Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Neunundzwanzigstes Abenteuer
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Wie Hagen und Volker vor Kriemhildens Saal saßen.
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1849 | Da schieden auch die beiden | werthen Recken sich,Hagen von Tronje | und Herr Dieterich.Ueber die Achsel blickte | Gunthers UnterthanNach einem Heergesellen, | den er sich bald gewann. |
1850 | Neben Geiselheren | sah er Volkern stehn,Den kunstreichen Fiedler: | den bat er mitzugehn,Weil er wohl erkannte | seinen grimmen Muth:Er war an allen Tugenden | ein Ritter kühn und auch gut. |
1851 | Noch ließ man die Herren | auf dem Hofe stehn.Die Beiden ganz alleine | sah man von dannen gehnUeber den Hof hin ferne | vor einen Pallas weit:Die Auserwählten scheuten | sich vor Niemandes Streit. |
1852 | Sie setzten vor dem Hause sich | genüber einem Saal,Der war Kriemhilden, | auf eine Bank zu Thal.An ihrem Leibe glänzte | ihr herrlich Gewand;Gar Manche, die das sahen, | hätten gern sie gekannt. |
1853 | Wie die wilden Thiere | gaffte sie da an,Die übermüthgen Helden, | mancher Heuneumann.Da sah sie durch ein Fenster | Etzels Königin:Das betrübte wieder | der schönen Kriemhilde Sinn. |
1854 | Sie gedacht ihres Leides; | zu weinen hub sie an.Das wunderte die Degen, | die Etzeln unterthan,Was ihr bekümmert hätte | so sehr den hohen Muth?Da sprach sie: «Das that Hagen, | ihr Helden kühn und auch gut.» |
1855 | Sie sprachen zu der Frauen: | «Wie ist das geschehn?Wir haben euch doch eben | noch wohlgemuth gesehn.Wie kühn er auch wäre, | der es euch hat gethan,Befehlt ihr uns die Rache, | den Tod müst er empfahn.» |
1856 | «Dem wollt ich immer danken, | der rächte dieses Leid:Was er nur begehrte, | ich wär dazu bereit.«Ich fall euch zu Füßen,» | so sprach des Königs Weib:«Rächt mich an Hagen: | er verliere Leben und Leib.» |
1857 | Da rüsteten die Kühnen sich, | sechzig an der Zahl:Kriemhild zu Liebe | wollten sie vor den SaalUnd wollten Hagen schlagen, | diesen kühnen Mann,Dazu den Fiedelspieler; | das ward einmüthig gethan. |
1858 | Als so gering den Haufen | die Königin ersah,In grimmem Muthe sprach sie | zu den Helden da:«Von solchem Unterfangen | rath ich abzustehn:Ihr dürft in so geringer Zahl | nicht mit Hagen streiten gehn. |
1859 | «So kühn auch und gewaltig | Der von Tronje sei,Noch ist bei weitem stärker, | der ihm da sitzet bei,Volker der Fiedler: | das ist ein übler Mann:Wohl dürft ihr diesen Helden | nicht zu so wenigen nahn.» |
1860 | Als sie die Rede hörten, | rüsteten sich mehrVierhundert Recken. | Der Königin hehrLag sehr am Herzen | die Rache für ihr Leid.Da wurde bald den Degen | große Sorge bereit. |
1861 | Als sie ihr Gesinde | wohlbewaffnet sah,Zu den schnellen Recken | sprach die Königin da:«Nun harrt eine Weile: | ihr sollt noch stille stehn.Ich will unter Krone | hin zu meinen Feinden gehn. |
1862 | «Hört mich ihm verweisen, | was mir hat gethanHagen von Tronje, | Gunthers Unterthan.Ich weiß ihn so gemuthet, | er läugnets nimmermehr:So will ich auch nicht fragen, | was ihm geschehe nachher.» |
1863 | Da sah der Fiedelspieler, | ein kühner Spielmann,Die edle Königstochter | von der Stiege nahn,Die aus dem Hause führte. | Als er das ersah,Zu seinem Heergesellen | sprach der kühne Volker da: |
