

der werlte lop unde prîs.

er was hövesch unde wîs.

 

75

Dô der herre Heinrich

alsus geniete sich

êren unde guotes

und vroelîches muotes

und werltlîcher wünne

80

(er was vür al sîn künne

geprîset unde geêret),

sîn hôchmuot wart verkêret

in ein leben gar geneiget.

an im wart erzeiget,

85

als ouch an Absalône,

daz diu üppige krône

werltlîcher süeze

vellet under die vüeze

ab ir besten werdekeit,

90

als uns diu schrift hât geseit.

ez sprichet an einer stat dâ:

«mêdiâ vîtâ

in morte sûmus.»

daz diutet sich alsus,

95

daz wir in dem tôde sweben,

so wir aller beste wænen leben.

 

Dirre werlte veste,

ir stæte unde ir beste

und ir groeste mankraft

100

diu stât âne meisterschaft.

des muge wir an der kerzen sehen

ein wârez bilde geschehen,

daz sî zeiner aschen wirt,

iemitten daz sî lieht birt.

105

wir sîn von broeden sachen.

nû sehet, wie unser lachen

mit weinenne erlischet.

unser süeze ist gemischet

mit bitterer gallen.

110

unser bluome der muoz vallen,

sô er aller grüenest wænet sîn.

an hern Heinrîche wart wol schîn:

der in dem hoehsten werde

lebet ûf dirre erde,

115

derst der versmâhte vor gote.

er viel von sînem gebote

ab sîner besten werdekeit

in ein smæhlîchez leit:

in ergreif diu miselsuht.

120

dô man die swæren gotes zuht

ersach in sînem lîbe,

manne unde wîbe

wart er dô widerzæme.

nû sehet, wie genæme

125

er ê der werlte wære,

126

und wart nû als unmære.

126a

ze hewe wart sîn grüenez gras,

126b

der ê der werlte venre was,

127

daz in niemen gerne sach:

als ouch Jôbe geschach,

dem edeln und dem rîchen,

130

der ouch vil jæmerlîchen

dem miste wart ze teile

iemitten in sinem heile.

 

Dô der arme Heinrich

von êrste verstuont sich,

135

daz er der werlte widerstuont,

als alle sîne gelîchen tuont.

dô schiet in sîn bitter leit

von Jôbes geduldikeit.

wan ez leit Jôb der guote

140

mit geduldigem muote,

dôz ime ze lîdenne geschach,

durch der sêle gemach

den siechtuom und die swacheit,

die er von der werlte leit:

145

des lobete er got und vreute sich.

dô tete der arme Heinrich

leider niender alsô:

wan er was trûrec und unvrô.

sîn swebendez herze daz verswanc,

150

sîn swimmendiu vreude ertranc,

sîn hôchvart muose vallen,

sîn honec wart ze gallen.

ein swinde vinster donerslac

zebrach im sînen mitten tac,

155

ein trüebez wolken unde dic

bedaht im sîner sunnen blic.

er sente sich vil sêre

daz er sô manege êre

hinder im müese lâzen.

160

vervluochet und verwâzen

wart vil dicke der tac,

dâ sîn geburt ane lac.

 

Ein wênic vreuwete er sich doch

von einem trôste dannoch:

165

wan im wart dicke geseit,

daz diu selbe siecheit

wære vil mislich

und etelîchiu genislich.

des wart vil maniger slahte

170

sîn gedinge und sîn ahte.

er gedâhte, daz er wære

vil lîhte genisbære,

und vuor alsô drâte

nâch der arzâte râte

175

gegen Munpasiliere.

dâ vant er vil schiere

niuwan den untrôst,

daz er niemer würde erlôst.

daz hôrte er ungerne

180

und vuor engegen Salerne

und suochte ouch dâ durch genist

der wîsen arzâte list.

 

Den besten meister, den er dâ vant,

der seite ime sâ zehant

185

ein seltsæne mære,

daz er genislich wære

und wære doch iemer ungenesen.

dô sprach er: «wie mac daz wesen?

diu rede ist harte unmügelich.

190

bin ich genislich, sô genise ich:

und swaz mir vür wirt geleit

von guote ode von arbeit,

daz trûwe ich wol bringen.»

«nû lât den gedingen»,

195

sprach der meister aber dô,

«iuwer sühte ist alsô:

– was vrumet daz ichz iu kunt tuo? –

dâ hoeret arzenîe zuo:

des wæret ir genislîch.

200

nu enist aber nieman sô rîch

noch von sô starken sinnen,

der sî müge gewinnen.

des sît ir iemer ungenesen,

got enwelle der arzât wesen.»

 

205

Dô sprach der arme Heinrich:

«war umbe untroestet ir mich?

joch hân ich guotes wol die kraft:

ir enwellet danne meisterschaft

und iuwer reht brechen

210

und dar zuo versprechen

beidiu mîn silber und mîn golt,

ich mache iuch mir alsô holt,

daz ir mich harte gerne nert.»

«mir wære der wille unerwert»,

215

sprach der meister aber dô,

«und wære der arzenîe alsô,

daz man sî veile vunde

ode daz man sî kunde

mit deheinem liste erwerben,

220

ich enlieze iuch niht verderben.

nu enmac des leider niht sîn:

dâ von muoz iu diu helfe mîn

durch alle nôt sîn versaget.

ir müeset haben eine maget,

225

diu vollen manbære

und des willen wære,

daz sî den tôt durch iuch lite.

nu enist ez niht der liute site,

daz ez ieman gerne tuo.

230

so enhoeret ouch anders niht dar zuo

niuwan der maget herzebluot:

daz wære vür iuwer suht guot.»

 

Nu erkande der arme Heinrich,

daz daz wære unmügelich,

235

daz iemen den erwürbe,

der gerne vür in stürbe.

alsus was im der trôst benomen,

ûf den er dar was komen;

und dar nâch vür die selben vrist

240

enhete er ze sîner genist

dehein gedingen mêre.

des wart sîn herzesêre

alsô kreftic unde grôz,

daz in des aller meist verdrôz,

245

ob er langer solde leben.

nu vuor er heim und begunde geben

sîn erbe und ouch sîn varnde guot,

als in dô sîn selbes muot

und wîser rât lêrte,

250

da erz aller beste kêrte.

er begunde bescheidenlîchen

sîne armen vriunt rîchen

und trôste ouch vremede armen,

daz sich got erbarmen

255

geruochte über der sêle heil:

den kloestern viel daz ander teil.

alsus tet er sich abe

bescheidenlîchen sîner habe

unz an ein geriute:

260

dar vlôch er die liute.

disiu jæmerlîche geschiht,

diu was sîn eines klage niht:

in klageten elliu diu lant,

dâ er inne was erkant,

265

und ouch von vremeden landen,

die in nâch sage erkanden.

