BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Liber de causis

ca. 1170

 

Liber de causis

seu liber de bonitate pura

 

Translatio germanica

ex arabica lingua

 

Textus:

Otto Bardenhewer, Die pseudo-aristotelische Schrift

über das reine Gute, bekannt unter dem Namen

Liber de causis, Freiburg i. Br. 1882, S. 58-69

 

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Im Namen Gottes,

des Gnädigen und Barmherzigen!

In Gott allein ist meine Hilfe!

Buch der Auseinandersetzung

des Aristoteles über das reine Gute.

Er hat gesagt:

 

 

§ 1.

Jede primäre Ursache beeinflusst das von ihr Verursachte stärker als die zweite universelle Ursache, und wenn daher die zweite universelle Ursache ihre Kraft von dem Dinge zurückzieht, so zieht die erste universelle Ursache ihre Kraft doch nicht von demselben zurück.

 

Der Grund liegt darin, dass die erste universelle Ursache auf das von der zweiten Ursache Verursachte einwirkt, bevor die zweite universelle Ursache, welche ihm nahe steht, auf dasselbe einwirkt, und wenn daher die zweite Ursache, welche dem Verursachten nahe steht, wirkt, so kann ihr Wirken der ersten Ursache, welche über ihr ist, nicht entbehren, und wenn die zweite Ursache sich von dem Verursachten, welches ihr nahe steht, trennt, so trennt sich die erste Ursache, welche über ihr ist, doch nicht von ihm, weil sie Ursache seiner Ursache ist. Die erste Ursache ist mithin in höherem Grade Ursache des Dinges als seine nähere Ursache, welche ihm nahe steht.

Wir veranschaulichen dies durch die Begriffe Sein, lebendes Wesen, Mensch. Es muss nämlich etwas zuerst Sein sein, dann lebendes Wesen, und dann Mensch. Das lebende Wesen ist also die nähere Ursache des Menschen, das Sein die entferntere. Das Sein ist also in höherem Grade Ursache des Menschen als das lebende Wesen, weil es Ursache des lebenden Wesens ist und dieses Ursache des Menschen. Ebenso ist, wenn du die Vernünftigkeit als Ursache des Menschen setzest, das Sein in höherem Grade Ursache des Menschen als die Vernünftigkeit, weil es Ursache seiner Ursache ist. Der Beweis hiefür ist folgender: wenn du die Vernunftkraft von dem Menschen hinwegnimmst, so bleibt er nicht mehr Mensch, aber er bleibt ein lebendes, atmendes, sinnlich wahrnehmendes Wesen; wenn du aber das lebende Wesen von hinwegnimmst, so bleibt er nicht mehr ein lebendes Wesen, aber er bleibt ein Seiendes, weil das Sein nicht von ihm hinweggenommen wird, wenn auch das lebende Wesen. hinweggenommen wird, weil die Ursache nicht hinweggenommen wird mit der Hinwegnahme des von ihr Verursachten: es bleibt also der Mensch ein Seiendes. Ist also ein Einzelding nicht Mensch, so ist es lebendes Wesen; ist es nicht lebendes Wesen, so ist es nur Seiendes.

Es ist demnach klar und einleuchtend, dass die erste, entferntere Ursache das Ding mehr umschließt und in höherem Grade Ursache desselben ist als seine nähere Ursache. In Folge dessen haftet auch ihr Wirken fester an dem Dinge als das Wirken der näheren Ursache desselben. Es kömmt dies aber daher, dass das Ding zuerst von der entfernteren Kraft, dann erst in zweiter Linie von der Kraft, welche unter der ersten ist, gewirkt wird, und die erste Ursache der zweiten Ursache zu ihrem Wirken verhilft, weil jedes von einer Ursache Verursachte von der zweiten Ursache und auch von der ersten Ursache gewirkt wird, von der letzteren jedoch auf eine andere, höhere und erhabenere Weise, und wenn die zweite Ursache von dem von ihr Verursachten hinweggenommen wird, so trennt sich die erste Ursache doch nicht von demselben, weil das Wirken der ersten Ursache stärker ist und fester an dem Dinge haftet als das Wirken der näheren Ursache desselben. Das von der zweiten Ursache Verursachte wird nur durch die Kraft der ersten Ursache ins Dasein gesetzt; denn wenn die zweite Ursache ein Ding wirkt, so lässt die erste Ursache, welche über ihr ist, von ihrer Kraft auf jenes Ding ausströmen und haftet dann an demselben nut Festigkeit und erhält es. Demnach ist es klar und einleuchtend, dass die erste Ursache in höherem Grade Ursache des Dinges ist als die nähere Ursache desselben, welche ihm nahe steht, und dass sie ihre Kraft auf das Ding ausströmen lässt und dasselbe erhält und sich nicht von ihm trennt, wenn seine nähere Ursache sich von ihm trennt, sondern in ihm bleibt und fest an ihm haftet, wie wir es dargelegt und auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 2.

Jedes wirkliche Sein ist entweder höher als die Ewigkeit und vor derselben oder mit der Ewigkeit oder nach der Ewigkeit und über der Zeit.

 

Das Sein, welches vor der Ewigkeit ist, ist die erste Ursache, weil sie Ursache der Ewigkeit ist. Das Sein, welches mit der Ewigkeit ist, ist die Intelligenz, weil sie das zweite Sein ist. Das Sein, welches nach der Ewigkeit und über der Zeit ist, ist die Seele, weil sie im Horizonte der Ewigkeit unterhalb und über der Zeit ist. Der Beweis aber dafür, dass die erste Ursache vor der Ewigkeit selbst ist, liegt darin, dass das Sein in dieser ein anderswoher empfangenes ist. Wir behaupten (nämlich): jede Ewigkeit ist ein Sein, aber nicht ist jedes Sein eine Ewigkeit. Das Sein ist also umfassender als die Ewigkeit. Die erste Ursache aber ist über der Ewigkeit, weil die Ewigkeit von ihr verursacht ist. Die Intelligenz ferner korrespondiert der Ewigkeit, weil sie sich mit ihr ausdehnt und unveränderlich und unzerstörbar ist. Die Seele endlich ist verbunden mit der Ewigkeit unterhalb, weil sie tiefer steht im Einwirken als die Intelligenz, aber sie ist oberhalb der Zeit, weil sie die Ursache der Zeit ist.

 

 

§ 3.

Jede erhabene Seele hat drei Wirksamkeiten: eine seelische, eine intellektuelle und eine göttliche.

 

Die göttliche Wirksamkeit besteht darin, dass sie die Natur lenkt und leitet vermöge der Kraft, welche ihr von der ersten Ursache innewohnt; ihre intellektuelle Wirksamkeit aber besteht darin, dass sie die Dinge erkennt vermöge der ihr innewohnenden Kraft der Intelligenz; die seelische Wirksamkeit endlich besteht darin, dass sie den ersten Körper und alle physischen Körper bewegt, weil sie die Ursache der Bewegung der Körper und der Wirksamkeit der Natur ist. Es übt aber die Seele diese Wirksamkeiten aus, weil sie ein Abbild der höheren Kraft ist. Die erste Ursache nämlich hat, durch Vermittlung der Intelligenz, das Sein der Seele geschaffen, und daher kömmt es, dass die Seele eine göttliche Wirksamkeit ausübt. Nachdem nun die erste Ursache das Sein der Seele geschaffen, machte sie dasselbe gleichsam zu dem Substrate der Intelligenz, auf dass die Intelligenz ihre Wirksamkeiten an demselben ausübe; und daher kömmt es, dass die intellektuelle Seele eine intellektuelle Wirksamkeit ausübt. Da nun aber die Seele die Einwirkung der Intelligenz aufgenommen, so ist sie von geringerer Wirksamkeit als diese in ihrer Einwirkung auf dasjenige, was unter ihr ist. Sie wirkt nämlich nur durch Bewegung auf die Dinge ein, d. h. dasjenige, was unter ihr ist, nimmt ihre Wirksamkeit nicht auf, es sei denn in der Weise, dass sie dasselbe bewegt. Das ist der Grund, weshalb die Seele die Körper bewegt; denn es gehört zur Natur der Seele, die Körper zu beleben, wenn sie ihre Kraft auf dieselben ausströmen lässt, und sie auch zu der rechten Wirksamkeit hinzuführen. Es ist also nunmehr einleuchtend, dass die Seele drei Wirksamkeiten hat, weil sie drei Kräfte hat: eine göttliche, eine intellektuelle und eine ihr eigentümliche Kraft, wie wir es beschrieben und dargelegt haben.