1864 | «Nun schauet, Freund Hagen, | wie sie dorther naht,Die uns ohne Treue | ins Land geladen hat.Ich sah mit einer Königin | nie so manchen MannDie Schwerter in den Händen | also streitlustig nahn. |
1865 | «Wißt ihr, Freund Hagen, | daß sie euch abhold sind?So will ich euch rathen, | daß ihr zu hüten sinntDes Lebens und der Ehre; | führwahr, das dünkt mich gut:Soviel ich mag erkennen, | ist ihnen zornig zu Muth. |
1866 | «Es sind auch Manche drunter | von Brüsten stark und breit:Wer seines Lebens hüten will, | der thu es beizeit.Ich seh sie unter Seide | die festen Panzer tragen.Was sie damit meinen, | das hör ich Niemanden sagen.» |
1867 | Da sprach im Zornmuthe | Hagen der kühne Mann:«Ich weiß wohl, das wird Alles | wider mich gethan,Daß sie die lichten Waffen | tragen an der Hand;Von denen aber reit ich | noch in der Burgunden Land. |
1868 | «Nun sagt mir, Freund Volker, | denkt ihr mir beizustehn,Wenn mit mir streiten wollen | Die in Kriemhilds Lehn?Das laßt mich vernehmen, | so lieb als ich euch sei.Ich steh euch mit Diensten | immer wieder treulich bei.» |
1869 | «Sicherlich, ich helf euch,» | so sprach da Volker.«Und säh ich uns entgegen | mit seinem ganzen HeerDen König Etzel kommen, | all meines Lebens ZeitWeich ich von eurer Seite | aus Furcht nicht eines Fußes breit.» |
1870 | «Nun lohn euch Gott vom Himmel, | viel edler Volker!Wenn sie mit mir streiten, | wes bedarf ich mehr?Da ihr mir helfen wollet, | wie ich jetzt vernommen,So mögen diese Recken | fein behutsam näher kommen.» |
1871 | «Stehn wir auf vom Sitze,» | sprach der Fiedelmann,«Vor der Königstochter, | so sie nun kommt heran.Bieten wir die Ehre | der edeln Königin!Das bringt uns auch beiden | an eignen Ehren Gewinn.» |
1872 | «Nein! wenn ihr mich lieb habt,» | sprach dawider Hagen.«Es möchten diese Degen | mit dem Wahn sich tragen,Daß ich aus Furcht es thäte | und dächte wegzugehn:Von dem Sitze mein ich | vor ihrer Keinem aufzustehn. |
1873 | «Daß wir es bleiben laßen, | das ziemt uns ganz allein. |Soll ich dem Ehre bieten, | der mir feind will sein?Nein, ich thu es nimmer, | so lang ich leben soll:In aller Welt, was kümmr ich | mich um Kriemhildens Groll?» |
1874 | Der vermeßne Hagen legte | über die Schenkel hinEine lichte Waffe, | aus deren Knaufe schienMit hellem Glanz ein Jaspis, | grüner noch als Gras.Wohl erkannte Kriemhild, | daß Siegfried einst sie besaß. |
1875 | Als sie das Schwert erkannte, | das schuf ihr große Noth.Der Griff war von Golde, | der Scheide Borte roth.Ermahnt war sie des Leides, | zu weinen hub sie an;Ich glaube, Hagen hatt es | auch eben darum gethan. |
1876 | Volker der kühne | zog näher an die BankEinen starken Fiedelbogen, | mächtig und lang,Wie ein Schwert geschaffen, | scharf dazu und breit.So saßen unerschrocken | diese Recken allbereit. |
1877 | Die kühnen Degen beide | dauchten sich so hehr,Aus Furcht vor Jemandem | wollten sie nimmermehrVom Sitz sich erheben. | Ihnen schritt da vor den FußDie edle Königstochter | und bot unfreundlichen Gruß. |
1878 | Sie sprach: «Nun sagt, Herr Hagen, | wer hat nach euch gesandt, |Daß ihr zu reiten wagtet | her in dieses Land,Da ihr doch wohl wustet, | was ihr mir habt gethan?Wart ihr bei guten Sinnen, | ihr durftets euch nicht unterfahn.» |
1879 | «Nach mir gesandt hat Niemand,» | sprach er entgegen,«Her zu diesem Lande | lud man drei Degen,Die heißen meine Herren: | ich steh in ihrem Lehn;Bei keiner Hofreise | pfleg ich daheim zu bestehn.» |