 

Der ê diz geriute

und der ez dannoch biute,

daz was ein vrîer bûman,

270

der vil selten ie gewan

dehein grôz ungemach,

daz andern gebûren doch geschach,

die wirs geherret wâren,

und sî die niht verbâren

275

beidiu mit stiure und mit bete.

swaz dirre gebûre gerne tete,

des dûhte sînen herren genuoc:

dar zuo er in übertruoc,

daz er deheine arbeit

280

von vremedem gewalte leit.

desn was deheiner sîn gelîch

in dem lande alsô rîch.

zuo deme zôch sich

sîn herre, der arme Heinrich.

285

swaz er im hete ê gespart,

wie wol daz nû gedienet wart

und wie schône er sîn genôz!

wan in vil lützel des verdrôz,

swaz im ze tuonne geschach durch in.

290

er hete die triuwe und ouch den sin,

daz er vil willeclîchen leit

den kumber und die arbeit,

diu ime ze lîdenne geschach.

er schuof ime rîch gemach.

 

295

Got hete dem meier gegeben

nâch sîner ahte ein reinez leben.

er hete ein wol erbeiten lîp

und ein wol werbendez wîp,

dat zuo hete er schoeniu kint,

300

diu gar des mannes vreude sint,

unde hete, sô man saget,

under den eine maget,

ein kint von ahte jâren:

daz kunde gebâren

305

sô rehte güetlîchen:

diu wolde nie entwîchen

von ir herren einen vuoz.

umbe sîne hulde und sînen gruoz

diente si ime alle wege

310

mit ir güetlîchen phlege.

sî was ouch sô genæme,

daz sî wol gezæme

ze kinde dem rîche

an ir wætlîche.

 

315

Die andern hâten den sin,

daz sî ze rehter mâze in

wol gemîden kunden:

sô vlôch si zallen stunden

zim und niender anderswar.

320

sî was sîn kurzwîle gar.

sî hete gar ir gemüete

mit reiner kindes güete

an ir herren gewant,

daz man sî zallen zîten vant

325

under sînem vuoze.

mit süezer unmuoze

wonte sî ir herren bî.

dar zuo liebete er ouch sî,

swâ mite er mohte,

330

und daz der maget tohte

zuo ir kintlîchen spil:

des gap der herre ir vil.

ouch half in sêre, daz diu kint

sô lîhte ze wenenne sint.

335

er gewan ir, swaz er veile vant:

spiegel unde hârbant,

und swaz kinden liep solde sîn,

gürtel unde vingerlîn.

mit dienste brâhte sîz an die vart,

340

daz er im alsô holt wart,

daz er sî sîn gemahel hiez.

diu guote maget in liez

belîben selten eine:

er dûhte sî vil reine.

345

swie starke ir daz geriete

diu kindische miete,

iedoch geliebete irz aller meist

von gotes gebe ein süezer geist.

ir dienest was sô güetlich.

350

dô der arme Heinrich

driu jâr dâ entwelte

unde im got gequelte

mit grôzem sêre den lîp,

nû saz der meier und sîn wîp

355

unde ir tohter, diu maget,

von der ich iu ê hân gesaget,

bî im in ir unmüezikeit

und weinden ir herren leit.

diu klage gienc in michel nôt:

360

wan sî vorhten, daz sîn tôt

sî sêre solde letzen

und vil gar entsetzen

êren unde guotes,

und daz herters muotes

365

würde ein ander herre.

sî gedâhten alsô verre,

unz daz der selbe bûman

alsus vrâgen began.

 

Er sprach: «lieber herre mîn,

370

möhtez mit iuwern hulden sîn,

ich vrâgete vil gerne:

sô vil zuo Salerne

von arzenîen meister ist,

wie kumet, daz ir deheines list

375

ziuwerm ungesunde

niht gerâten kunde?

herre, des wundert mich.»

dô holte der arme Heinrich

einen tiefen sûft von herzen

380

mit bitterlîchem smerzen:

mit solher riuwe er dô sprach,

daz ime der sûft daz wort zerbrach:

 

«Ich hân den schemelîchen spot

vil wol gedienet umbe got.

385

wan dû sæhe wol hie vor,

daz hôch offen stuont mîn tor

nâch werltlîcher wünne

und daz niemen in sînem künne

sînen willen baz hete dan ich:

390

und was daz doch unmügelich,

wan ich in het mit vrevil gar.

dô nam ich sîn vil kleine war,

der mir daz selbe wunschleben

von sînen gnâden hete gegeben.

395

daz herze mir dô alsô stuont,

als alle werlttôren tuont,

den daz rætet ir muot,

daz si êre unde guot

âne got mügen hân.

400

sus trouc ouch mich mîn tumber wân,

wan ich in lützel ane sach,

von des gnâden mir geschach

vil êren unde guotes.

dô des hôchmuotes

405

den hôhen portenære verdrôz,

die sælden porte er mir beslôz.

dâ kum ich leider niemer in:

daz verworhte mir mîn tumber sin.

got hât durch râche an mich geleit

410

ein sus gewante siecheit,

die niemen mac erloesen.

nu versmâhe ich den boesen,

die biderben ruochent mîn niht.

swie boese er ist, der mich gesiht,

415

des boeser muoz ich dannoch sîn.

sîn unwert tuot er mir schîn:

er wirfet diu ougen abe mir.

nû schînet alrêst an dir

dîne triuwe, die dû hâst,

420

daz dû mich siechen bî dir lâst

und von mir niene vliuhest.

swie dû mich niht enschiuhest,

swie ich niemen liep sî wan dir,

swie vil dîns heiles stê an mir,

425

du vertrüegest doch wol mînen tôt.

nû wes unwert und wes nôt

wart ie zer werlte merre?

hie vor was ich dîn herre

und bin dîn dürftige nû.

430

mîn lieber vriunt, nû koufestû

und mîn gemahel und dîn wîp

an mir den êwigen lîp,

daz dû mich siechen bî dir lâst.

des dû mich gevrâget hâst,

435

daz sage ich dir vil gerne.

ich enkunde zuo Salerne

deheinen meister vinden,

der sich mîn underwinden

getörste ode wolde.

440

wan dâ mite ich solde

mîner sühte genesen,

daz müeste ein selhiu sache wesen,

die in der werlte nieman

mit nihte gewinnen kan.

