BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Neununddreißigstes Abenteuer

 

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Wie Gunther, Hagen und Kriemhild erschlagen wurden.

 

2439

Da suchte sich Herr Dietrich | selber sein Gewand;

Ihm half, daß er sich waffnete, | der alte Hildebrand.

Da klagte so gewaltig | der kraftvolle Mann,

Daß von seiner Stimme | das Haus zu schüttern begann.

2440

Dann gewann er aber wieder | rechten Heldenmuth.

Im Grimm ward gewaffnet | da der Degen gut.

Seinen Schild, den festen, | den nahm er an die Hand:

Sie giengen bald von dannen, | er und Meister Hildebrand.

2441

Da sprach von Tronje Hagen: | «Dort seh ich zu uns gehn |

Dietrich den Herren: | der will uns bestehn

Nach dem großen Leide, | das wir ihm angethan.

Nun soll man heute schauen, | wen man den Besten nennen kann.

2442

«Und dünkt sich denn von Berne | der Degen Dieterich

Gar so starkes Leibes | und so fürchterlich.

Und will ers an uns rächen | was ihm ist geschehn,»

Also sprach da Hagen, | «ich bin wohl Mann ihn zu bestehn.»

2443

Die Rede hörte Dietrich | mit Meister Hildebrand.

Er kam, wo er die Recken | beide stehen fand

Außen vor dem Hause, | gelehnt an den Saal.

Seinen Schild den guten, | den setzte Dietrich zu Thal.

2444

In leidvollen Sorgen | sprach da Dietrich:

«Wie habt ihr so geworben, | Herr Gunther, wider mich,

Einen Heimathlosen? | Was that ich euch wohl je,

Daß alles meines Trostes | ich nun verwaiset mich seh?

2445

«Ihr fandet nicht Genüge | an der großen Noth,

Als ihr uns Rüdigeren, | den Recken, schluget todt:

Ihr missgönntet sie mir alle, | Die mir unterthan.

Wohl hätt ich solchen Leides | euch Degen nimmer gethan.

2446

«Gedenkt an euch selber | und an euer Leid,

Eurer Freunde Sterben | und all die Noth im Streit,

Ob es euch guten Degen | nicht beschwert den Muth.

O weh, wie so unsanft | mir der Tod Rüdigers thut!

2447

«So leid geschah auf Erden | Niemanden je.

Ihr gedachtet wenig | an mein und euer Weh.

Was ich Freuden hatte, | das liegt von euch erschlagen:

Wohl kann ich meine Freunde | nimmer genug beklagen.»

2448

«Wir sind wohl nicht so schuldig,» | sprach Hagen entgegen.

«Zu diesem Hause kamen | alle eure Degen

Mit großem Fleiß gewaffnet | in einer breiten Schar.

Man hat euch wohl die Märe | nicht gesagt, wie sie war.»

2449

«Was soll ich andere glauben? | mir sagt Hildebrand:

Euch baten meine Recken | vom Amelungenland,

Daß ihr ihnen Rüdigern | gäbet aus dem Haus:

Da botet ihr Gespötte nur | meinen Recken heraus.»

2450

Da sprach der Vogt vom Rheine: | «Sie wollten Rüdgern tragen,

Sagten sie, von hinnen: | das ließ ich versagen

Etzeln zum Trotze, | nicht aber deinem Heer,

Bis darob zu schelten | Wolfhart begann, der Degen hehr.»

2451

Da sprach der Held von Berne: | «Es sollte nun so sein. |

Gunther, edler König, | bei aller Tugend dein

Ersetze mir das Herzeleid, | das mir von dir geschehn;

Versühn es, kühner Ritter, | so laß ichs ungerochen gehn.

2452

«Ergieb dich mir zum Geisel | mit Hagen deinem Mann:

So will ich euch behüten, | so gut ich immer kann,

Daß euch bei den Heunen | hier Niemand Leides thut.

Ihr sollt an mir erfahren, | daß ich getreu bin und gut.»

2453

«Das verhüte Gott vom Himmel,» | sprach Hagen entgegen, |

«Daß sich dir ergeben | sollten zwei Degen,

Die noch in voller Wehre | dir gegenüber stehn,

Das wär uns Unehre: | die Feigheit soll nicht geschehn.»

2454

«Ihr solltets nicht verweigern,» | sprach wieder Dietrich.

«Gunther und Hagen, | ihr habt so bitterlich

Beide mir bekümmert | das Herz und auch den Muth,

Wollt ihr mir das vergüten, | daß ihr es billiglich thut.