 

 

§ 4.

Das erste der geschaffenen Dinge ist das Sein; ein anderes Geschaffenes vor ihm gibt es nicht.

 

Denn das Sein ist über dem Sinne, über der Seele und über der Intelligenz und nach der ersten Ursache gibt es nichts, was mehr umfasste und mehr verursachte, als das Sein. Deshalb ist es das höchste aller geschaffenen Dinge und am stärksten geeint. Diese seine Beschaffenheit gründet darin, dass es dein reinen Sein, dem Einen und Wahren, nahe steht, in welchem es keine Vielheit von irgend welcher Art gibt. Das geschaffene Sein aber, obwohl es Eines ist, ist doch vielfältig, d. h. es nimmt das Viele auf, und zwar ist es deshalb etwas Vielfältiges, weil es, obwohl es einfach ist und etwas Einfacheres unter den geschaffenen Dingen sich nicht findet, doch zusammengesetzt ist aus Endlichkeit und Unendlichkeit.

Alles nämlich, was von ihm aus auf die erste Ursache folgt, ist vollkommene und vollendete Intelligenz, auf dem Höhepunkte der Kraft und aller übrigen Vollkommenheiten und mit intellektuellen Formen, welche sehr umfassend und im höchsten Grade universell sind.

 

[Einige Handschriften zählen hier mit § 5. weiter.]

 

Das unter dieser Intelligenz Stehende ist wiederum Intelligenz, mit der Maßgabe jedoch, dass sie hinsichtlich der Vollendung und der Kraft und der Vollkommenheiten tiefer steht als jene Intelligenz, und die intellektuellen Formen in ihr nicht sehr umfassend sind, wie sie es in jener Intelligenz sind. Das erste geschaffene Sein ist ganz Intelligenz, nur dass die Intelligenz in ihm sich differenziert in der besagten Weise. Weil nun die Intelligenz sich differenziert, so entstehen dort verschiedene intellektuelle Formen, und wie aus der Einen Form, wenn sie sich in der niederen Welt differenziert, Individuen in endloser Menge hervorgehen, so kommen dadurch, dass das erste geschaffene Sein sich differenziert, Formen ohne Ende zum Vorschein, mit der Maßgabe jedoch, dass sie, wiewohl sie sich differenzieren, nicht sich von einander trennen, wie die Individuen sich trennen. Denn sie sind geeint, ohne in einander aufzugehen, und sie sondern sich, ohne sich von einander zu trennen, weil sie ein vielfältiges Eines und eine einige Vielheit sind, indem die ersten Intelligenzen die Vollkommenheiten, welche sie von der ersten Ursache erlangen, auf die zweiten Intelligenzen ausströmen und in dieselben hineingelangen lassen bis hin zu der letzten derselben. Die hohen ersten Intelligenzen , welche auf die erste Ursache folgen, bringen die subsistierenden und beständigen Formen hervor, welche nicht schwinden, so dass es nötig wäre, sie ein anderes Mal ins Dasein zu rufen. Die zweiten Intelligenzen hingegen bringen die schwankenden und vergänglichen Formen hervor, wie die Seele ist, denn sie gehört zu den Hervorbringungen der zweiten Intelligenzen, welche auf das geschaffene Sein unterhalb folgen. Die Vervielfältigung der Seelen aber vollzieht sich in derselben Weise, in welcher die Vervielfältigung der Intelligenzen vor sich geht. Denn das Sein der Seele ist gleichfalls endlich; was aber von ihr aus unterhalb ist, ist unendlich. Die Seelen nun, welche auf die Intelligenz folgen, sind vollkommen und vollendet und von geringer Hinfälligkeit und Vergänglichkeit. Die Seelen aber, welche auf das Sein unterhalb folgen, stehen hinsichtlich der Vollkommenheit und Vollendung tiefer als die hohen Seelen. Die hohen Seelen lassen die Vollkommenheiten, welche sie von der Intelligenz empfangen, auf die niederen Seelen ausströmen, und je mehr Kraft eine Seele von der Intelligenz empfängt, um so kraftvoller ist sie in ihren Hervorbringungen, und das von ihr Hervorgebrachte ist subsistierend und bleibend und seine Bewegung ist gleichmäßig und fortlaufend, wohingegen die Seelen, welchen die Kraft der Intelligenz in geringerem Masse innewohnt, hinsichtlich ihrer Hervorbringungen tiefer stehen als die ersten Seelen, und das von ihnen Hervorgebrachte schwach und veränderlich und vergänglich ist, nur dass es, wiewohl es so beschaffen ist, doch Dauer gewinnt durch das Entstehen. Es hat sich demnach klar ergeben, warum der intellektuellen Formen viele sind, obwohl sie nur ein einziges und einfaches Sein sind, und warum der Seelen viele sind und die eine kraftvoller ist als die andere, während ihr Sein ein einziges, einfaches und unterschiedsloses ist.

 

 

§ 5.

Die erste Ursache ist erhaben über jede Bezeichnung, und zwar ist die Zunge unfähig, sie zu bezeichnen, weil sie ihr Sein nicht zu bezeichnen vermag, insofern dieses über einer jeden Ursache steht; sie kann nur nach den zweiten Ursachen bezeichnet werden, welche von dem Lichte der ersten Ursache beleuchtet werden.

 

Der Grund liegt darin, dass die Ursache, welche zuerst leuchtet, das von ihr Verursachte beleuchtet, während sie selbst nicht beleuchtet wird von einem anderen Lichte, weil sie das reine Licht ist, über welchem es kein anderes Licht gibt. Daher kömmt es, dass das Erste allein sich der Bezeichnung entzieht; lediglich deshalb, weil es über demselben keine Ursache gibt, durch welche es erkannt werden könnte. Ein jedes Ding nämlich wird aus seiner Ursache erkannt und nach ihr bezeichnet; wenn also ein Ding nur Ursache und nicht Verursachtes ist, so kann es nicht durch eine frühere Ursache erkannt und nicht bezeichnet werden, weil es über jede Bezeichnung erhaben ist und die Sprache es nicht erreichen kann. Das Bezeichnen setzt nämlich immer das Sprechen voraus und das Sprechen das Erkennen und das Erkennen das Denken und das Denken die Vorstellung und die Vorstellung die Sinnenwahrnehmung. Die erste Ursache aber steht über allen Dingen, weil sie Ursache derselben ist. Daher kömmt es, dass sie weder der sinnlichen Wahrnehmung unterliegt noch der Vorstellung noch dem Denkvermögen noch der intellektuellen Erkenntnis noch der Sprache; sie kann folglich nicht bezeichnet werden. Hinwieder behaupte ich: entweder ist ein Ding sinnlich wahrnehmbar, und dann fällt es unter die Sinne; oder es ist vorstellbar, und dann fällt es unter die Vorstellung; oder es ist wirklich seiend und in Einem Zustande verbleibend und unveränderlich, und dann ist es intelligibel; oder es ist veränderlich und vergänglich und dem Entstehen und Vergehen unterliegend, und dann fällt es unter das Denken. Die erste Ursache aber steht über den intelligiblen und bleibenden Dingen wie über den vergänglichen Dingen, und darum erstreckt sich auf sie weder die sinnliche Wahrnehmung noch das Vorstellungsvermögen noch die Denkkraft noch die intellektuelle Erkenntnis. Sie kann nur nach der zweiten Ursache, d. i. nach der Intelligenz, bezeichnet, und mit dem Namen des zuerst von ihr Verursachten kann sie nur in höherer und ausgezeichneterer Weise benannt werden. Denn was das Verursachte ist das ist auch die Ursache, nur ist sie es in höherer und ausgezeichneterer und vollkommenerer Weise, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 6.

Die Intelligenz ist eine ungeteilte Wesenheit.

