BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Sechsunddreißigstes Abenteuer

 

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Wie die Königin den Saal verbrennen ließ.

 

2191

«Nun bindet ab die Helme,» | sprach Hagen der Degen:

«Ich und mein Geselle | wollen euer pflegen.

Und versuchten es noch einmal | Die Etzeln unterthan,

So warn ich meine Herren, | so geschwind ich immer kann.»

2192

Da band den Helm vom Haupte | mancher Ritter gut.

Sie setzten auf die Leichen | sich nieder, die ins Blut

Waren zum Tode | von ihrer Hand gekommen.

Da ward der edeln Gäste | mit Erbittrung wahrgenommen.

2193

Noch vor dem Abend | schuf der König hehr

Und Kriemhild die Königin, | daß es der Heunen mehr

Noch versuchen musten; | man sah vor ihnen stehn

Wohl an zwanzigtausend: | die musten da zum Kampfe gehn.

2194

Da drang zu den Gästen | ein harter Sturm heran.

Dankwart, Hagens Bruder, | der kraftvolle Mann,

Sprang von seinen Herren | zu den Feinden vor das Thor.

Sie versahn sich seines Todes; | doch sah man heil ihn davor.

2195

Das harte Streiten währte, | bis es die Nacht benahm.

Da wehrten sich die Gäste | wie Helden lobesam

Wider Etzels Recken | den sommerlangen Tag.

Hei! was guter Helden | im Tod vor ihnen erlag!

2196

Zu einer Sonnenwende | der große Mord geschah:

Ihres Herzens Jammer | rächte Kriemhild da

An ihren nächsten Freunden | und manchem andern Mann,

Wodurch der König Etzel | nie wieder Freude gewann.

2197

Sie hatte nicht gesonnen auf solche Mörderschlacht.

Als sie den Streit begonnen, | hatte sie gedacht,

Hagen sollt alleine | dabei sein Ende sehn.

Da schuf der böse Teufel, | über Alle must es ergehn.

2198

Der Tag war zerronnen; | ihnen schuf nun Sorge Noth.

Sie gedachten, wie doch beßer | war ein kurzer Tod,

Als sich so lang zu quälen | in ungefügem Leid.

Da wünschten einen Frieden | die großen Ritter allbereit.

2199

Sie baten, daß man brächte | den König vor den Saal.

Die blutrothen Helden, | geschwärzt vom rostgen Stahl,

Traten aus dem Hause | und die drei Könge hehr.

Sie wusten nicht, wem klagen | ihres großen Leids Beschwer.

2200

Etzel und Kriemhild | kamen beide her;

Das Land war ihnen eigen, | drum mehrte sich ihr Heer.

Er sprach zu den Gästen: | «Sagt, was begehrt ihr mein?

Wollt ihr Frieden haben? | das könnte nun schwerlich sein

2201

«Nach so großem Schaden, | als ihr mir habt gethan.

Es kommt euch nicht zu Statten, | so lang ich athmen kann:

Mein Kind, das ihr erschluget, | und viel der Freunde mein,

Fried und Sühne soll euch | stäts dafür geweigert sein.»

2202

Antwort gab ihm Gunther: | «Uns zwang wohl große Noth.

All mein Gesinde lag | vor deinen Helden todt

In der Herberge: | verdient ich solchen Sold?

Ich kam zu dir auf Treue | und wähnte, du warst mir hold.»

2203

Da sprach von Burgunden | Geiselher das Kind:

«Ihr Helden König Etzels, | die noch am Leben sind,

Wes zeiht ihr mich, ihr Degen? | was hatt ich euch gethan,

Der ich die Fahrt so gütlich | zu diesem Lande begann?»

2204

Sie sprachen: «Deiner Güte | ist all die Burg hier voll |

Mit Jammer gleich dem Lande; | wir gönnten dir es wohl,

Wärst du nie gekommen | von Worms überrhein.

Das Land ist gar verwaiset | durch dich und die Brüder dein.»