445

mir wart anders niht gesaget,

wan daz ich müese hân ein maget,

diu vollen manbære

und ouch des willen wære,

daz sî den tôt durch mich lite

450

und man sî zem herzen snite;

und mir wære niht anders guot

wan von ir herzen daz bluot.

nû ist genuoc unmügelich,

daz ir deheiniu durch mich

455

gerne lîde den tôt.

dez muoz ich schäntlîche not

tragen unz an mîn ende.

daz mirz got schiere sende!»

 

Daz er dem vater hete gesaget,

460

daz erhôrte diu reine maget,

wan ez hete diu vil süeze

ir lieben herren vüeze

stânde in ir schôzen.

man mohte wol genôzen

465

ir kintlîch gemüete

hin zuo der engel güete.

sîner rede nam sî war

unde marhte sî gar:

sî enkam von ir herzen nie,

470

unz sî des nahtes slâfen gie.

zir vater vüezen, dâ sî lac,

und ouch ir muoter, sô sî phlac.

dô sî beide entsliefen,

manigen sûft tiefen

475

holte sî von herzen.

umbe ir herren smerzen

wart ir riuwe alsô grôz,

daz ir ougen regen begôz

der slâfenden vüeze.

480

sus erwahte sî diu süeze.

 

Dô sî der trähene emphunden,

sî erwacheten und begunden

sî vrâgen, waz ir wære

und welher hande swære

485

sî alsô stille möhte klagen.

nu enwolde sîs in niht gesagen.

dô ir vater aber tete

vil manege drô unde bete,

daz sîz in müese sagen,

490

sî sprach: «ir möhtet mit mir klagen.

waz mac uns mê gewerren

danne an unsern herren,

daz wir den suln verliesen

und mit ime verkiesen

495

beide guot und êre?

wir gewinnen niemer mêre

deheinen herren alsô guot,

der uns tuo, daz er uns tuot.»

sî sprâchen: «tohter, dû hâst wâr.

500

nû vrumet uns niht umbe ein hâr

unser riuwe und diu klage.

liebez kint, dâ von gedage:

ez ist uns alsô leit sô dir.

leider nû enmuge wir

505

im ze deheinen staten komen.

got der hât in uns benomen:

hetez iemen anders getân,

der müese unsern vluoch hân.»

 

Alsus gesweicten sî sî dô.

510

die naht beleip sî unvrô

und morgen allen den tac.

swes iemen anders phlac,

diz enkam von ir herzen nie,

unz man des andern nahtes gie

515

slâfen nâch gewonheit.

dô sî sich hâte geleit

an ir alte bettestat,

sî bereite aber ein bat

mit weinenden ougen:

520

wan sî truoc tougen

nâhen in ir gemüete

die aller meisten güete,

die ich von kinde ie vernam.

welch kint getete ouch ie alsam?

525

des einen sî sich gar bewac,

gelebete sî morgen den tac,

daz sî benamen ir leben

umbe ir herren wolde geben.

 

Von dem gedanke wart sî dô

530

vil ringes muotes unde vrô

und enhete deheine sorge mê,

wan ein vorhte diu tet ir wê:

sô sîz ir herren sagete,

daz er dar an verzagete,

535

und swenne sîz in allen drin

getæte kunt, daz sî an in

der state niene vunde,

daz mans ir iht gunde.

des wart sô grôz ir ungehabe,

540

daz ir muoter dar abe

unde ir vater wart erwaht

als ouch an der vordern naht.

sî rihten sich ûf zuo ir

und sprâchen: «sich, waz wirret dir?

545

dû bist vil alwære,

daz dû dich sô manige swære

von selher klage hâst an genomen,

der niemen mac zeim ende komen.

wan lâstû uns slâfen?»

550

sus begunden sî sî strâfen:

waz ir diu klage töhte,

die niemen doch enmöhte

erwenden noch gebüezen?

sus wânden sî die süezen

555

hân gesweiget anderstunt:

dô was ir wille in unkunt.

sus antwurte in diu maget:

«als uns mîn herre hât gesaget,

sô mac man in vil wol ernern.

560

zewâre ir enwelt mirz danne wern,

sô bin ich zer arzenîe guot.

ich bin ein maget und hân den muot,

ê ich in sihe verderben,

ich wil ê vür in sterben.»

 

565

Von dirre rede wurden dô

trûrec unde unvrô

beide muoter unde vater.

sîne tohter die bater,

daz sî die rede lieze

570

und ir herren gehieze,

daz sî geleisten möhte,

wan ir diz niene töhte.

er sprach: «tohter, dû bist ein kint,

und dîne triuwe die sint

575

ze grôz an disen dingen.

du enmaht sî niht bringen,

als dû uns hie hâst verjehen.

dû hâst des tôdes niht gesehen.

swennez dir kumet ûf die vrist,

580

daz des dehein rât ist,

du enmüezest ersterben,

und möhtestu daz erwerben,

dû lebetest gerner dannoch:

wan du enkæme nie in leider loch.

585

tuo zuo dînen munt:

und wirstû vür dise stunt

der rede iemer mêre lût,

ez gât dir ûf dîne hût.»

alsus wânde er sî dô

590

beidiu mit bete und mit drô

gesweigen: dô enmohter.

 

Sus antwurte im sîn tohter:

«vater mîn, swie tump ich sî,

mir wonet iedoch diu witze bî,

595

daz ich von sage wol die nôt

erkenne, daz des lîbes tôt

ist starc unde strenge.

swer joch danne die lenge

mit arbeiten leben sol,

600

dem ist ouch niht ze wol.

wan swenne er hie geringet

und ûf sîn alter bringet

den lîp mit micheler nôt,

sô muoz er lîden doch den tôt.

605

ist ime diu sêle danne verlorn,

sô wære er bezzer ungeborn.

ez ist mir komen ûf daz zil,

des ich got iemer loben wil,

daz ich den jungen lîp mac geben

610

umbe daz êwige leben.

 

Nû sult ir mirz niht leiden.

ich wil mir und iu beiden

vil harte wol mite varn.

ich mac uns eine wol bewarn

615

vor schaden und vor leide,

als ich iu nû bescheide.

wir hân êre unde guot:

daz meinet mînes herren muot,

wan er uns leit nie gesprach

620

und ouch daz guot nie abe gebrach.

die wîle daz er leben sol,

sô stât unser sache wol.

und lâze wir den ersterben

sô müezen wir verderben.

625

den wil ich uns vristen

mit alsô schoenen listen,

dâ mite wir alle sîn genesen.

nû gunnet mirs, wan ez muoz wesen.»

 

Diu muoter weinende sprach,

630

dô sî der tohter ernest sach:

«gedenke, tohter, liebez kint,

wie grôz die arbeite sint,

die ich durch dich erliten hân,

und lâ mich bezzern lôn emphân,

635

dan ich dich hoere sprechen.

du wilt mîn herze brechen.

senfte mir der rede ein teil.

jâ wiltû allez dîn heil

an uns verwürken wider got?