2455

«Ich geb euch meine Treue, | und reich euch drauf die Hand,

Daß ich mit euch reite | heim in euer Land.

Ich geleit euch wohl nach Ehren, | ich stürbe denn den Tod,

Und will um euch vergeßen | all meiner schmerzhaften Noth.»

2456

«Begehrt es nicht weiter,» | sprach wieder Hagen:

«Wie ziemt es, wenn die Märe | wär von uns zu sagen,

Daß zwei so kühne Degen | sich ergäben eurer Hand?

Sieht man bei euch doch Niemand | als alleine Hildebrand.»

2457

Da sprach Meister Hildebrand: | «Gott weiß, Herr Hagen, |

Den Frieden, den Herr Dietrich | euch hat angetragen,

Es kommt noch an die Stunde | vielleicht in kurzer Frist,

Daß ihr ihn gerne nähmet, | und er nicht mehr zu haben ist.»

2458

«Auch nähm ich eh den Frieden,» | sprach Hagen entgegen,

«Eh ich mit Schimpf und Schande | so vor einem Degen

Flöhe, Meister Hildebrand, | als ihr hier habt gethan:

Ich wähnt auf meine Treue, | ihr stündet beßer euerm Mann.»

2459

Da sprach Meister Hildebrand: | «Was verweiset ihr mir das?

Nun wer wars, der auf dem Schilde | vor dem Wasgensteine saß,

Als ihm von Spanien Walther | so viel der Freunde schlug?

Wohl habt ihr an euch selber | noch zu rügen genug.»

2460

Da sprach der edle Dietrich: | «Wie ziemt solchen Degen |

Sich mit Worten schelten | wie alte Weiber pflegen?

Ich verbiet es, Meister Hildebrand | sprecht hier nicht mehr.

Mich heimathlosen Recken | zwingt so große Beschwer.

2461

«Laßt hören, Freund Hagen,» | sprach da Dieterich,

«Was spracht ihr zusammen, | ihr Helden tugendlich,

Als ihr mich gewaffnet | sahet zu euch gehn?

Ihr sagtet, ihr alleine | wolltet mich im Streit bestehn.»

2462

«Das wird euch Niemand läugnen,» | sprach Hagen entgegen,

«Wohl will ichs hier versuchen | mit kräftigen Schlägen,

Es sei denn, mir zerbreche | das Nibelungenschwert:

Mich entrüstet, daß zu Geiseln | unser beider ward begehrt.»

2463

Als Dietrich erhörte | Hagens grimmen Muth,

Den Schild behende zuckte | der schnelle Degen gut.

Wie rasch ihm von der Stiege | entgegen Hagen sprang!

Niblungs Schwert das gute | auf Dietrichen laut erklang.

2464

Da wuste wohl Herr Dietrich, | daß der kühne Mann

Grimmen Muthes fechte; | zu schirmen sich begann

Der edle Vogt von Berne | vor ängstlichen Schlägen.

Wohl erkannt er Hagen, | er war ein auserwählter Degen.

2465

Auch scheut' er Balmungen, | eine Waffe stark genug.

Nur unterweilen Dietrich | mit Kunst entgegenschlug

Bis daß er Hagen | im Streite doch bezwang.

Er schlug ihm eine Wunde | die gar tief war und lang.

2466

Der edle Dietrich dachte: | «Dich schwächte lange Noth; |

Mir brächt es wenig Ehre, | gäb ich dir den Tod.

So will ich nur versuchen, | ob ich dich zwingen kann,

Als Geisel mir zu folgen.» | Das ward mit Sorgen gethan.

2467

Den Schild ließ er fallen: | seine Stärke, die war groß;

Hagnen von Tronje | mit den Armen er umschloß.

So ward von ihm bezwungen | dieser kühne Mann.

Gunther der edle | darob zu trauern begann.

2468

Hagnen band da Dietrich | und führt' ihn, wo er fand

Kriemhild die edle, | und gab in ihre Hand

Den allerkühnsten Recken, | der je Gewaffen trug.

Nach ihrem großen Leide | ward sie da fröhlich genug.

2469

Da neigte sich dem Degen | vor Freuden Etzels Weib:

«Nun sei dir immer selig | das Herz und auch der Leib.

Du hast mich wol entschädigt | aller meiner Noth:

Ich will dirs immer danken, | es verwehr es denn der Tod.»