 

Denn wenn sie ohne Ausdehnung, körperlos und bewegungslos ist, so ist sie ohne Zweifel ungeteilt. Alles Geteilte nämlich ist entweder wegen der Vielheit oder der Größe nach oder seiner Bewegung nach geteilt, und was so beschaffen ist, das steht unter der Zeit, weil es die Teilung nur in einer Zeit erleidet. Die Intelligenz aber fällt nicht unter die Zeit, sie ist vielmehr mit der Ewigkeit. Daher kömmt es, dass sie hoch und erhaben ist über jede Körperlichkeit und jede Vielheit, so dass, wenn eine Vielheit sich in ihr findet, diese doch immer geeint ist, wie wenn sie Eines wäre. Wenn aber die Intelligenz diese Eigenschaften hat, so lässt sie durchaus keine Teilung zu. Der Beweis hiefür liegt in ihrer Hinwendung zu sich selbst. Ich will sagen: sie dehnt sich nicht in der Weise aus mit dem ausgedehnten Dinge, dass das eine ihrer beiden Enden sich entfernte von dem anderen. Denn wenn sie ein körperliches, ausgedehntes Ding erkennen will, so dehnt sie sich so mit ihm aus, dass sie zugleich in ihrem Zustande verharrt und verbleibt, weil sie eine Form ist, von welcher sich nichts ablöst. Nicht so verhält es sich mit den Körpern. Der Beweis ferner dafür, dass die Intelligenz kein Körper ist und ihre Wesenheit und ihre Wirksamkeit nicht getrennt sind, liegt darin, dass beide Eines sind. Die Intelligenz ist vielfältig wegen der Vollkommenheiten, welche ihr von der ersten Ursache zu fließen; aber wiewohl sie in dieser Weise vielfältig ist, so ist sie doch, weil sie dem Einen nahe steht, etwas Einfaches und Ungeteiltes. Die Intelligenz ist der Teilung nicht zugänglich, weil sie das Erste ist, was von der ersten Ursache erschaffen ist, weshalb die Einfachheit ihr angemessener ist als die Geteiltheit. Es ist demnach einleuchtend, dass die Intelligenz eine Wesenheit ohne Größe, ohne Körperlichkeit und ohne irgend eine Art körperlicher Bewegung ist, und deshalb steht sie über der Zeit, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 7.

Jede Intelligenz erkennt sowohl das, was über ihr ist, als auch das, was unter ihr ist, mit dem Unterschiede jedoch, dass sie das, was unter ihr ist, dadurch erkennt, dass sie Ursache für dasselbe ist, das, was über ihr ist, aber deshalb, weil sie ihre Vollkommenheiten von ihm erlangt.

 

Die Intelligenz ist nun eine intellektuelle Wesenheit und sie erkennt sowohl die Dinge, welche sie von oben erlangt, als auch die Dinge, für welche sie Ursache ist, nach der Weise ihrer Wesenheit. Sie unterscheidet also das, was über ihr ist, und das, was unter ihr ist, und erkennt, dass jenes Ursache für sie, dieses aber von ihr selbst verursacht ist, und erfasst ihre Ursache sowohl wie ihr Verursachtes in der Weise, in welcher sie selbst ist, ich meine in der Weise ihrer Wesenheit. So erkennt jedes erkennende Wesen das Höhere sowohl wie das Niedere und Geringere nur nach der Weise seiner Wesenheit und seines Seins, nicht nach der Weise, wie diese Dinge selbst sind. Ist dem aber so, so kann kein Zweifel sein, dass die Vollkommenheiten, welche von der ersten Ursache auf die Intelligenz herabkommen, in dieser intellektuell sind, und ebenso sind die körperlichen , sinnlichen Dinge in der Intelligenz intellektuell. Denn die Dinge, welche in der Intelligenz sind, sind nicht die Produkte selbst, sondern die Ursachen der Produkte. Der Beweis hiefür liegt darin, dass die Intelligenz selbst die Ursache der Dinge, welche unter ihr sind, dadurch ist, dass sie eben Intelligenz ist. Wenn nun die Intelligenz dadurch die Ursache der Dinge ist, dass sie Intelligenz ist, so kann kein Zweifel sein, dass die Ursachen der Dinge in der Intelligenz eben auch intellektuell sind. Demnach ist es klar, dass die Dinge über der Intelligenz und unter derselben der Potenz nach intellektuell sind, und ebenso die körperlichen Dinge bei der Intelligenz intellektuell und auch die intelligiblen Dinge in der Intelligenz intellektuell sind, weil sie die Ursache des Seins derselben ist und weil sie die Dinge immer in der Weise ihrer Wesenheit erfasst, d. h., weil sie Intelligenz ist, intellektuell sie erfasst, mögen nun die Dinge intelligibel oder körperlich sein.

 

 

§ 8.

Jede Intelligenz hat ihre Existenz und Subsistenz durch das reine Gute, d. i. die erste Ursache.

 

Die Kraft der Intelligenz aber ist von stärkerer Einheit als die zweiten Dinge, welche nach ihr sind, weil diese die Erkenntnis der Intelligenz nicht erreichen. Diese Beschaffenheit hat die Intelligenz deshalb, weil sie Ursache dessen ist, was unter ihr ist. Der Beweis hiefür liegt in dem, was wir bereits wissen, dass nämlich die Intelligenz sämtliche Dinge, welche unter ihr sind, durch die göttliche Kraft, welche ihr innewohnt, leitet und durch diese Kraft sie hält, weil sie durch dieselbe die Ursache der Dinge geworden ist, so dass sie sämtliche Dinge, welche unter ihr sind, hält und umschließt. Wenn nämlich irgend etwas Prinzip und Ursache gewisser Dinge ist, so hält es diese Dinge auch und leitet sie und keines derselben kann sich ihm entziehen in Folge der höheren Kraft jenes Dinges. Die Intelligenz beherrscht demnach sämtliche Dinge, welche unter ihr sind, und hält und leitet sie, gleichwie die Natur die Dinge, welche unter ihr sind, leitet durch die Kraft der Intelligenz; ebenso leitet die Intelligenz die Natur durch die göttliche Kraft. Dass aber die Intelligenz die Dinge, welche nach ihr sind, hält und leitet und ihre Kraft über dieselben ausbreitet, kömmt daher, dass diese Dinge nicht eine substantielle Kraft der Intelligenz sind, sondern letztere vielmehr die Kraft der substantiellen Kräfte ist, weil sie Ursache derselben ist. Die Intelligenz umschließt das, was im Umkreis der Natur entsteht (und vergeht), und das, was über der Natur ist, ich meine die Seele, denn diese ist über der Natur. Die Natur nämlich umschließt das Entstehende (und Vergehende) und die Seele umschließt die Natur und die Intelligenz umschließt die Seele. Die Intelligenz umschließt demnach alle Dinge, und zwar hat sie diese Stellung erhalten von der ersten Ursache, welche alle Dinge überragt, weil sie die Ursache der Intelligenz, der Seele, der Natur und aller anderen Dinge ist. Die erste Ursache ist weder Intelligenz noch Seele noch Natur, sondern sie ist über der Intelligenz und der Seele und der Natur, weil sie Urheberin sämtlicher Dinge ist, mit dem Unterschiede, dass sie die Urheberin der Intelligenz ist ohne irgend welche Vermittlung, die Urheberin der Seele, der Natur und aller anderen Dinge hingegen durch die Vermittlung der Intelligenz. Das göttliche Wissen ferner ist nicht wie das intellektuelle Wissen noch wie das Wissen der Seele sondern es ist über dem Wissen der Intelligenz und dem Wissen der Seele, weil es der Urheber jedes anderen Wissens ist. Die göttliche Kraft ist über jeder Intelligenz-, jeder Seelen- und jeder Naturkraft, weil sie Ursache einer jeden Kraft ist. Die Intelligenz endlich ist etwas Ganzes (Zusammengesetztes), weil sie Sein und Form ist, und ebenso ist auch die Seele etwas Ganzes und die Natur gleichfalls. Die erste Ursache hingegen hat keine Ganzheit (Zusammengesetztheit), weil sie nur Sein ist; und wenn Jemand sagt, sie müsse notwendig eine Ganzheit haben, so erwidern wir: ihre Ganzheit ist ihre Unendlichkeit und ihr eigentümliches Wesen ist das reine Gute, welches alles Gute auf die Intelligenz und durch die Vermittlung der Intelligenz auf alle anderen Dinge ausströmen lässt.

 

 

§ 9.

Jede Intelligenz ist voll von Formen, mit dem Unterschiede jedoch, dass die eine Formen, welche in höherem Grade universell, die andere Formen, welche in geringerem Grade universell sind, umschließt.