2205

Da sprach im Zornmuthe | Gunther der Held:

«Wünscht ihr noch dieß Morden | im Frieden eingestellt

Mit uns Heimatlosen, | das ist uns beiden gut;

Es ist gar unverschuldet, | was uns König Etzel thut.»

2206

Der Wirt sprach zu den Gästen: | «mein und euer Leid

Sind einander ungleich: | die große Noth im Streit,

Der Schaden und die Schande, | die ich von euch gewann,

Dafür soll euer Keiner | mir lebend kommen hindann.»

2207

Da sprach zu dem König | der starke Gernot:

«So soll euch Gott gebieten, | daß ihr die Lieb uns thut:

Weichet von dem Hause | und laßt uns zu euch gehn.

Wir wissen wohl, bald ist es | um unser Leben geschehn.

2208

«Was uns geschehen könne, | das laßt schnell ergehn:

Ihr habt so viel Gesunde, | die dürfen uns bestehn

Und geben uns vom Streite | Müden leicht den Tod:

Wie lange solln wir Recken | bleiben in so grimmer Noth?»

2209

Von König Etzels Reden | war es fast geschehn,

Daß sie die Helden ließen | aus dem Saale gehn.

Als das Kriemhild hörte, | es war ihr grimmig leid.

Da war den Heimathlosen | mit Nichten Sühne bereit.

2210

«Nein, edle Recken, | worauf euch sinnt der Muth,

Ich will euch treulich raten, | daß ihr das nimmer thut,

Daß ihr die Mordgierigen | laßt vor den Saal;

Sonst müßen eure Freunde | leiden tödtlichen Fall.

2211

«Und lebten nur alleine, | die Utens Söhne' sind,

Und kämen meine edeln | Brüder an den Wind.

Daß sie die Panzer kühlten, | ihr alle wärt verloren:

Es wurden kühnre Degen | noch nie auf Erden geboren.»

2212

Da sprach der junge Geiselher: | «Viel schöne Schwester mein,

Wie hätt ich dir das zugetraut, | daß du mich überrhein

Her zu Lande ladetest | in diese große Noth:

Wie möcht ich an den Heunen | hier verdienen den Tod?

2213

«Ich hielt dir stäte Treue, | that nie ein Leid dir an: |

Ich kam auch her zu Hilfe | geritten in dem Wahn,

Du wärst mir gewogen, | viel liebe Schwester mein,

Nun schenk uns deine Gnade, | da es anders nicht mag sein.»

2214

«Ich schenk euch keine Gnade, | Ungnad ich selbst gewann:

Mir hat von Tronje Hagen | so großes Leid gethan

Daheim, und hier zu Lande | erschlug er mir mein Kind:

Das müßen schwer entgelten, | die mit euch hergekommen sind.»

2215

Wollt ihr mir aber Hagen | allein zum Geisel geben,

So will ichs nicht verweigern, | daß ich euch laße leben.

Denn meine Brüder seid ihr, | der gleichen Mutter Kind:

So red ich um die Sühne | mit den Helden, die hier sind.»

2216

«Nicht woll es Gott vom Himmel,» | sprach da Gernot.

«Und waren unser tausend, | wir wollten alle todt

Vor deinen Freunden liegen | eh wir dir Einen Mann

Hier zu Geisel gäben: | das wird nimmer gethan.»

2217

«Wir müsten doch ersterben,» | sprach da Geiselher,

«So soll uns Niemand scheiden | von ritterlicher Wehr.

Wer gerne mit uns stritte, | wir sind noch immer hie:

Verrieth ich meine Treue | an einem Freunde doch nie.»

2218

Da sprach der kühne Dankwart, | es ziemt' ihm wohl zu sagen:

«Noch steht nicht alleine | hier mein Bruder Hagen.

Die uns den Frieden weigern, | beklagen es noch schwer,

Des sollt ihr inne werden, | ich sags euch wahrlich vorher.»