2470

Da sprach der edle Dietrich: | «Nun laßt ihn am Leben,

Edle Königstochter: | es mag sich wohl begeben,

Daß euch sein Dienst vergütet | das Leid, das er euch that:

Er soll es nicht entgelten, | daß ihr ihn gebunden saht.»

2471

Da ließ sie Hagnen führen | in ein Haftgemach,

Wo Niemand ihn erschaute | und er verschloßen lag.

Gunther der Edle | hub da zu rufen an:

«Wo blieb der Held von Berne? | Er hat mir Leides gethan.»

2472

Da gieng ihm hin entgegen | von Bern Herr Dieterich.

Gunthers Kräfte waren | stark und ritterlich;

Da säumt' er sich nicht länger, | er rannte vor den Saal.

Von ihrer Beider Schwertern | erhob sich mächtiger Schall.

2473

So großen Ruhm erstritten | Dietrich seit alter Zeit,

In seinem Zorne tobte | Gunther zu sehr im Streit:

Er war nach seinem Leide | von Herzen feind dem Mann.

Ein Wunder must es heißen, | daß da Herr Dietrich entrann.

2474

Sie waren alle Beide | so stark und muthesvoll,

Daß von ihren Schlägen | Pallas und Thurm erscholl,

So hieben sie mit Schwertern | auf die Helme gut.

Da zeigte König Gunther | einen herrlichen Muth.

2475

Doch zwang ihn Der von Berne, | wie Hagnen war geschehn.

Man mochte durch den Panzer | das Blut ihm fließen sehn

Von einem scharfen Schwerte: | das trug Herr Dieterich

Doch hatte sich Herr Gunther | gewehrt, der müde, ritterlich.

2476

Der König ward gebunden | von Dietrichens Hand,

Wie nimmer Könige sollten | leiden solch ein Band.

Er dachte, ließ' er ledig | Gunthern und seinen Mann,

Wem sie begegnen möchten, | die müsten all den Tod empfahn.

2477

Dietrich von Berne | nahm ihn bei der Hand,

Er führt' ihn hin gebunden, | wo er Kriemhilden fand.

Ihr war mit seinem Leide | des Kummers viel benommen.

Sie sprach: «König Gunther, | nun seid mir höchlich willkommen.»

2478

Er sprach: «Ich müst euch danken, | viel edle Schwester mein,

Wenn euer Gruß in Gnaden | geschehen könnte sein.

Ich weiß euch aber, Königin, | so zornig von Muth,

Daß ihr mir und Hagen | solchen Gruß im Spotte thut.»

2479

Da sprach der Held von Berne: | «Königstochter hehr,

So gute Helden sah, man | als Geisel nimmermehr

Als ich, edle Königin, | bracht in eure Hut.

Nun komme meine Freundschaft | den Heimathlosen zu Gut.»

2480

Sie sprach, sie thät es gerne. | Da gieng Herr Dieterich

Mit weinenden Augen | von den Helden tugendlich.

Da rächte sich entsetzlich | König Etzels Weib:

Den auserwählten Recken | nahm sie Leben und Leib.

2481

Sie ließ sie gesondert | in Gefängniss legen,

Daß sich nie im Leben | wiedersahn die Degen,

Bis sie ihres Bruders Haupt | hin vor Hagen trug.

Kriemhildens Rache | ward an Beiden grimm genug.

2482

Hin gieng die Königstochter, | wo sie Hagen sah;

Wie feindselig sprach sie | zu dem Recken da:

«Wollt ihr mir wiedergeben, | was ihr mir habt genommen,

So mögt ihr wohl noch lebend | heim zu den Burgunden kommen.»

2483

Da sprach der grimme Hagen: | «Die Red ist gar verloren,

Viel edle Königstochter. | Den Eid hab ich geschworen,

Daß ich den Hort nicht zeige: | so lange noch am Leben

Blieb Einer meiner Herren, | so wird er Niemand gegeben.»

2484

«Ich bring es zu Ende,» | sprach das edle Weib.

Dem Bruder nehmen ließ sie | Leben da und Leib.

Man schlug das Haupt ihm nieder: | bei den Haaren sie es trug

Vor den Held von Tronje: | da gewann er Leids genug.

2485

Als der Unmuthvolle | seines Herren Haupt ersah,

Wider Kriemhilden | sprach der Recke da:

«Du hasts nach deinem Willen | zu Ende nun gebracht;

Es ist auch so ergangen, | wie ich mir hatte gedacht.