 

Denn die Formen, welche in den zweiten, niederen Intelligenzen in partikulärer Weise sind, sind in den ersten Intelligenzen in universeller Weise, und die Formen, welche die ersten Intelligenzen in universeller Weise haben, sind in den zweiten Intelligenzen in partikulärer Weise. Die ersten Intelligenzen haben große Kräfte, weil sie von stärkerer Einheit sind als die zweiten, niederen Intelligenzen; diese aber haben schwache Kräfte, weil sie von geringerer Einheit und größerer Vielfältigkeit sind. Denn die Intelligenzen, welche dem Einen, Wahren, Reinen nahe stehen, sind geringer an Quantität und bedeutender an Kraft; die Intelligenzen aber, welche dem Einen, Wahren, Reinen ferner stehen, sind größer an Quantität und schwächer an Kraft. Weil nun die Intelligenzen, welche dem Einen, Wahren, Reinen nahe stehen, geringer sind an Quantität und bedeutender an Kraft, so geschieht es, dass die Formen, welche von den ersten Intelligenzen in universeller, geeinter Weise ausgehen, von den zweiten Intelligenzen in partikulärer, gesonderter Weise ausgehen. Wir wollen aber kurz sein und sagen: die Formen, welche von den ersten Intelligenzen den zweiten zukommen, gehen schwerer aus und sondern sich in stärkerem Masse. Daher kömmt es, dass die zweiten Intelligenzen ihre Blicke auf die universellen Formen, welche in den universellen Intelligenzen sind, werfen und dieselben nun teilen und sondern, weil sie nicht fähig sind, diese Formen nach ihrer wahren Natur und Wesenheit aufzunehmen, vielmehr nur in der Weise, in welcher sie dieselben eben aufzunehmen fähig sind, ich meine unter Teilung und Sonderung. So nimmt ein jedes Ding das Höhere nur in der Weise auf, in welcher es dasselbe eben aufzunehmen fähig ist, nicht in der Weise, in welcher das ist, was aufgenommen wird.

 

 

§ 10.

Jede Intelligenz erfasst Dinge, welche bleibend sind und nicht vergehen und nicht unter die Zeit fallen.

 

Denn wenn die Intelligenz bleibend und unbeweglich ist, so ist sie Ursache von Dingen, welche bleibend und unvergänglich sind und nicht unter das Entstehen und Vergehen fallen. Es ist dies deshalb der Fall, weil die Intelligenz durch ihr Sein erfasst, ihr Sein aber bleibend und unvergänglich und unveränderlich ist. Wenn aber dem so ist, so behaupten wir: die vergänglichen, unter das Entstehen und Vergehen fallenden Dinge sind aus einer Körperlichkeit, ich meine aus einer körperlichen, zeitlichen Ursache, nicht aus einer geistigen, ewigen Ursache.

 

 

§ 11.

Alle die Ersten sind wechselseitig in einander in der Weise, in welcher es angeht, dass das eine derselben in dem anderen ist.

 

Denn in dem Sein ist das Leben und die Intelligenz, in dem Leben das Sein und die Intelligenz und in der Intelligenz das Sein und das Leben; nur sind das Sein und das Leben in der Intelligenz zwei Intelligenzen, das Sein und die Intelligenz in dem Leben zwei Leben und die Intelligenz und das Leben in dem Sein zwei Sein. Es ist dies deshalb der Fall, weil jedes einzelne von den Ersten entweder Ursache ist oder Verursachtes. Das Verursachte nun ist in der Ursache in der Weise der Ursache, und die Ursache ist in dem Verursachten in der Weise des Verursachten. Wir wollen uns aber kurz fassen und sagen: was in einem anderen ist in der Weise einer Ursache, ist in ihm in der Weise, in welcher dieses letztere (selbst) ist. So ist der Sinn in der Seele in seelischer Weise, die Seele in der Intelligenz in intellektueller Weise, die Intelligenz in dem Sein in seiender Weise, das erste Sein aber in der Intelligenz in intellektueller Weise, die Intelligenz in der Seele in seelischer Weise, die Seele in dem Sinne in sinnlicher Weise. Wir wiederholen und sagen also: der Sinn und die Seele sind in der Intelligenz und der ersten Ursache in verschiedenen Weisen, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 12.

Jede Intelligenz erfasst sich selbst.

 

Der Grund liegt darin, dass sie intelligent und intelligibel (Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt) zugleich ist. Wenn aber die Intelligenz intelligent und intelligibel ist, so ist es unzweifelhaft, dass sie sich selbst schaut; wenn sie aber sich selbst schaut, so erkennt sie, dass sie eine Intelligenz ist, welche sich selbst erfasst. Wenn sie aber sich selbst erkennt, so erkennt sie die übrigen Dinge, welche unter ihr sind, weil sie aus ihr sind; in intellektueller Weise jedoch sind sie in ihr, und es sind daher die Intelligenz und die intelligiblen Dinge Eines. Denn wenn alle intelligiblen Dinge in der Intelligenz sind, und die Intelligenz sich selbst erkennt, so ist es unzweifelhaft, dass sie, wenn sie sich selbst erkennt, die übrigen Dinge erkennt, und wenn sie die übrigen Dinge erkennt, sich selbst erkennt; wenn sie aber die Dinge erkennt, so erkennt sie dieselben nur deshalb, weil sie intelligibel sind. Mithin erkennt also die Intelligenz sich selbst und die intelligiblen Dinge zugleich, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 13.

In jeder Seele sind die sinnlichen Dinge, weil sie Vorbild derselben ist, und die intelligiblen Dinge sind in ihr, weil sie Abbild derselben ist.

 

Es ist dies deshalb der Fall, weil sie in der Mitte steht zwischen den intelligiblen Dingen, welche unbeweglich sind, und den sinnlichen, beweglichen Dingen. Aus dieser Stellung der Seele aber folgt, dass sie die körperlichen Dinge hervorbringt und also die Ursache der Körper ist, während sie selbst verursacht ist von der Intelligenz, welche vor ihr ist. Die Dinge nun, welche von der Seele hervorgebracht sind, sind in der Seele nach Art eines Vorbildes; ich will sagen: die sinnlichen Dinge sind gebildet nach dem Vorbilde der Seele. Die Dinge hingegen, welche über der Seele sind, sind in ihr in einer erworbenen Weise. Wenn aber dem so ist, so wiederholen wir und sagen: alle sinnlichen Dinge sind in der Seele in der Weise einer Ursache, mit der Maßgabe; dass die Seele vorbildliche Ursache ist. Unter Seele aber verstehe ich die Kraft, welche die sinnlichen Dinge wirkt, wobei indessen festzuhalten, dass die wirkende Kraft in der Seele nicht materiell, die körperliche Kraft in der Seele geistig und die auf die Dinge einwirkende ausgedehnte Kraft unausgedehnt ist. Die intelligiblen Dinge aber sind in der Seele in akzidenteller Weise; ich will sagen: die intelligiblen Dinge, welche nicht geteilt sind, sind in der Seele in geteilter Weise, die intelligiblen, einfachen Dinge sind in der Seele in vielfältiger Weise und die intelligiblen Dinge, welche unbeweglich sind. sind in der Seele in beweglicher Weise. Es ist demnach klar, dass alle Dinge, die intelligiblen wie die sinnlichen, in der Seele sind, die sinnlichen, körperlichen, beweglichen Dinge jedoch sind in der Seele in seelischer, geistiger, einfacher Weise, die intelligiblen, einfachen, ruhenden Dinge aber sind in der Seele in vielfältiger, beweglicher Weise, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 14.

Alles, was sich selbst erkennt, wendet sich vollständig zu sich selbst hin.

 

Das Erkennen nämlich ist eine intellektuelle Tätigkeit. Wenn nun etwas sich selbst erkennt, so wendet es sich mit seinem Erkennen zu sich selbst hin. Der Grund liegt dann, dass ja das Erkenntnissubjekt und das Erkenntnisobjekt Eines und dasselbe sind, weil das Erkennen dessen, was sich selbst erkennt, von diesem Wesen ausgeht und auf dieses Wesen hinzielt, ersteres, weil es Erkenntnissubjekt, letzteres, weil es Erkenntnisobjekt. Denn da das Erkennen das Erkennen des erkennenden Subjektes ist und dieses sich selbst erkennt, so wendet es sich mit seiner Tätigkeit zu sich selbst hin. Ebendeshalb aber wendet auch seine Wesenheit sich zu sich selbst hin. Unter dein Hinwenden der Wesenheit zu sich selbst aber verstehen wir, dass die Wesenheit durch sich selbst existiert und subsistiert; ohne zu ihrer Subsistenz und Existenz eines anderen Dinges zu bedürfen, welches ihr Existenz verliehe, weil sie eine einfache Wesenheit ist, welche sich selbst genügt.