640

wan gedenkestû an sîn gebot?

jâ gebôt er unde bater,

daz man muoter unde vater

minne und êre biete,

und geheizet daz ze miete,

645

daz der sêle genist werde

und lanclîp ûf der erde.

dû gihst, dû wellest dîn leben

durch unser beider vreude geben:

dû wilt iedoch uns beiden

650

daz leben vaste leiden.

daz dîn vater unde ich

652

gerne leben, daz ist durch dich.

652a

waz solde uns lîp unde guot,

652b

waz solde uns werltlîcher muot,

652c

swenne wir dîn enbæren?

652d

dun solt uns niht beswæren.

653

jâ soltû, liebiu tohter mîn,

654

unser beider vreude sîn,

654a

unser liebe âne leide,

654b

unser liehtiu ougenweide,

655

unser lîbes wünne,

ein bluome in dînem künne,

unsers alters ein stap.

und lâzestû uns über dîn grap

gestân von dînen schulden,

660

dû muost von gotes hulden

iemer sîn gescheiden:

662

daz koufest an uns beiden.

662a

wiltû uns, tohter, wesen guot,

662b

sô soltû rede und den muot

662c

durch unsers herren hulde lân,

662d

diu ich von dir vernomen hân.»

 

663

Sî sprach: «muoter, ich getrûwe dir

und mînem vater her ze mir

665

aller der genâden wol,

der vater unde muoter sol

leisten ir kinde,

als ich ez wol bevinde

an iu aller tegelich.

670

von iuwern gnâden hân ich

die sêle und einen schoenen lîp.

mich lobet man unde wîp

alle, die mich sehende sint,

ich sî daz schoeneste kint,

675

daz sî zir lebene haben gesehen.

wem solde ich der genâden jehen

niuwan iu zwein nâch gote?

des sol ich ziuwerm gebote

iemer vil gerne stân:

680

wie michel reht ich des hân!

 

Muoter, sæligez wîp,

sît îch nû sêle unde lîp

von iuwern genâden hân,

sô lâtz an iuwern hulden stân,

685

daz ich ouch diu beide

von dem tiuvel scheide

und mich gote müeze geben.

jâ ist dirre werlte leben

niuwan der sêle verlust.

690

ouch hât mich werltlich gelust

unz her noch niht berüeret,

der hin zer helle vüeret.

nû wil ich gote gnâde sagen,

daz er in mînen jungen tagen

695

mir die sinne hât gegeben,

daz ich ûf diz broede leben

ahte harte kleine.

ich wil mich alsus reine

antwürten in gotes gewalt.

700

ich vürhte, solde ich werden alt,

daz mich der werlte süeze

zuhte under vüeze,

als sî vil manegen hât gezogen,

den ouch ir süeze hât betrogen;

705

sô würde ich lîhte gote entsaget.

dem müezez iemer sîn geklaget,

daz ich unz morgen leben sol.

mir behaget diu werlt niht sô wol:

ir gemach ist michel arbeit,

710

ir meîste liep ist herzeleit,

ir süezer lôn ein bitter nôt,

ir lanclîp ein gæher tôt.

wir hân niht gewisses mê

wan hiute wol und morgen wê

715

und ie ze jungest der tôt:

daz ist ein jæmerlîchiu nôt.

ez enschirmet geburt noch guot,

schoene, sterke, hôher muot;

ez envrumet tugent noch êre

720

vür den tôt niht mêre

dan ungeburt und untugent.

unser leben und unser jugent

ist ein nebel und ein stoup;

unser stæte bibet als ein loup.

725

er ist ein vil verschaffen gouch,

der gerne in sich vazzet rouch,

ez sî wîp ode man,

der diz niht wol bedenken kan

und der werlde volgende ist

730

wan uns ist über den vûlen mist

der phellel gespreitet:

swen nû der blic verleitet,

der ist zer helle geborn

unde enhât niht verlorn

735

wan beidiu sêle unde lîp.

nu gedenket, sæligez wîp,

müeterlîcher triuwe

und senftet iuwer riuwe,

die ir dâ habet umbe mich:

740

so bedenket ouch der vater sich.

ich weiz wol, daz er mir heiles gan.

er ist ein alsô biderber man,

daz er erkennet wol, daz ir

unlange doch mit mir

745

iuwer vreude muget hân,

ob ich joch lebende bestân.

belîbe ich âne man bî iu

zwei jâr ode driu,

sô ist mîn herre lîhte tôt,

750

und komen in sô grôze nôt

vil lîhte von armuot,

daz ir mir selhez guot

zeinem man niht muget geben,

ich enmüeze alsô swache leben,

755

daz ich iu lieber wære tôt.

geswîge wir aber der nôt,

daz uns niht enwerre

und uns mîn lieber herre

wer und alsô lange lebe,

760

unz man mich zeinem manne gebe,

der riche sî unde wert:

sô ist geschehen, des ir dâ gert,

und wænet, mir sî wol geschehen.

anders hât mir mîn muot verjehen.

765

wirt er mir liep, daz ist ein nôt;

wirt er mir leit, daz ist der tôt,

sô hân ich iemer leit

und bin mit ganzer arbeit

gescheiden von gemache

770

mit maneger hande sache,

diu den wîben wirret

und sî ze vreuden irret.

 

Nû setzet mich in den vollen rât,

der dâ niemêr zergât.

775

mîn gert ein vrîer bûman,

dem ich wol mînes lîbes gan.

zewâre, dem sult ir mich geben,

sô ist geschaffen wol mîn leben.

im gât sîn phluoc harte wol,

780

sîn hof ist alles râtes vol.

da enstirbet ros noch daz rint,

da enmüent diu weinenden kint,

da enist ze heiz noch ze kalt,

da enwirt von jâren niemen alt

785

(der alte wirt junger),

da enist vrost noch hunger,

da enist deheiner slahte leit,

da ist ganziu vreude âne arbeit.

ze dem wil ich mich ziehen

790

und selhen bû vliehen,

den der schûr und der hagel sleht

und der wâc abe tweht,

mit dem man ringet unde ie ranc.

swaz man daz jâr alsô lanc

795

dar ûf gearbeiten mac,

daz verliuset schiere ein halber tac.

den bû den wil ich lâzen:

er sî von mir verwâzen.

ir minnet mich, deist billich.

800

nû sihe ich gerne, daz mich

iuwer minne iht unminne.

ob ir iuch rehter sinne

an mir verstân kunnet,

und ob ir mir gunnet

805

guotes unde êren,

sô lâzet mich kêren

ze unserm herren Jêsû Krist,

des gnâde alsô stæte ist,

daz sî niemer zergât,

810

und ouch zuo mir armen hât

alsô grôze minne

als zeiner küniginne.