2486

«Nun ist von Burgunden | der edle König todt,

Geiselher der junge | dazu Herr Gernot.

Den Hort weiß nun Niemand | als Gott und ich allein:

Der soll dir Teufelsweibe | immer wohl verhohlen sein.»

2487

Sie sprach: «So habt ihr üble | Vergeltung mir gewährt; |

So will ich doch behalten | Siegfriedens Schwert.

Das trug mein holder Friedel, | als ich zuletzt ihn sah,

An dem mir Herzensjammer | vor allem Leide geschah.»

2488

Sie zog es aus der Scheide, | er konnt es nicht wehren. |

Da dachte sie dem Recken | das Leben zu versehren.

Sie schwang es mit den Händen, | das Haupt schlug sie ihm ab.

Das sah der König Etzel, | dem es großen Kummer gab.

2489

«Weh!» rief der König, | «wie ist hier gefällt

Von eines Weibes Händen | der allerbeste Held,

Der je im Kampf gefochten | und seinen Schildrand trug!

So feind ich ihm gewesen bin, | mir ist leid um ihn genug.»

2490

Da sprach Meister Hildebrand: | «Es kommt ihr nicht zu gut,

Daß sie ihn schlagen durfte; | was man halt mir thut,

Ob er mich selber brachte | in Angst und große Noth,

Jedennoch will ich rächen | dieses kühnen Tronjers Tod.»

2491

Hildebrand im Zorne | zu Kriemhilden sprang:

Er schlug der Königstochter | einen Schwertesschwang.

Wohl schmerzten solche Dienste | von dem Degen sie;

Was könnt es aber helfen, | daß sie so ängstlich schrie?

2492

Die da sterben sollen, | die lagen all umher:

Zu Stücken lag verhauen | die Königin hehr.

Dietrich und Etzel | huben zu weinen an

Und jämmerlich zu klagen | manchen Freund und Unterthan.

2493

Da war der Helden Herrlichkeit | hingelegt im Tod:

Die Leute hatten alle | Jammer und Noth.

Mit Leide war beendet | des Königs Lustbarkeit,

Wie immer Leid die Freude | am lezten Ende verleiht.

2494

Ich kann euch nicht bescheiden, | was seither geschah,

Als daß man immer weinen Christen und Heiden sah,

Die Ritter und die Frauen | und manche schöne Maid:

Sie hatten um die Freunde | das allergrößeste Leid.

2495

Ich sag euch nun nicht weiter | von der großen Noth:

Die da erschlagen waren, | die laßt liegen todt.

Wie es im Heunenlande | dem Volk hernach gerieth,

Hie hat die Mär ein Ende: | das ist das Nibelungenlied.

 

 

* * * * *

 

 

Statt der letzten fünf Strophen hat b folgende sechs, die beiden letzten

übereinstimmend mit A.

 

 

2491

Hildebrand im Zorne | zu Kriemhilden sprang.

Er schlug der Königstochter | einen schweren Schwertesschwang,

Mitten wo die Borte | den Leib ihr hatt umgeben.

Davon die Königstochter | verlieren must ihr werthes Leben.

2492

Das Schwert schnitt so heftig | daß sie nichts empfand,

Das sie unsanft hätte | berührt; sie sprach zuhand:

«Dein Waffen ist erblindet, | du sollst es von dir legen:

Es ziemt nicht, daß es trage | solch ein zierlicher Degen.»

2493

Da zog er von dem Finger | ein golden Ringelein

Und warfs ihr vor die Füße: | «Hebt ihr das Fingerlein

Vom Boden auf, so spracht ihr | die Wahrheit, edel Weib.»

Sie bückte sich zum Golde: | da brach entzwei ihr werther Leib.

2494

So war auch erlegen | Kriemhild, o weh der Noth:

Wie so gar unmüßig | war da der Tod.

Dietrich und Etzel | huben zu weinen an,

Und inniglich klagen | sah man so Weib als Mann.

2495

Da war der Helden Herrlichkeit | hingelegt im Tod,

Die Leute hatten alle | Jammer und Noth.

Mit Leid war beendet | des Königs Lustbarkeit,

Wie immer Leid die Freude | am letzten Ende verleiht.

2496

Ich kann euch nicht bescheiden | was seither geschah,

Als daß man Fraun und Ritter | immer weinen sah,

Dazu die edeln Knechte, | um lieber Freunde Tod.

Hier hat die Mär ein Ende: | das ist die Nibelungennoth.