 

 

§ 15.

Alle unendlichen Kräfte hängen an der ersten Unendlichkeit, welche die Kraft der Kräfte ist, weil sie nicht erworben ist oder in den seienden Dingen subsistiert und existiert, sondern vielmehr die Kraft der seienden, Subsistenz habenden Dinge ist.

 

Wenn aber Jemand sagt, das erste geschaffene Seiende, ich meine die Intelligenz, sei unendliche Kraft, so erwidern wir: das geschaffene Seiende ist nicht Kraft , sondern hat etwas von Kraft , und nach unten hin, nicht nach oben hin, ist seine Kraft ohne Ende. weil es nicht die reine Kraft ist, welche mir dadurch Kraft ist, dass sie eben Kraft ist, und welche durchaus kein Ende hat , nach unten wie nach oben hin. Das erste geschaffene Seiende vielmehr, ich meine die Intelligenz, hat ein Ende und seine Kraft hat auch ein Ende, insofern seine Ursache (über ihm) bleibt. Das erste schaffende Seiende hingegen ist die erste, reine Unendlichkeit. Denn wenn die kraftbegabten Seienden kein Ende haben, weil sie (diese Vollkommenheit) erlangen von der ersten, reinen Unendlichkeit, durch welche die Seienden sind, und wenn das erste Seiende es ist, welches die Dinge, die kein Ende haben, ins Dasein gesetzt hat, so kann kein Zweifel sein, dass dieses über der Unendlichkeit ist. Das erste geschaffene Seiende hingegen , ich meine die Intelligenz, ist nicht Unendlichkeit; es ist vielmehr zu sagen, dass es ohne Ende ist, aber nicht, dass es das ist, was seinem Wesen nach Unendlichkeit ist. Das erste Seiende also ist das Maß der ersten, intelligiblen und der zweiten, sinnlichen Seienden; ich will sagen: dieses ist es, was die Seienden geschaffen und mit dem einem jeden einzelnen zukommenden Masse gemessen hat. Wir wiederholen und sagen also: das erste, schaffende Seiende ist über der Unendlichkeit, das zweite, geschaffene Seiende ist ohne Ende, und das, was zwischen dem ersten, schaffenden Seienden und dem zweiten, geschaffenen Seienden ist, ist Unendlichkeit. Die übrigen einfachen Vollkommenheiten aber, wie das Leben, das Licht u. s. f., sind die Ursachen aller Dinge, welche (diese) Vollkommenheiten besitzen. Ich will sagen: die Unendlichkeit stammt aus der ersten Ursache, das erste Verursachte aber ist die Ursache alles Lebens und ebenso der übrigen Vollkommenheiten, welche von der ersten Ursache zunächst auf das erste Verursachte, die Intelligenz, und dann durch die Vermittlung der Intelligenz auf die übrigen verursachten Dinge, intelligible wie körperliche, herabkommen.

 

 

§ 16.

Die einige Kraft ist von größerer Unendlichkeit als die vielfältige Kraft.

 

Denn die erste Unendlichkeit, die Intelligenz, steht dem Einen, Wahren, Reinen nahe, und daher kömmt es, dass in jeder Kraft, welche dem Einen, Wahren, Reinen nahe steht, die Unendlichkeit größer ist als in der Kraft, welche jenem ferne steht. Denn wenn ei ne Kraft anfängt sich zu vervielfältigen, so verliert sie ihre Einheit; wenn sie aber ihre Einheit verliert, so verliert sie ihre Unendlichkeit, welche in ihr war. Die Unendlichkeit aber büßt die Kraft nur in Folge ihrer Teilung ein. Der Beweis liegt in der geteilten Kraft, insofern diese, zusammengefügt und geeint, groß und stark ist und wunderbare Werke wirkt, geteilt und zersplittert aber, klein und schwach ist und geringfügige Werke wirkt. Es ist demnach klar und einleuchtend, dass, wenn eine Kraft dem Einen, Wahren , Reinen nahe steht, ihre Einheit stark, und wenn ihre Einheit stark, die Unendlichkeit in ihr augenscheinlicher und auffälliger ist und ihre Werke große, wunderbare, erhabene Werke sind.

 

 

§ 17.

Alle Dinge haben das Sein durch das erste Sein, alle lebenden Dinge sind selbstbewegungsfähig durch das erste Leben und alle intellektuellen Dinge sind erkenntnisfähig durch die erste Intelligenz.

 

Denn wenn jede Ursache dem von ihr Verursachten etwas mitteilt, so kann kein Zweifel sein , dass das erste Sein allem von ihm Verursachten das Sein mitteilt; und ebenso teilt das Leben dem von ihm Verursachten die Bewegung mit, weil das Leben ein Ausgang von dem ersten, ruhenden, bleibenden Sein und der Anfang der Bewegung ist; und ebenso teilt die Intelligenz dem von ihr Verursachten die Erkenntniskraft mit, denn jede wahre Erkenntniskraft geht nur von der Intelligenz aus, und die Intelligenz ist das erste erkennende Wesen, welches existiert, und zugleich dasjenige, was die Erkenntniskraft auf die übrigen erkennenden Wesen ausströmen lässt. Wir wiederholen und sagen also: Das erste Sein ist ruhend und es ist die Ursache der Ursachen, und wenn es allen Dingen das Sein mitteilt, so teilt es dasselbe in der Weise einer Erschaffung mit; das erste Leben hingegen teilt dem, was unter ihm ist, das Leben mit nicht in der Weise einer Erschaffung, sondern in der Weise einer Form; und ebenso teilt auch die Intelligenz dem, was unter ihr ist, von der Erkenntniskraft und den übrigen Dingen mit in der Weise einer Form, nicht in der Weise einer Erschaffung, weil die Weise der Erschaffung ausschließlich der ersten Ursache eigen ist.

 

 

§ 18.

Die Intelligenzen sind teils göttliche Intelligenzen, weil sie die ersten Vollkommenheiten, welche von der ersten Ursache ausgehen, in reichlichem Masse aufnehmen, teils Intelligenzen schlechtweg, weil sie von den ersten Vollkommenheiten nur durch die Vermittlung der ersten Intelligenz etwas aufnehmen.

 

Die Seelen ferner sind teils intellektuelle Seelen, weil sie an der Intelligenz hängen, teils Seelen schlechtweg. Die physischen Körper endlich sind teils mit einer Seele ausgestattet, welche sie leitet und ihnen vorsteht, teils sind es physische Körper schlechtweg ohne Seele. Es ist dies deshalb der Fall, weil nicht die ganze intellektuelle und nicht die ganze seelische und nicht die ganze körperliche Gattung an der Ursache, welche über ihr ist, hängt, sondern nur das Vollkommene und Vollendete in einer jeden Gattung, denn dieses ist es, was an der Ursache, die über ihm ist, hängt. Ich will sagen: nicht jede Intelligenz hängt an den von der ersten Ursache kommenden Vollkommenheiten, sondern nur die an erster Stelle vollkommenen und vollendeten Intelligenzen, denn diese (nur) sind fähig, die von der ersten Ursache herabkommenden Vollkommenheiten aufzunehmen und an denselben zu hängen, wegen der Stärke ihrer Einheit. Ebenso hängt auch nicht jede Seele an der Intelligenz, sondern nur die vollkommenen und vollendeten und mit der Intelligenz am stärksten verbundenen Seelen, denn diese hängen an der Intelligenz, d. h. an der vollkommenen Intelligenz. Und ebenso hat auch nicht jeder physische Körper eine Seele, sondern nur die vollkommenen und vollendeten und gleichsam vernunftbegabten Körper. Und in dieser Weise und nach dieser Analogie verhält es sich auch mit den übrigen intelligiblen Ordnungen.

 

 

§ 19.

Die erste Ursache lenkt und leitet alle Dinge, ohne sich mit ihnen zu vermischen.