2219

Da sprach die Königstochter: | «Ihr Helden allbereit,

Nun geht der Stiege näher | und rächt unser Leid.

Das will ich stäts verdienen, | wie ich billig soll:

Der Uebermuth Hagens, | dessen lohn ich ihm wohl.

2220

«Laßt keinen aus dem Hause | der Degen allzumal:

So laß ich an vier Enden | anzünden hier den Saal.

So wird noch wohl gerochen | all mein Herzeleid.»

König Etzels Recken | sah man bald dazu bereit.

2221

Die noch draußen standen, | die trieb man in den Saal

Mit Schlägen und mit Schüßen: | da gab es lauten Schall.

Doch wollten sich nicht scheiden | die Fürsten und ihr Heer:

Sie ließen von der Treue | zu einander nicht mehr.

2222

Den Saal in Brand zu stecken | gebot da Etzels Weib.

Da quälte man den Helden | mit Feuersglut den Leib.

Das Haus vom Wind ergriffen | gerieth in hohen Brand.

Nie wurde solcher Schrecken | noch einem Volksheer bekannt.

2223

Da riefen Viele drinnen: | «O weh dieser Noth!

Da möchten wir ja lieber | im Sturm liegen todt.

Das möge Gott erbarmen; | wie sind wir all verlorn!

Wie grimmig rächt die Königin | an uns allen ihren Zorn!»

2224

Da sprach darinnen Einer: | «Wir finden hier den Tod

Vor Rauch und vor Feuer: | wie grimm ist diese Noth!

Mir thut vor starker Hitze | der Durst so schrecklich weh,

Ich fürchte, mein Leben | in diesen Nöthen zergeh!»

2225

Da sprach von Tronje Hagen: | «Ihr edlen Ritter gut,

Wen der Durst will zwingen, | der trinke hier das Blut.

Das ist in solcher Hitze | beßer noch als Wein;

Es mag halt zu trinken | hier nichts Beßeres sein.»

2226

Hin gieng der Recken Einer, | wo er einen Todten fand:

Er kniet' ihm zu der Wunde, | den Helm er niederband.

Da begann er zu trinken | das fließende Blut.

So wenig ers gewohnt war, | er fand es köstlich und gut.

2227

«Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,» | sprach der müde Mann,

«Daß ich von eurer Lehre | so guten Trank gewann.

Man schenkte mir selten | noch einen beßern Wein.

So lang ich leben bleibe | will ich euch stäts gewogen sein.»

2228

Als das die Andern hörten, | es däuchte ihn so gut,

Da fanden sich noch Viele, | die tranken auch das Blut.

Davon kam zu Kräften | der guten Recken Leib:

Des entgalt an lieben Freunden | bald manches waidliche Weib.

2229

Das Feuer fiel gewaltig | auf sie in den Saal:

Sie wandten mit den Schilden | es von sich ab im Fall.

Der Rauch und auch die Hitze | schmerzten sie gar sehr.

Also großer Jammer | geschieht wohl Helden nimmer mehr.

2230

Da sprach von Tronje Hagen: | «Stellt euch an die Wand; |

Laßt nicht die Brände fallen | auf eurer Helme Band

Und tretet sie mit Füßen | tiefer in das Blut.

Eine üble Hochzeit ist es, | zu der die Königin uns lud.»

2231

Unter solchen Nöthen | zerrann zuletzt die Nacht.

Noch hielt vor dem Hause | der kühne Spielmann Wacht

Und Hagen sein Geselle, | gelehnt auf Schildesrand,

Noch größern Leids gewärtig | von Denen aus Etzels Land.

2232

Daß der Saal gewölbt war, | half den Gästen sehr;

Dadurch blieben ihrer | am Leben desto mehr,

Wiewohl sie an den Fenstern | von Feuer litten Noth.

Da wehrten sich die Degen, | wie Muth und Ehre gebot.