 

Ich sol von mînen schulden

ûz iuweren hulden

815

niemer komen, wil ez got.

ez ist gewisse sîn gebot,

daz ich iu sî undertân,

wan ich den lîp von iu hân:

daz leiste ich âne riuwe.

820

ouch sol ich mîne triuwe

an mir selber niht brechen.

ich hôrte ie daz sprechen:

swer den andern vreuwet sô,

daz er selbe wirt unvrô,

825

und swer den andern kroenet

und sich selben hoenet,

der triuwen sî joch ze vil.

wie gerne ich iu des volgen wil,

daz ich iu triuwe leiste,

830

mir selber doch die meiste!

welt ir mir wenden mîn heil,

sô lâze ich iuch ein teil

ê nâch mir geweinen,

ich enwelle mir erscheinen,

835

wes ich mir selber schuldic bin.

ich wil iemer dâ hin,

da ich volle vreude vinde.

ir habet ouch mê kinde:

diu lât iuwer vreude sîn

840

und getroestet iuch mîn.

mir mac daz nieman erwern,

zewâre, ich enwelle ernern

mînen herren unde mich.

muoter, jâ hôrte ich dich

845

klagen unde sprechen ê,

ez tæte dînem herzen wê,

soldestû ob mînem grabe stân.

des wirstû harte wol erlân:

dû stâst ob mînem grabe niht,

850

wan dâ mir der tôt geschiht,

daz enlât dich niemen sehen:

852

ez sol ze Salerne geschehen.

852a

dâ sol der tôt uns loesen

852b

von den hellegeisten boesen..

853

des tôdes genese wir,

und ich verre baz dan ir.»

 

855

Dô sî daz kint sâhen

zem tôde sô gâhen,

und ez sô wîslîchen sprach

unde menschlich reht zerbrach,

si begunden ahten under in,

860

daz die wîsheit und den sin

niemer erzeigen kunde

dehein zunge in kindes munde.

si jâhen, daz der heilic geist

der rede wære ir volleist,

865

der ouch Sant Niklauses phlac,

dô er in der wagen lac,

und in die wîsheit lêrte,

daz er ze gote kêrte

sîne kintlîche güete.

870

sich bedâhte ir gemüete,

daz sî niene wolden

sî wenden noch ensolden,

daz sî sich hete an genomen:

der sin sî ir von gote komen.

875

von jâmer erkaltet in der lîp,

dô der meier und sîn wîp

an dem bette sâzen

alsô, daz sî vergâzen

durch des kindes minne

880

der zungen und der sinne.

zuo der selben stunde

ir dewederz enkunde

ein einic wort gesprechen.

daz gegihte begunde brechen

885

die muoter vor leide.

sus gesâzen sî beide

riuwec unde unvrô,

unz sî sich bedâhten dô,

waz in ir trûren töhte:

890

sô ir doch niht enmöhte

benemen willen und den muot,

so enwære in niht alsô guot,

sô daz sî irs wol gunden,

wan sî doch niht enkunden

895

ir niemer werden âne baz.

geviengen sî der rede haz,

ez möchte in an ir herren

vil harte gewerren

und verviengen anders niht dâ mite.

900

mit vil willeclîchem site

jâhen sî beidiu dô,

daz sî der rede wæren vrô.

 

Des vreute sich diu reine maget.

dô ez vil kûme was getaget,

905

dô gienc sî, dâ ir herre slief.

sîn gemahel im dô rief,

sî sprach: «herre, slâfet ir?»

«nein ich, gemahel, sage mir,

wie bistû hiute alsô vruo?»

910

«herre, dâ twinget mich dar zuo

der jâmer iuwer siecheit.»

er sprach: «gemahel, daz ist dir leit:

daz erzeigest dû an mir wol,

als ez dir got vergelten sol.

915

nu enmac es dehein rât sîn.»

«entriuwen, lieber herre mîn,

iuwer wirt vil guot rât.

sît ez alsus umbe iuch stât,

daz man iu gehelfen mac,

920

ichn gesûme iuch niemer tac.

herre, ir hât uns doch gesaget,

ob ir hetet eine maget,

diu gerne den tôt durch iuch lite,

dâ soldet ir genesen mite.

925

diu wil ich weizgot selbe sîn:

iuwer leben ist nützer dannez mîn.»

 

Do genâdete ir der herre

des willen harte verre,

und ervolleten im diu ougen

930

von jâmer alsô tougen.

er sprach: «gemahel, jâ enist der tôt

jedoch niht ein senftiu nôt,

als dû dir lîhte hâst gedâht.

dû hâst mich des wol innen brâht,

935

möhtestû, dû hülfest mir.

des genüeget mich von dir.

ich erkenne dînen süezen muot:

dîn wille ist reine unde guot.

ich ensol ouch niht mê an dich gern.

940

dû maht mich des niht wol gewern,

daz dû dâ gesprochen hâst.

die triuwe, die dû an mir begâst,

die sol dir vergelten got.

diz wære der lantliute spot,

945

swaz ich mich vür dise stunde

arzenîen underwunde

und mich daz niht vervienge,

wan als ez doch ergienge.

gemahel, dû tuost als diu kint,

950

diu dâ gæhes muotes sint:

swaz den kumet in den muot,

ez sî übel ode guot,

dar zuo ist in allen gâch,

und geriuwet sî dar nâch.

955

gemahel, alsô tuost ouch dû.

der rede ist dir ze muote nu:

der die von dir nemen wolde,

sô manz danne enden solde,

sô geriuwez dich vil lîhte doch.»

960

daz sî sich ein teil noch

baz bedæhte, des bater.

er sprach: «dîn muoter und dîn vater,

die enmügen dîn niht wol enbern.

ich ensol ouch niht ir leides gern,

965

die mir ie gnâde tâten.

swaz sî dir beidiu râten,

liebe gemahel, daz tuo.»

hie mite lachete er dar zuo,

wan er lützel sich versach,

970

daz doch sît dô geschach.

 

Sus sprach zir er guoter.

der vater und diu muoter

sprâchen: «lieber herre,

ir hât uns vil verre

975

geliebet und gêret:

daz enwære niht wol gekêret,

wir engultenz iu mit guote.

unser tohter ist ze muote,

daz sî den tôt durch iuch dol:

980

des gunne wir ir harte wol.

980a

sus hât sîz umbe uns brâht.

980b

si enhât sich kurze niht bedâht.

981

ez ist hiute der dritte tac,

daz sî uns allez ane lac,

daz wir ir sîn gunden:

nû hât sîz an uns vunden.