 

Denn die Leitung kann ihre über jedes Ding erhabene Einheit nicht schmälern oder aufheben, und die Natur ihrer von den Dingen gesonderten Einheit kann sie an der Leitung der Dinge nicht hindern. Denn die erste Ursache verharrt und verbleibt in ihrer reinen Einheit fort und fort, während sie zugleich alle geschaffenen Dinge lenkt und leitet und die Kraft des Lebens und das verschiedene Gute auf dieselben ausströmen lässt, nach Maßgabe ihrer Kraft und ihres Vermögens (das Gute) aufzunehmen. Das erste Gute lässt in einem und demselben Ergusse das verschiedene Gute auf alle Dinge ausströmen; jedes einzelne Dinge aber nimmt von diesem Ergusse auf nach Maßgabe seines Wesens und seines Seins. Das erste Gute lässt das verschiedene Gute auf alle Dinge in einer und derselben Weise ausströmen , weil es Gutes ist vermöge seines Seins und seiner Wesenheit und seiner Kraft, insofern es Gutes ist und das Gute und die Wesenheit eines und dasselbe sind. Wie nun die erste Wesenheit Wesenheit und Gutes ist in einer und derselben Weise, so lässt sie in einem und demselben Ergusse das Gute auf die Dinge ausströmen, und es strömt nicht auf das eine Ding weniger, auf das andere mehr aus. Der Grund für die Verschiedenheit des Guten und der Vollkommenheiten liegt vielmehr lediglich auf Seiten des Aufnehmenden; denn die Dinge, welche das Gute aufnehmen, nehmen dasselbe nicht gleichmäßig auf; sondern das eine nimmt mehr auf als das andere, und hat dies seinen Grund in der großen Fülle des Guten. Wir wiederholen und sagen also: zwischen dem durch sein bloßes Sein Wirkenden und seiner Wirkung gibt es kein Verhältnis und nichts anderes Vermittelndes. Das Verhältnis zwischen dem Wirkenden und der Wirkung ist etwas zum Sein Hinzukommendes. Ich will sagen: wenn zwischen dem Wirkenden und der Wirkung ein Werkzeug liegt und das Erstere nicht durch sein Sein und einen Teil seiner Attribute wirkt und sein Sein zusammengesetzt ist, so wirkt das Wirkende mittelst eines Verhältnisses zwischen ihm und seiner Wirkung, und das Ende des Wirkenden ist gesondert von seinem Werke, und es lenkt und leitet dasselbe nicht in vollkommener und höchster Weise. Wenn hingegen zwischen dem Wirkenden und seinem Werke durchaus kein Verhältnis ist , so wirkt das Wirkende in Wahrheit und lenkt und leitet in Wahrheit, indem es die Dinge wirkt mit der vollendetsten Ordnung und Schönheit, aber welche hinaus es keine Ordnung und Schönheit mehr geben kann, und in der vollendetsten Weise sein Werk leitet. Denn es leitet das Ding in der Weise, in welcher es wirkt, und weil es durch sein Sein wirkt, so leitet es auch durch sein Sein. In Folge dessen leitet und wirkt es in der vollendetsten Weise, ohne Verschiedenheit und ohne Widerspruch. Die Verschiedenheit der Werke und der Leitung seitens der ersten Ursachen ist lediglich durch die Tauglichkeit des Aufnehmenden bedingt.

 

 

§ 20.

Die erste Ursache ist sich selbst genügend (autark), denn sie ist der größte Reichtum.

 

Der Beweis hiefür liegt in ihrer Einheit, weil diese nicht eine in ihr zerstreute Einheit ist, sondern eine reine Einheit, weil sie im höchsten Grade einfach ist. Wenn aber Jemand erkennen will, dass die erste Ursache der größte Reichtum ist, so werfe er seinen Blick auf die zusammengesetzten Dinge und untersuche sie mit höchster Genauigkeit. Er wird dann finden, dass jedes zusammengesetzte Ding unvollkommen ist, weil entweder anderer Dinge bedürfend oder doch der Dinge, aus welchen es zusammengesetzt ist. Das einfache Ding hingegen, ich meine das Eine, welches Güte ist, ist eines und seine Einheit ist Güte und die Güte und das Eine sind Eines und dasselbe. Dieses Ding ist daher der größte Reichtum und es lässt (das Gute auf die anderen Dinge) ausströmen, nimmt aber selbst in keiner Weise eine Ausströmung (von einem anderen Dinge) auf. Die übrigen Dinge hingegen, seien sie intelligibel oder sinnenfällig, sind nicht sich selbst genügend, sondern sie bedürfen des Einen, Wahren, welches die verschiedenen Vollkommenheiten und alles Gute auf sie ausströmen lässt.

 

 

§ 21.

Die erste Ursache ist über jedem Namen, der genannt wird.

 

Der Grund liegt darin, dass ihr weder das Unvollkommensein eignet noch das bloße Vollkommensein. Denn das Unvollkommene ist nicht vollkommen und ist nicht fähig, eine vollkommene Tätigkeit auszuüben, weil es eben unvollkommen ist; das Vollkommene aber nach unserer Anschauungsweise, wenn es auch sich selbst genügt, ist doch nicht fähig, ein anderes Ding zu erschaffen oder irgend etwas von sich selbst ausströmen zu lassen. Wenn aber dem so ist, so wiederholen wir und sagen: die erste Ursache ist weder unvollkommen noch bloß vollkommen, sondern sie ist über dem Vollkommensein, weil sie die Dinge erschafft und in vollkommener Weise das Gute auf dieselben ausströmen lässt, weil sie Güte ist ohne Ende und ohne Massen. Das erste Gute erfüllt nun also alle Welten mit Gutem, nur dass jede Welt nach Maßgabe ihrer Kraft von diesem Guten aufnimmt. Mithin ist es klar und einleuchtend, dass die erste Ursache über jedem Namen, der genannt wird, und höher und erhabener ist.

 

 

§ 22.

Jede göttliche Intelligenz erkennt die Dinge, weil sie Intelligenz, und leitet dieselben, weil sie göttlich ist.

 

Der Intelligenz nämlich ist es von Natur aus eigen, zu erkennen, und darin, dass sie erkennend ist, liegt ihre Vollkommenheit und Vollendung. Gott aber - er sei gepriesen und verherrlicht! - ist der Dinge Leiter, weil er die Dinge mit Gutem erfüllt. Die Intelligenz jedoch ist das erste Erschaffene und Gott - er sei verherrlicht! - am meisten ähnlich. Daher nun kommt es, dass sie die Dinge, welche unter ihr stehen, leitet, und wie Gott - er sei gepriesen und verherrlicht! - das Gute auf die Dinge ausströmen lässt, so lässt die Intelligenz auf die Dinge, welche unter ihr stehen, die Erkenntnis ausströmen. Wiewohl indessen die Intelligenz die Dinge, welche unter ihr stehen, leitet, so steht doch Gott - er sei gepriesen und verherrlicht! - in der Leitung der Dinge vor und über der Intelligenz, und leitet er die Dinge in einer höheren und erhabeneren Weise als die Intelligenz, weil er es ist, welcher der Intelligenz die Leitung verlieben hat. Der Beweis hiefür liegt darin, dass die Dinge, welche von der Leitung der Intelligenz nicht erreicht werden, wohl erreicht werden von der Leitung des Schöpfers der Intelligenz. Denn seiner Leitung geht schlechterdings kein Ding verlustig, weil er sein Gutes zu einem jeden einzelnen von all' den Dingen hingelangen lassen will. Denn nicht jedes Ding sehnt sich nach der Intelligenz und verlangt nach ihrem Besitze. Alle Dinge aber sehnen sich nach dem von dem Ersten kommenden Guten und verlangen gar sehr nach seinem Besitze. Hieran zweifelt Niemand.

 

 

§ 23.

Die erste Ursache ist in allen Dingen auf Eine Art und Weise, nicht aber sind alle Dinge in der ersten Ursache auf Eine Art und Weise.