2233

Da sprach der Fiedelspieler: | «Gehn wir in den Saal:

Da wähnen wohl die Heunen, | wir seien allzumal

Von der Qual erstorben, | die sie uns angethan:

Dann kommen doch noch Etliche | zum Streit mit ihnen heran.»

2234

Da sprach von Burgunden | Geiselher das Kind:

«Ich wähn, es wolle tagen, | sich hebt ein kühler Wind.

Nun laß uns Gott vom Himmel | noch liebre Zeit erleben!

Eine arge Hochzeit hat uns | meine Schwester Kriemhild gegeben.»

2235

Da sprach wieder Einer: | «Ich spüre schon den Tag.

Wenn es denn uns Degen | nicht beßer werden mag,

So bereitet euch, ihr Recken, | zum Streit, das ist uns Noth:

Da wir doch nicht entrinnen, | daß wir mit Ehren liegen todt.»

2236

Der König mochte wähnen, | die Gäste wären todt

Von den Beschwerden allen | und von des Feuers Noth,

Da lebten doch so Kühner | noch drin sechshundert Mann,

Daß wohl nie ein König | beßre Degen gewann.

2237

Der Heimathlosen Hüter | hatten wohl gesehn,

Daß noch die Gäste lebten, | was ihnen auch geschehn

Zu Schaden war und Leide, | den Herrn und ihrem Lehn.

Man sah sie in dem Hause | noch gar wohl geborgen gehn.

2238

Man sagte Kriemhilden, | noch Viele lebten drin.

«Wie wäre das möglich,» | sprach die Königin,

«Daß noch Einer lebte | nach solcher Feuersnoth?

Eher will ich glauben, | sie fanden Alle den Tod.»

2239

Noch wünschten zu entkommen | die Fürsten und ihr Lehn, |

Wenn an ihnen Gnade | noch jemand ließ' ergehn.

Die konnten sie nicht finden | in der Heunen Land:

Da rächten sie ihr Sterben | mit gar williger Hand.

2240

Schon früh am andern Morgen | man ihnen Grüße bot

Mit heftigem Angriff; | wohl schuf das Helden Noth.

Zu ihnen aufgeschoßen | ward mancher scharfe Sper;

Doch fanden sie darinnen | die kühnen Recken wohl zur Wehr.

2241

Dem Heergesinde Etzels | war erregt der Muth,

Daß sie verdienen wollten | Frau Kriemhildens Gut

Und alles willig leisten, | was der Fürst gebot:

Da muste bald noch Mancher | von ihnen schauen den Tod.

2242

Von Verheißen und von Gaben | mochte man Wunder sagen:

Sie ließ ihr Gold, das rothe, | auf Schilden vor sich tragen;

Sie gab es Jedem willig, | Der es wollt empfahn.

Nie wurden wider Feinde | so große Schätze verthan.

2243

Gewaffnet trat der Recken | eine große Macht zur Thür.

Da sprach der Fiedelspieler. | «Wir sind noch immer hier:

So gern sah ich Helden | zum Streiten nimmer kommen,

Als die das Gold des Königs | uns zu verderben genommen.»

2244

Da riefen ihrer Viele: | «Nur näher zu dem Streit!

Da wir doch fallen müßen, | so thun wirs gern bei Zeit.

Hier wird Niemand bleiben, | als wer doch sterben soll.»

Da staken ihre Schilde | gleich von Sperschüßen voll.

2245

Was soll ich weiter sagen? | Wohl zwölfhundert Degen

Versuchtens auf und nieder | mit starken Schwertesschlägen.

Da kühlten an den Feinden | die Gäste wohl den Muth.

Kein Friede war zu hoffen, | drum sah man fließen das Blut

2246

Aus tiefen Todeswunden: | Deren wurden viel geschlagen. |

Man hörte nach den Freunden | Jeglichen klagen.

Die Biedern starben alle | dem reichen König hehr:

Da hatten liebe Freunde | nach ihnen Leid und Beschwer.