985

nû lâze iuch got mit ir genesen:

wir wellen ir durch iuch entwesen.»

 

Dô im sîn gemahel bôt

vür sînen siechtuom ir tôt

und man ir ernest ersach,

990

dô wart dâ michel ungemach.

riuweclich gebærde

und mislîchiu beswærde

huop sich dô under in,

zwischen dem kinde unde in drin.

995

ir vater unde ir muoter, die

huoben michel weinen hie:

weinens gienc in michel nôt

umbe ir vil lieben kindes tôt.

nu begunde ouch der herre

1000

gedenken alsô verre

an des kindes triuwe,

und begreif in ouch ein riuwe,

daz er sêre weinen began,

und zwîvelte vaste dar an,

1005

weder ez bezzer getân

möhte sîn ode verlân.

von vorhten weinde ouch diu maget:

sî wânde, er wære dar an verzaget.

sus wâren sî alle unvrô.

1010

sî engerten deheines dankes dô.

 

Ze jungest dô bedâhte sich

ir herre, der arme Heinrich,

und begunde sagen in

grôze gnâde allen drin

1015

der triuwen und des guotes

(diu maget wart rîches muotes,

daz ers gevolgete gerne)

und bereite sich ze Salerne,

sô er schierest mohte.

1020

swaz ouch der magede tohte,

daz wart vil schiere bereit:

schoeniu phärt und rîchiu kleit,

diu sî getruoc nie vor der zît.

hermîn unde samît,

1025

den besten zobel, den man vant,

daz was der mägede gewant.

 

Nû wer möhte vol gesagen

die herzeriuwe und daz klagen

und ir muoter grimmez leit

1030

und ouch des vater arbeit?

ez wære wol under in beiden

ein jæmerlîchez scheiden,

dô sî ir liebez kint von in

gevrumten sô gesundez hin,

1035

niemer mêr ze sehenne in den tôt,

wan daz in senfterte ir nôt

diu reine gotes güete,

von der doch daz gemüete

ouch dem jungen kinde kam,

1040

daz ez den tôt gerne nam.

ez was âne ir rât komen:

dâ von wart von in genomen

alliu klage und swære,

wan ez anders wunder wære,

1045

daz in ir herze niht zebrach.

ze liebe wart ir ungemach,

daz sî dar nâch deheine nôt

enliten umbe ir kindes tôt.

 

Sus vuor engegen Salerne

1050

vroelich unde gerne

diu maget mit ir herren.

waz möhte ir nû gewerren,

wan daz der wec sô verre was,

daz sî sô lange genas?

1055

dô er sî vol brâhte

hin, als er gedâhte,

dâ er sînen meister vant,

dô wart ime zehant

vil vroelîchen gesaget,

1060

er hete brâht eine maget,

die er in gewinnen hiez.

dar zuo er in sî sehen liez.

daz dûhte in ungelouplich.

er sprach: «kint, hâstû dich

1065

disses willen selbe bedâht,

ode bistû ûf die rede brâht

von bete ode dînes herren drô?»

diu maget antwurte im alsô,

daz sî die selben ræte

1070

von ir herzen tæte.

 

Des nam in michel wunder,

und vuorte sî besunder

und beswuor sî vil verre,

ob ir iht ir herre

1075

die rede hete ûz erdrôt.

er sprach: «kint, dir ist nôt,

daz dû dich berâtest baz,

und sage dir rehte umbe waz:

ob dû den tôt lîden muost

1080

und daz niht gerne tuost,

sô ist dîn junger lîp tôt

und vrumet uns leider niht ein brôt.

nu enhil mich dînes willen niht.

ich sage dir, wie dir geschiht:

1085

ich ziuhe dich ûz, sô stâstû blôz,

und wirt dîn schame harte grôz,

die dû von schulden danne hâst,

sô dû nacket vor mir stâst.

ich binde dir bein unde arme.

1090

ob dich dîn lîp erbarme,

so bedenke disen smerzen:

ich snîde dich zem herzen

und brichez lebende ûz dir.

vröuwelîn, nû sage mir,

1095

wie dîn muot dar umbe stê.

ezn geschach nie kinde alsô wê,

als dir muoz von mir geschehen.

daz ich ez tuon sol unde sehen,

dâ hân ich michel angest zuo.

1100

sich, wiez dînem lîbe tuo:

geriuwetz dich eins hâres breit,

sô hân ich mîn arbeit

unde dû den lîp verlorn.»

vil tiure wart sî aber besworn,

1105

sin erkante sich vil stæte,

daz sî sichs abe tæte.

 

Diu maget lachende sprach,

wan sî sich des wol versach,

ir hülfe des tages der tôt

1110

ûz werltlîcher nôt:

«got lône iu, lieber herre,

daz ir mir alsô verre

hât die wârheit gesaget.

entriuwen, ich bin ein teil verzaget,

1115

mir ist ein zwîvel geschehen.

ich wil iu rehte bejehen,

wie der zwîvel ist getân,

den ich nû geowunnen hân.

ich vürhte, daz unser arbeit

1120

gar von iuwer zageheit

under wegen belîbe.

iuwer rede gezæme einem wîbe.

ir sît eines hasen genôz.

iuwer angest ist ze grôz,

1125

dar umbe daz ich ersterben sol.

deiswâr ir handelt ez niht wol

mit iuwer grôzen meisterschaft.

ich bin ein wîp und hân die kraft:

geturret ir mich snîden,

1130

ich tar ez wol erlîden.

die angestlîche arbeit,

die ir mir vor hât geseit,

die hân ich wol âne iuch vernomen.

zewâre ich enwære her niht komen,

1135

wan daz ich mich weste

des muotes alsô veste,

daz ichz wol mac dulden.

mir ist bî iuwern hulden

diu broede varwe gar benomen

1140

und ein muot alsô vester komen,

daz ich als angestlichen stân,

als ich ze tanze süle gân:

wan dehein nôt sô grôz ist,

diu sich in eines tages vrist

1145

an mînem lîbe genden mac,

mich endunke, daz der eine tac

genuoc tiure sî gegeben

umbe daz êwige leben,

daz dâ niemer zergât.

1150

iu enmac, als mîn muot stât,

an mir niht gewerren.

getrûwet ir mînem herren

sînen gesunt wider geben

und mir daz êwige leben,

1155

durch got, daz tuot enzît.

lât sehen, welh meister ir sît!

mich reizet vaste dar zuo

(ich weiz wol, durch wen ichz tuo)

in des namen ez geschehen sol:

1160

der erkennet dienest harte wol

und lât sîn ungelônet niht.

ich weiz wol, daz er selbe giht,

swer grôzen dienest leiste,

des lôn sî ouch der meiste.