 

Denn wenngleich die erste Ursache in allen Dingen ist, so nimmt doch jedes einzelne Ding dieselbe auf nach dem Masse seiner Kraft. Denn einige Dinge nehmen sie einfach auf, andere vielfach, einige ewig, andere zeitlich, einige geistig, andere körperlich. Der Grund für die Verschiedenheit der Aufnahme liegt nicht in der ersten Ursache, sondern auf Seiten dessen, was aufnimmt. Denn das, was aufnimmt, ist verschieden und deshalb ist auch die Aufnahme verschieden. Das, was ausströmen lässt, hingegen ist immer Eines und dasselbe ohne Verschiedenheit und es lässt das Gute auf alle Dinge gleichmäßig ausströmen. Denn das Gute strömt auf alle Dinge von der ersten Ursache gleichmäßig aus. Die Dinge selbst also sind die Ursache der Verschiedenheit der Ausströmung des Guten auf die Dinge. Es ist mithin kein Zweifel, dass nicht alle Dinge in der ersten Ursache auf Eine und dieselbe Weise sind. Demnach ist es klar, dass die erste Ursache in allen Dingen auf Eine und dieselbe Weise ist, aber nicht alle Dinge in ihr auf Eine und dieselbe Weise sind. Also gemäss der Nähe der ersten Ursache und gemäss der Fähigkeit des Dinges, die erste Ursache aufzunehmen, nach dieser Maßgabe vermag dasselbe an der ersten Ursache Anteil zu haben und sich ihrer zu erfreuen. Denn nur gemäss seinem Sein hat ein Ding an der ersten Ursache Anteil und erfreut sich ihrer. Unter dem Sein aber verstehe ich die Erkenntnis; denn gemäss der Erkenntnis der ersten schaffenden Ursache seitens des Dinges nach dieser Maßgabe hat das Ding an derselben Anteil und erfreut sich ihrer, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 24.

Die einfachen, intellektuellen Wesen sind nicht hervorgebracht von einem anderen Ding. Jedes Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, ist nicht hervorgebracht von einem anderen Dinge.

 

Wenn aber Jemand behauptet, es sei doch möglich, dass dasselbe hervorgebracht sei von einem anderen Dinge, so erwidern wir: wenn es möglich ist, dass ein Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, hervorgebracht sei von einem anderen Dinge, so ist dieses Wesen offenbar unvollendet und bedarf der Vollendung durch das, was dasselbe hervorbringt. Der Beweis hiefür liegt in dem Begriffe des Werdens selbst. Denn das Werden ist eben nur ein Weg von der Unvollendetheit zu der Vollendetheit. Wenn sich also ein Ding findet, welches zu seinem Werden, d. i. zu seiner Wesenheit und seiner Bildung, keines anderen Dinges außer ihm bedarf, vielmehr selbst die Ursache seiner Bildung und seiner Vollendung ist, so ist dies immer vollendet und vollkommen. Es ist aber die Ursache seiner Bildung und seiner Vollendung vermöge seines immerwährenden Verbundenseins mit seiner Ursache, und ist dieses Verbundensein zugleich seine Bildung und seine Vollendung. Demnach ist es also einleuchtend, dass jedes Wesen , welches durch sich selbst subsistiert, nicht hervorgebracht ist von einem anderen Dinge

 

 

§ 25.

Jedes Wesen welches durch sich selbst subsistiert, ist nicht dem Vergehen unterworfen.

 

Wenn aber Jemand behauptet, es sei doch möglich, dass ein Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, dem Vergehen unterworfen sei, so erwidern wir: wenn es möglich ist, dass ein Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, dem Vergehen unterworfen sei, so ist es möglich, dass dasselbe sich von sich selbst trenne und also durch sich selbst subsistiere und existiere außer sich selbst. Das aber ist absurd und unmöglich; denn weil es Eines ist und einfach und nicht zusammengesetzt, so ist es selbst die Ursache und das Verursachte zugleich. Alles aber, was dem Vergehen unterworfen ist, vergeht nur dadurch, dass es sich trennt von seiner Ursache. So lange hingegen ein Ding in Abhängigkeit von und in Verbindung mit seiner Ursache, welche es hält und schützt, verbleibt, ist es unzerstörbar und unvergänglich. Wenn aber dem so ist, so kann ein Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, sich nie von seiner Ursache trennen, weil es sich nicht von sich selbst trennt, insofern es selbst seine Ursache ist zu seiner Bildung. Es ist aber die Ursache seiner selbst in Folge seines Verbundenseins mit seiner Ursache, indem eben dieses Verbundensein seine Bildung ist. Weil es nun immer verbunden ist mit seiner Ursache und selbst die Ursache dieses Verbundenseins ist, so ist es auch die Ursache seiner selbst in der Weise, wie wir gesagt haben, dass es unzerstörbar und unvergänglich ist, weil es die Ursache und das Verursachte zugleich ist, wie wir auch gesagt haben. Demnach ist es klar und einleuchtend, dass jedes Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, unzerstörbar und unvergänglich ist.

 

 

§ 26.

Jedes vergängliche, nicht ewige Wesen ist entweder zusammengesetzt oder es subsistiert in einem anderen Dinge.

 

Denn entweder bedarf ein solches Wesen der Dinge, aus welchen es besteht, und ist also aus diesen zusammengesetzt, oder aber es bedarf zu seiner Existenz und Subsistenz eines Substrates, und wenn es sich nun von seinem Substrate trennt, so fällt es dem Nichtsein anheim und geht zu Grunde. Wenn aber ein Wesen nicht zusammengesetzt ist und nicht in einem anderen Dinge subsistiert, sondern einfach und in sich selbst subsistierend ist, so ist es ewig und durchaus unvergänglich und unzerstörbar.

 

 

§ 27.

Jedes Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, ist einfach und ungeteilt.

 

Wenn aber Jemand behauptet, es sei doch möglich, dass dasselbe geteilt sei, so erwidern wir: wenn es möglich ist, dass ein Wesen , welches durch sich selbst subsistiert, geteilt sei, während es doch einfach ist, so ist es möglich , dass die Wesenheit jedes Teiles desselben auch durch sich selbst sei, wie die Wesenheit des Ganzen. Wenn aber dies möglich ist, so wendet jeder Teil desselben sich zu sich selbst hin und es würde mithin ein jeder Teil desselben sich zu einem Teile desselben hinwenden, wie das Ganze sich zu sich selbst hinwendet. Dies jedoch ist unmöglich. Wenn es aber unmöglich ist, so ist also jedes Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, ungeheilt. Es ist aber auch einfach. Denn wenn es nicht einfach wäre, sondern zusammengesetzt, so wäre dieses in ihm vorzüglicher als jenes und dieses geringer als jenes, und es würde mithin das Vorzüglichere aus dem Geringeren und das Geringere aus dem Vorzüglicheren sein, wenn ein jeder Teil desselben von einem jeden Teile desselben getrennt ist. Es würde mithin seine Gesamtheit nicht sich selbst genügend sein , wenn sie ihrer Teile bedarf, aus welchen sie zusammengesetzt ist. Das aber ist nicht die Natur eines einfachen Wesens, sondern vielmehr die Natur zusammengesetzter Wesen. Demnach ist es einleuchtend, dass jedes Wesen, welches durch sich selbst subsistiert, einfach und ungeteilt ist; wenn es aber keiner Teilung unterliegt und einfach ist, so unterliegt es auch keinem Untergange und keiner Zerstörung.

 

 

§ 28.

Jedes Wesen, welches durch sich selbst, ich meine durch seine Wesenheit, subsistiert, ist außer der Zeit erschaffen und steht es seinem Sein nach höher als die zeitlichen Wesen.

 

Der Beweis hiefür liegt darin, dass dasselbe nicht hervorgebracht ist von irgend etwas, weil es durch seine Wesenheit subsistiert, während die Wesen, welche von irgend etwas hervorgebracht sind, zusammengesetzte und dem Entstehen unterliegende Wesen sind. Demnach ist es einleuchtend, dass jedes Wesen, welches durch seine Wesenheit subsistiert, außer der Zeit erschaffen ist und dass es höher und erhabener ist als die Zeit und die zeitlichen Dinge.

 

 

§ 29.

Jedes Wesen, welches in der Zeit erschaffen ist, ist entweder immer in der Zeit und die Zeit geht nicht hinweg von ihm, weil es erschaffen ist wie auch die Zeit, oder es geht hinweg von der Zeit und die Zeit geht hinweg von ihm, weil es in gewissen Abschnitten der Zeit erschaffen ist.