1880 | Sie sprach: «Nun sagt mir ferner, | was thatet ihr das, |Daß ihr es verdientet, | wenn ich euch trage Haß?Ihr erschlugt Siegfrieden, | meinen lieben Mann,Den ich bis an mein Ende | nicht gut beweinen kann.» |
1881 | «Wozu der Rede weiter?» | sprach er, «es ist genug:Ich bin halt der Hagen, | der Siegfrieden schlug,Den behenden Degen: | wie schwer er das entgalt,Daß die Frau Kriemhild | die schöne Brunhilde schalt! |
1882 | «Es wird auch nicht geläugnet, | reiche Königin,Daß ich an all dem Schaden, | dem schlimmen, schuldig bin.Nun räch es, wer da wolle, | Weib oder Mann.Ich müst es wahrlich lügen, | ich hab euch viel zu Leid gethan.» |
1883 | Sie sprach: «Da hört ihr, Recken, | wie er die Schuld gestehtAn all meinem Leide: | wie's ihm deshalb ergeht,Darnach will ich nicht fragen, | ihr Etzeln unterthan.»Die übermüthgen Degen | blickten all einander an. |
1884 | Wär da der Streit erhoben, | so hätte man gesehn,Wie man den zwei Gesellen | müß Ehre zugestehn:Das hatten sie in Stürmen | oftmals dargethan.Was jene sich vermeßen, | das gieng aus Furcht nun nicht an. |
1885 | Da sprach der Recken Einer: | «Was seht ihr mich an?Was ich zuvor gelobte, | das wird nun nicht gethan.Um Niemands Gabe laß ich | Leben gern und Leib.Uns will hier verleiten | dem König Etzel sein Weib.» |
1886 | Da sprach ein Andrer wieder: | «So steht auch mir der Muth.Wer mir Thürme gäbe | von rothem Golde gut,Diesen Fiedelspieler | wollt ich nicht bestehnDer schnellen Blicke wegen, | die ich hab an ihm ersehn. |
1887 | «Auch kenn ich diesen Hagen | von seiner Jugendzeit:Drum weiß ich von dem Recken | selber wohl Bescheid.In zweiundzwanzig Stürmen | hab ich ihn gesehn;Da ist mancher Frauen | Herzeleid von ihm geschehn. |
1888 | «Er und Der von Spanien | traten manchen Pfad,Da sie hier bei Etzeln | thaten manche ThatDem König zu Liebe. | Das ist oft geschehn:Drum mag man Hagen billig | große Ehre zugestehn. |
1889 | «Damals war der Recke | an Jahren noch ein Kind,Da waren schon die Knaben | wie jetzt kaum Greise sind.Nun kam er zu Sinnen | und ist ein grimmer Mann;Auch trägt er Balmungen, | den er übel gewann.» |
1890 | Damit wars entschieden, | Niemand suchte Streit.Das war der Königstochter | im Herzen bitter leid.Die Helden giengen wieder; | wohl scheuten sie den TodVon den Helden beiden: | das that ihnen wahrlich Noth. |
1891 | Wie oft man verzagend | Manches unterläßt,Wo der Freund beim Freunde | treulich steht und fest!Und hat er kluge Sinne, | daß er nicht also thut,Vor Schaden nimmt sich Mancher | durch Besonnenheit in Hut. |
1892 | Da sprach der kühne Volker: | «Da wir nun selber sahn,Daß wir hie Feinde finden, | wie man uns kund gethan,So laß uns zu den Königen | hin zu Hofe gehn,So darf unsre Herren | mit Kampfe Niemand bestehn.» |
1893 | «Gut, ich will euch folgen,» | sprach Hagen entgegen.Da giengen hin die Beiden, | wo sie die zieren DegenNoch harrend des Empfanges | auf dem Hofe sahn.Volker der kühne | hub da laut zu reden an. |
1894 | Er sprach zu seinen Herren: | «Wie lange wollt ihr stehnUnd euch drängen laßen? | ihr sollt zu Hofe gehnUnd von dem König hören, | wie der gesonnen sei.»Da sah man sich gesellen | der kühnen Helden je zwei. |
1895 | Dietrich von Berne | nahm da an die HandGunther den reichen | von Burgundenland;Irnfried nahm Gernoten, | diesen kühnen Mann;Da gieng mit seinem Schwäher | Geiselher zu Hof heran. |