1165

dâ von sô sol ich disen tôt

hân vür eine süeze nôt

nâch sus gewissem lône.

lieze ich die himelkrône,

sô het ich alwæren sin,

1170

wan ich doch lîhtes künnes bin.»

 

Nu vernam er, daz sî wære

genuoc unwandelbære,

und vuorte sî wider dan

hin zuo dem siechen man

1175

und sprach zuo ir herren:

«uns enmac niht gewerren,

iuwer maget ensî vollen guot.

nû habet vroelîchen muot,

ich mache iuch schiere gesunt.»

1180

hin vuorte er sî anderstunt

in sîn heimlîch gemach,

da ez ir herre niht ensach,

und beslôz im vor die tür

und warf einen rigel vür.

1185

er enwolde in niht sehen lân,

wie ir ende solde ergân.

in einer kemenâten,

die er vil wol berâten

mit guoter arzenîe vant,

1190

hiez er die maget alzehant

abe ziehen diu kleit.

des was sî vrô und gemeit:

si zarte diu kleider in der nât.

schiere stuont sî âne wât

1195

und wart nacket unde blôz:

sî enschamte sich niht eins hâres grôz.

 

Dô sî der meister ane sach,

in sînem herzen er des jach,

daz schoener krêâtiure

1200

al der werlte wære tiure.

sô gar erbarmete sî in,

daz im daz herze und der sin

vil nâch was dar an verzaget.

nû ersach diu guote maget

1205

einen hôhen tisch dâ stân,

dâ hiez er sî ûf gân.

dar ûf er sî vil vaste bant

und begunde nemen in die hant

ein scharphez mezzer, daz dâ lac,

1210

des er ze selhen dingen phlac.

ez was lanc unde breit,

wan daz ez sô wol niene sneit,

als im wære liep gewesen.

dô sî niht solde genesen,

1215

dô erbarmete in ir nôt

und wolde ir sanfte tuon den tôt.

 

Nû lac dâ bî im ein

harte guot wetzestein.

da begunde erz ane strîchen

1220

harte unmüezeclîchen.

dâ bî wetzen. daz erhôrte

der ir vreude stôrte

der arme Heinrich hin vür,

dô er stuont vor der tür,

1225

und erbarmete in vil sêre,

daz er sî niemer mêre

lebende solde gesehen.

nu begunde er suochen unde spehen,

unz daz er durch die want

1230

ein loch gânde vant,

und ersach sî durch die schrunden

nacket und gebunden.

ir lîp der was vil minneclich.

nû sach er sî an unde sich

1235

und gewan einen niuwen muot.

in dûhte dô daz niht guot,

des er ê gedâht hâte,

und verkêrte vil drâte

sîn altez gemüete

1240

in eine niuwe güete.

 

Nû er sî alsô schoene sach,

wider sich selben er dô sprach:

«dû hâst einen tumben gedanc,

daz dû sunder sînen danc

1245

gerst ze lebenne einen tac,

wider den niemen niht enmac.

du enweist ouch rehte, waz dû tuost,

sît dû benamen ersterben muost,

daz dû diz lasterlîche leben,

1250

daz dir got hât gegeben,

niht vil willeclîchen treist

unde ouch dar zuo niene weist,

ob dich des kindes tôt ernert.

swaz dir got hât beschert,

1255

daz lâ allez geschehen.

ich enwil des kindes tôt niht sehen.»

 

Des bewac er sich zehant

und begunde bôzen an die want:

er hiez sich lâzen dar in.

1260

der meister sprach: «ich enbin

nû niht müezic dar zuo,

daz ich iu iht ûf tuo.»

«nein, meister, gesprechet mich.»

«herre, jâ enmac ich.

1265

beitet unz daz diz ergê.»

«nein, meister, gesprechet mich ê.»

«nû saget mirz her durch die want.»

«ja enist ez niht alsô gewant.»

zehant liez er in dar in.

1270

dô gienc der arme Heinrich hin,

dâ er die maget gebunden sach.

zuo dem meister er dô sprach:

«diz kint ist alsô wünneclich,

zewâre jâ enmac ich

1275

sînen tôt niht gesehen.

gotes wille müeze an mir geschehen!

wir suln sî wider ûf lân.

als ich mit iu gedinget hân,

daz silber daz wil ich iu geben.

1280

ir sult die maget lâzen leben.»

1280a

daz hôrte vil gerne

1280b

der meister von Salerne

1280c

unde volgete im zehant;

1280d

die maget er wider ûf bant.

 

1281

Dô diu maget rehte ersach,

daz ir ze sterbenne niht geschach,

dâ was ir muot beswæret mite.

1284

sî brach ir zuht unde ir site

1284a

sî hete leides genuoc:

1284b

zuo den brüsten sî sich sluoc,

1285

sî zarte unde roufte sich,

ir gebærde wart sô jæmerlich,

daz sî nieman hete gesehen,

im enwære ze weinenne geschehen.

vil bitterlîchen sî schrê:

1290

«wê mir vil armen unde owê!

wie sol ez mir nû ergân,

muoz ich alsus verlorn hân

die rîchen himelkrône?

diu wære mir ze lône

1295

gegeben umbe dise nôt.

nû bin ich alrêst tôt.

owê, gewaltiger Krist,

waz êren uns benomen ist,

mînem herren unde mir!

1300

nû enbirt er und ich enbir

der êren, der uns was gedâht.

ob diz wære volbrâht,

sô wære im der lîp genesen

und müese ich iemer sælic wesen.»

 

1305

Sus bat sî gnuoc umbe den tôt.

dô enwart ir nie dar nâch sô nôt,

sîn verlüre gar ir bete.

dô niemen durch sî niht entete,

dô huop sî ein schelten.

1310

sî sprach: «ich muoz engelten

mînes herren zageheit.

mir hânt die liute misseseit,

daz hân ich selbe wol ersehen.

ich hôrte ie die liute jehen,

1315

ir wæret biderbe unde guot

und hetet vesten mannes muot:

sô helfe mir got, sî hânt gelogen.

diu werlt was ie an iu betrogen.

ir wâret alle iuwer tage

1320

und sît noch ein werltzage.

des nim ich wol dâ bî war:

daz ich doch lîden getar,

daz enturret ir niht dulden.

herre, von welhen schulden

1325

erschrâket ir, dô man mich bant?

ez was doch ein dickiu want

enzwischen iu unde mir.

herre mîn, geturret ir

einen vremeden tôt niht vertragen?

1330

ich wil iu geheizen unde sagen,

daz iu nieman niht entuot

1332

und ist iu nütze unde guot.