 

Denn wenn die erschaffenen Dinge sich gegenseitig an einander anschließen und an das höhere Wesen sich nur das ihm ähnliche Wesen anschließen kann, nicht das ihm nicht ähnliche Wesen, so stehen die dem höheren Wesen ähnlichen Wesen, d. h. die erschaffenen Wesen, von welchen die Zeit nicht hinweggeht, vor den den immerwährenden Wesen nicht ähnlichen Wesen, d. h. den Wesen, welche sich von der Zeit loslösen und in gewissen Abschnitten der Zeit erschaffen sind. Es ist also nicht möglich, dass die in gewissen Abschnitten der Zeit erschaffenen Wesen sich an die immerwährenden Wesen anreihen, weil sie ihnen durchaus nicht ähnlich sind. Mithin sind es die immerwährenden Wesen in der Zeit, welche sich an die immerwährenden Wesen anreihen, und stehen sie in der Mitte zwischen den subsistierenden Wesen und den von der Zeit sich loslösenden Wesen. Es ist ja nicht möglich, dass an die immerwährenden Wesen, welche über der Zeit sind, sich die zeitlichen Wesen, welche sich von der Zeit loslösen, anschließen, es sei denn durch Vermittlung der zeitlichen Wesen, welche immerwährend in der Zeit sind. Diese Wesen aber stehen deshalb in der Mitte, weil sie den hohen immerwährenden Wesen hinsichtlich der immerwährenden Dauer, den zeitlichen Wesen aber, welche in der Zeit sich loslösen, durch die Entstehung an die Seite treten; denn wenn sie auch immerwährend sind, so beruht doch ihre immerwährende Dauer auf Entstehung und Bewegung; wohingegen die Wesen, welche immerwährend mit der Zeit sind, den immerwährenden Wesen, welche über der Zeit sind, durch die immerwährende Dauer ähnlich sind, aber nicht ähnlich hinsichtlich der Bewegung und der Entstehung. Die von der Zeit sich loslösenden Wesen aber sind den immerwährenden Wesen, welche über der Zeit sind, in keiner Weise ähnlich. Wenn sie ihnen jedoch nicht ähnlich sind, so sind sie nicht im Stande , sie zu erreichen und zu berühren. Es muss also notwendig Wesen geben, welche die immerwährenden Wesen, welche über der Zeit sind, berühren, zugleich aber auch mit den von der Zeit sich 1oslösenden Wesen in Berührung stehen, so dass sie durch ihre Bewegung die Verbindung herstellen zwischen den zeitlichen Wesen, welche sich von der Zeit loslösen, und den immerwährenden Wesen, welche über der Zeit sind , und durch ihre immerwährende Dauer die Verbindung herstellen zwischen den Wesen, welche über der Zeit sind, und den Wesen, welche unter der Zeit sind, ich meine, welche dem Entstehen und Vergehen unterliegen, kurz die Verbindung herstellen zwischen den vorzüglicheren Wesen und den geringeren Wesen , auf dass diese jener nicht verlustig gehen und damit alle Schönheit und alles Gute verlieren und ihnen kein Bestand und keine Subsistenz mehr bleibt.

Aus dieser Auseinandersetzung hat sich demnach klar ergeben, dass es zwei Arten immerwährender Dauer gibt, eine ewige und eine zeitliche. Die eine jedoch ist stehend und ruhend, die andere bewegt. Die eine ist (in sich) gesammelt und ihre Wirksamkeiten vollziehen sich alle zugleich, und nicht diese vor jener; die andere ist fließend und ausgedehnt und von ihren Wirksamkeiten vollzieht sich diese vor jener. Und die Gesamtheit der einen ruht in sich selbst; die Gesamtheit der anderen hingegen ruht in ihren Teilen, von welchen jeder einzelne von dem anderen getrennt ist in der Weise des Früheren und des Späteren.

Demnach ist es klar und einleuchtend, dass einige Wesen immerwährend und über der Zeit sind, andere immerwährend sind und der Zeit korrespondieren, indem die Zeit nicht von ihnen hinweggeht, und wieder andere von der Zeit sich loslösen, indem die Zeit von ihnen hinweggeht oberhalb und unterhalb, nämlich die Wesen, welche dem Entstehen und Vergehen unterliegen.

 

 

§ 30.

Zwischen dem Dinge, dessen Wesenheit und Wirksamkeit im Gebiete der Ewigkeit liegen, und dem Dinge, dessen Wesenheit und Wirksamkeit im Gebiete der Zeit liegen, existiert ein Mittleres, nämlich dasjenige, dessen Wesenheit zum Gebiete der Ewigkeit, und dessen Wirksamkeit zum Gebiete der Zeit gehört.

 

Denn das Ding, dessen Wesenheit unter die Zeit fällt, weil nämlich die Zeit sie umschließt, fällt nach allen Seiten hin unter die Zeit. Es fällt dann auch seine Wirksamkeit unter die Zeit; denn wenn die Wesenheit eines Dinges unter die Zeit fällt, so muss dem entsprechend auch die Wirksamkeit desselben unter die Zeit fallen. Nun ist jedoch das Ding, welches nach allen Seiten hin unter die Zeit fällt, getrennt und gesondert von dem Dinge, welches nach allen Seiten hin unter die Ewigkeit fällt; und ein Anschluss kann nur Statt haben zwischen Dingen, welche einander ähnlich sind. Es muss also notwendig ein anderes, drittes Ding zwischen beiden in der Mitte stehen, ein Ding, dessen Wesenheit unter die Ewigkeit und dessen Wirksamkeit unter die Zeit fällt. Denn es ist unmöglich, dass es ein Ding gebe, dessen Wesenheit unter die Zeit, und dessen Wirksamkeit unter die Ewigkeit fällt. Es würde ja seine Wirksamkeit vorzüglicher sein als seine Wesenheit. Das aber ist unmöglich. Es kann mithin kein Zweifel sein, dass es zwischen den Dingen, welche mit ihren Wesenheiten und Wirksamkeiten unter die Zeit fallen, und den Dingen, deren Wesenheiten und Wirksamkeiten unter das Gebiet der Ewigkeit fallen, Dinge gibt, welche mit ihren Wesenheiten unter die Ewigkeit und mit ihren Wirksamkeiten unter die Zeit fallen, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

 

§ 31.

Jedes Wesen, welches teils unter die Ewigkeit, teils unter die Zeit fällt, ist Sein und Werden zugleich.

 

Denn das Ding, welches unter die Ewigkeit fällt, ist Sein in Wahrheit, und jedes Ding, welches unter die Zeit fällt, ist Werden in Wahrheit. Wenn dem aber so ist und ein und dasselbe Ding unter die Ewigkeit und die Zeit fällt, so ist dasselbe Sein und Werden, nicht nach einer und derselben, sondern nach verschiedenen Seiten hin. Es ist demnach klar aus dem was wir gesagt haben dass alles Hervorgebrachte, welches mit seiner Wesenheit unter die Zeit fällt, der Wesenheit nach an dem reinen Sein hängt, welches die Ursache der immerwährenden Dauer und die Ursache aller immerwährenden Wesen wie auch der vergänglichen Wesen ist.

Es muss nun also notwendig ein wahres Eines geben, welches die Einheiten gibt, aber selbst nichts empfängt, wohingegen die übrigen Einheiten alle empfangen sind. Der Beweis hiefür liegt in Folgendem. Wenn sich ein Eines findet, welches gibt und nicht empfangen ist, worin wird der Unterschied bestehen zwischen diesem und dem ersten Einen, welches (nur) gibt? Denn es ist nicht anders möglich, als dass es ihm entweder nach allen Seiten hin ähnlich ist, oder aber zwischen beiden eine Verschiedenheit obwaltet. Ist es ihm nach allen Seiten hin ähnlich und ist es in gleicher Weise ein Eines wie jenes, warum soll das eine von beiden ein Erstes, und das andere ein Zweites sein? Ist es ihm aber nicht nach allen Seiten hin ähnlich, so ist ohne Zweifel das eine von beiden ein erstes, wahres Eines, das andere ein Eines schlechtweg. Dasjenige nun, in welchem die Einheit subsistiert und nicht aus einem anderen ist, ist das erste, wahre Eine, wie wir es auseinandergesetzt haben; dasjenige aber, in welchem sich eine Einheit findet, die aus einem anderen ist, ist nicht das erste, wahre Eine. Wenn aber aus einem anderen, so ist sie also eine von dem ersten Einen empfangene Einheit. Daraus erhellt, dass das wahre, reine Eine und die übrigen Einen gleichfalls eine Einheit sind, diese aber sind eine Einheit nur durch das wahre Eine, welches die Ursache ihrer Einheit ist. Demnach ist es klar und einleuchtend, dass jede Einheit nach dem wahren Einen empfangen und erschaffen ist, mit Ausnahme des wahren, ersten Einen, welches die Einheiten erschafft und gibt, aber nicht empfängt, wie wir es auseinandergesetzt haben.

 

Gruß!

Es ist zu Ende, was von diesem

Gegenstande vorhanden war.