1896 | Wie bei diesem Zuge | gesellt war Jeglicher,Volker und Hagen, | die schieden sich nicht mehrAls noch in Einem Kampfe | bis an ihren Tod.Das musten bald beweinen | edle Fraun in großer Noth. |
1897 | Da sah man mit den Königen | hin zu Hofe ziehnIhres edeln Ingesindes | tausend Degen kühn;Darüber sechzig Recken | waren mitgekommen:Die hatt aus seinem Lande | der kühne Hagen genommen. |
1898 | Hawart und Iring, | zwei Degen auserkannt,Die giengen mit den Königen | zu Hofe Hand in Hand;Dankwart und Wolfhart, | ein theuerlicher Degen,Die sah man großer Hofzucht | vor den übrigen pflegen. |
1899 | Als der Vogt vom Rheine | in den Pallas gieng,Etzel der reiche | das länger nicht verhieng:Er sprang von seinem Sitze, | als er ihn kommen sah.Ein Gruß, ein so recht schöner, | nie mehr von Köngen geschah. |
1900 | «Willkommen mir, Herr Gunther | und auch Herr GernotUnd euer Bruder Geiselher, | die ich hieher entbotMit Gruß und treuem Dienste | von Worms überrhein,Und eure Degen alle | sollen mir willkommen sein. |
1901 | «Laßt euch auch Willkommen, | ihr beiden Recken, sagen, |Volker der kühne | und dazu Herr Hagen,Mir und meiner Frauen | hier in diesem Land:Sie hat euch manche Botschaft | hin zum Rheine gesandt.» |
1902 | Da sprach von Tronje Hagen: | «Das haben wir vernommen. |Wär ich um meine Herren | gen Heunland nicht gekommen,So wär ich euch zu Ehren | geritten in das Land.»Da nahm der edle König | die lieben Gäste bei der Hand. |
1903 | Und führte sie zum Sitze | hin, wo er selber saß.Da schenkte man den Gästen, | fleißig that man das,In weiten goldnen Schalen | Meth, Moraß und WeinUnd hieß die fremden Degen | höchlich willkommen sein. |
1904 | Da sprach König Etzel: | «Das muß ich wohl gestehn,Mir könnt in diesen Zeiten | nichts Lieberes geschehnAls durch euch, ihr Recken, | daß ihr gekommen seid;Damit ist auch der Königin | benommen Kummer und Leid. |
1905 | «Mich nahm immer Wunder, | was ich euch wohl gethan,Da ich der edeln Gäste | so Manche doch gewann,Daß ihr nie zu reiten | geruhtet in mein Land;Nun ich euch hier ersehen hab, | ist mirs zu Freuden gewandt.» |
1906 | Da versetzte Rüdiger, | ein Ritter hochgemuth:«Ihr mögt sie gern empfahen, | ihre Treue die ist gut:Der wißen meiner Frauen | Brüder schön zu pflegen.Sie bringen euch zu Hause | manchen waidlichen Degen.» |
1907 | Am Sonnewendenabend | waren sie gekommenAn Etzels Hof, des reichen. | Noch selten ward vernommen,Daß ein König seine Gäste | freundlicher empfieng;Darnach er zu Tische | wohlgemuth mit ihnen gieng. |
1908 | Ein Wirth bei seinen Gästen | sich holder nie betrug.Zu trinken und zu eßen | bot man da genug:Was sie nur wünschen mochten, | das wurde gern gewährt.Man hatte von den Helden | viel große Wunder gehört. |
1909 | Der reiche Etzel hatte | an ein Gebäude weitViel Fleiß und Müh gewendet | und Kosten nicht gescheut:Man sah Pallas und Thürme, | Gemächer ohne ZahlIn einer weiten Veste | und einen herrlichen Saal. |
1910 | Den hatt er bauen laßen | lang, hoch und weit,Weil ihn so viel der Recken | heimsuchten jederzeit.Auch ander Ingesinde, | zwölf reiche Könge hehrUnd viel der werthen Degen | hatt er zu allen Zeiten mehr, |
1911 | Als je gewann ein König, | von dem ich noch vernahm.Er lebte so mit Freunden | und Mannen wonnesam:Gedräng und frohen Zuruf | hatte der König gutVon manchem schnellenDegen;|drum stand wohl hoch ihm der Muth. |