1332a

ob irz durch iuwer triuwe lât,

1332b

daz ist ein vil swacher rât,

1332c

des iu got niht lônen wil,

1332d

wan der triuwen ist ze vil.»

 

1333

Swie vil sî vlüeche unde bete

unde ouch scheltens getete,

1335

daz enmohte ir niht vrum wesen:

sî muose iedoch genesen.

swaz dô scheltens ergienc,

der arme Heinrich ez emphienc

tugentlîchen unde wol,

1340

als ein vrumer ritter sol,

dem schoener zühte niht gebrast.

dô der gnâdelôse gast

sîne maget wider kleite

und den arzât bereite,

1345

als er gedinget hâte,

dô vuor er alsô drâte

wider heim ze lande.

swie wol er dô erkande,

daz er dâ heime vunde

1350

mit gemeinem munde

niuwan laster unde spot,

daz liez er allez an got.

 

Nû hete sich diu guote maget

sô gar verweinet und verklaget,

1355

vil nâhen unz an den tôt.

dô erkande ir triuwe und ir nôt

cordis speculator,

vor dem deheines herzen tor

vürnames niht beslozzen ist.

1360

sît er durch sînen süezen list

an in beiden des geruochte,

daz er sî versuochte

rehte alsô volleclîchen

sam Jôben den rîchen,

1365

dô erzeicte der heilic Krist,

wie liep im triuwe und bärmde ist,

und schiet sî dô beide

von allem ir leide

und machete in dâ zestunt

1370

reine unde wol gesunt.

 

Alsus bezzerte sich

der guote herre Heinrich,

daz er ûf sînem wege

von unsers herren gotes phlege

1375

harte schône genas,

daz er vil gar worden was

als von zweinzic jâren.

dô si sus gevreuwet wâren,

dô enbôt erz heim ze lande

1380

den, die er erkande

der sælden und der güete,

daz sî in ir gemüete

sînes gelückes wæren vrô.

von schulden muosen sî dô

1385

von den genâden vreude hân,

die got hâte an im getân.

 

Sîne vriunt die besten,

die sîne kunft westen,

die riten unde giengen

1390

durch daz sî in emphiengen

engegen im wol drîe tage.

sî engeloubten niemens sage

niuwan ir selber ougen.

sî kurn diu gotes tougen

1395

an sînem schoenen lîbe.

dem meier und sînem wîbe,

den mac man wol gelouben,

man enwelle sî rehtes rouben,

daz sî dâ heime niht beliben.

1400

sî ist iemer ungeschriben,

diu vreude, die sî hâten,

wan sî got hete berâten

mit lieber ougenweide:

die gâben in dô beide

1405

ir tohter unde ir herre.

ez enwart nie vreude merre,

dan in beiden was geschehen,

dô sî hâten gesehen,

daz sî gesunt wâren.

1410

si enwesten, wie gebâren.

ir gruoz wart spæhe undersniten

mit vil seltsænen siten:

ir herzeliep wart alsô grôz,

daz in daz lachen begôz

1415

der regen von den ougen.

der rede ist âne lougen:

sî kusten ir tohter munt

etewaz mê dan drîstunt.

 

Dô emphiengen in die Swâbe

1420

mit lobelîcher gâbe;

daz was ir willeclîcher gruoz.

got weiz wol, den Swâben muoz

ieglîch biderber man jehen,

der sî dâ heime hât gesehen,

1425

daz bezzers willen niene wart,

dan als in an der heimvart

sîn lantliut emphienge.

wiez dar nâch ergienge,

waz mac ich dâ von sprechen mê?

1430

er wart rîcher vil dan ê

des guotes und der êren.

daz begunde er allez kêren

stæteclîchen hin ze gote

und warte sînem gebote

1435

baz dan er ê tæte.

des ist sin êre stæte.

 

Der meier und diu meierin,

die heten ouch vil wol umb in

verdienet êre unde guot.

1440

ouch hete er niht sô valschen muot,

sî enhetenz harte wol bewant.

er gap in zeigen dâ zehant

daz breite geriute,

die erde und die liute,

1445

dâ er dô siecher ûfe lac.

sîner gemaheln er dô phlac

mit guote und mit gemache

und mit aller slahte sache

als einer vrouwen ode baz:

1450

daz reht gebôt ime daz.

 

Nu begunden im die wîsen

raten unde prîsen

umbe êlîche hîrât.

ungesamenet was der rât.

1455

er sagete in dô sînen muot:

er wolde, diuhtez sî guot,

nâch sînen vriunden senden

und die rede mit in enden,

swaz sî ime rieten.

1460

biten unde gebieten

hiez er allenthalben dar,

die sînes wortes næmen war.

dô er sî alle dar gewan,

beide mâge unde man,

1465

dô tet er in die rede kunt.

nû sprach ein gemeiner munt,

ez wære reht unde zît.

hie huop sich ein michel strît

an dem râte under in:

1470

dirre riet her, der ander hin,

als ie die liute tâten,

dâ sî solden râten.

 

Ir rât was sô mislich.

dô sprach der herre Heinrich:

1475

«iu ist allen wol kunt,

daz ich vor kurzer stunt

was vil ungenæme,

den liuten widerzæme.

nu enschiuhet mich weder man noch wîp.

1480

mir hât gegeben gesunden lîp

unsers herren gebot.

nû râtet mir alle durch got:

von dem ich die genâde hân,

die mir got hât getân,

1485

daz ich gesunt worden bin,

wie ichz verschulde wider in.»

sî sprâchen: «nemet einen muot,

daz im lîp unde guot

iemer undertænic sî.»

1490

sîn gemahel stuont dâ bî,

die er vil güetlîch ane sach.

er umbevienc sî unde sprach:

«iu ist allen wol gesaget,

daz ich von dirre guoten maget

1495

mînen gesunt wider hân,

die ir hie sehet bî mir stân.

nû ist sî vrî, als ich dâ bin:

nû rætet mir al mîn sin,

daz ich sî ze wîbe neme.

1500

got gebe, daz ez iuch gezeme,

sô wil ich sî ze wîbe hân.

zewâre, mac daz niht ergân,

sô wil ich sterben âne wîp,

wan ich êre unde lîp

1505

hân von ir schulden.

bî unsers herren hulden

wil ich iuch biten alle,

daz ez iu wol gevalle.»

 

Nû sprâchen si alle gelîche

1510

beide arme und rîche,

ez wære ein michel vuoge.

dâ wâren phaffen genuoge:

die gâben sî im ze wîbe.

nâch süezem lanclîbe

1515

dô besâzen sî gelîche

daz êwige rîche.

alsô müezez uns allen

ze jungest gevallen!

den lôn, den sî dâ nâmen,

1520

des helfe uns got. âmen.