BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Sechsundzwanzigstes Abenteuer

 

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Wie Dankwart Gelfraten erschlug.

 

1651

Als sie nun alle waren | gekommen an den Strand,

Da fragte König Gunther: | «Wer soll uns durch das Land

Die rechten Wege weisen, | daß wir nicht irre gehn?»

Da sprach der kühne Volker: | «Laßt mich das Amt nur versehn.»

1652

«Nun haltet an,» sprach Hagen, | «sei's Ritter oder Knecht:

Man soll Freunden folgen, | das bedünkt mich recht.

Eine ungefüge Märe | mach ich euch bekannt:

Wir kommen nimmer wieder | heim in der Burgunden Land.

1653

«Das sagten mir zwei Meerfraun | heute morgen fruh,

Wir kämen nimmer wieder. | Nun rat ich, was man thu:

Waffnet euch, ihr Helden, | ihr sollt euch wohl bewahren:

Wir finden starke Feinde | und müßen drum wehrhaft fahren.

1654

«Ich wähnt auf Lug zu finden | die weisen Meerfraun:

Sie sagten mir, nicht Einer | werde wiederschaun

Die Heimat von uns Allen | bis auf den Kapellan;

Drum hätt ich ihm so gerne | heut den Tod angethan.»

1655

Da flogen diese Mären | von Schar zu Schar einher.

Bleich vor Schrecken wurden | Degen kühn und hehr,

Als sie die Sorge faßte | vor dem herben Tod

Auf dieser Hofreise: | das schuf ihnen wahrlich Noth.

1656

Bei Möringen waren | sie über Flut gekommen,

Wo dem Fährmann Elsen | das Leben ward benommen.

Da sprach Hagen wieder: | «Da ich mir so gewann

Unterwegs der Feinde, | so greift man ehstens uns an.

1657

«Ich erschlug den Fährmann | heute morgen fruh;

Sie wißen nun die Kunde. | Drum eilt und greifet zu,

Wenn Gelfrat und Elsen | heute hier besteht

Unser Ingesinde, | daß es ihnen übel ergeht.

1658

«Sie sind gar kühn, ich weiß es, | es wird gewiss geschehn.

Drum laßt nur die Rosse | in sanftem Schritte gehn,

Daß nicht Jemand wähne, | wir flöhn vor ihrem Heer.»

«Dem Rathe will ich folgen,» | sprach der junge Geiselher.

1659

«Wer zeigt nun dem Gesinde | die Wege durch das Land?»

Sie sprachen: «Das soll Volker: | dem sind hie wohlbekannt

Die Straßen und die Steige, | dem stolzen Fiedelmann.»

Eh mans von ihm verlangte, | kam er gewaffnet heran.

1660

Der schnelle Fiedelspieler: | den Helm er überband;

Von herrlicher Farbe | war all sein Streitgewand.

Am Schaft ließ er flattern | ein Zeichen, das war roth.

Bald kam er mit den Königen | in eine furchtbare Noth.

1661

Gewisse Kunde hatte | Gelfrat nun bekommen

Von des Fergen Tode; | da hatt es auch vernommen

Else der starke: | beiden war es leid.

Sie besandten ihre Helden: | die traf man balde bereit.

1662

Darauf in kurzen Zeiten, | nun hört mich weiter an,

Sah man zu ihnen reiten, | denen Schade war gethan,

In starkem Kriegszuge | ein ungefüges Heer:

Wohl siebenhundert stießen | zu Gelfrat oder noch mehr.

1663

Als das den grimmen Feinden | nachzuziehn begann,

Die Herren, die es führten, | huben zu jagen an

Den kühnen Gästen hinterdrein. | Sie wollten Rache haben:

Da musten sie der Freunde | hernach noch manchen begraben.

1664

Hagen von Tronje | richtete das ein

(Wie konnte seiner Freunde | ein beßrer Hüter sein?),

Daß er die Nachhut hatte | und Die ihm unterthan

Mit Dankwart seinem Bruder; | das war gar weislich gethan.

1665

Ihnen war der Tag zerronnen, | den hatten sie nicht mehr.

Er bangte vor Gefahren | für seine Freunde sehr.

Sie ritten unter Schilden | durch der Baiern Land:

Darnach in kurzer Weile | die Helden wurden angerannt.

1666

Beiderseits der Straße | und hinter ihnen her

Vernahm man Hufe schlagen; | die Haufen eilten sehr.

Da sprach der kühne Dankwart: | «Gleich fallen sie uns an:

Bindet auf die Helme, | das dünkt mich räthlich gethan.»

1667

Sie hielten ein mit Reiten, | als es muste sein.

Da sahen sie im Dunkel | der lichten Schilde Schein.

Nicht länger stille schweigen | mochte da der Hagen:

«Wer verfolgt uns auf der Straße?» | Das muste Gelfrat ihm sagen.

1668

Da sprach zu ihm der Markgraf | aus der Baiern Land:

«Wir suchen unsre Feinde, | denen sind wir nachgerannt.

Ich weiß nicht, wer mir heute | meinen Fergen schlug:

Das war ein schneller Degen; | mir ist leid um ihn genug.»

1669

Da sprach von Tronje Hagen: | «War der Ferge dein?

Er wollt uns nicht fahren; | alle Schuld ist mein:

Ich erschlug den Recken; | fürwahr, es that mir Noth:

Ich hatte von dem Degen | schier selbst den grimmigen Tod.

1670

«Ich bot ihm zum Lohne | Gold und Gewand,

Daß er uns überführe, | Held, in euer Land.

Darüber zürnt' er also, | daß er nach mir schlug

Mit starker Ruderstange: | da ward ich grimmig genug.

1671

«Ich griff nach dem Schwerte | und wehrte seinem Zorn

Mit einer schweren Wunde: | da war der Held verlorn.

Ich steh euch hier zur Sühne, | wie es euch dünke gut.»

Da gieng es an ein Streiten: | sie hatten zornigen Muth.

1672

«Ich wuste wohl,» sprach Gelfrat, | «als hier mit dem Geleit

Gunther zog vorüber, | uns geschäh ein Leid

Von Hagens Uebermuthe. | Nun büßt ers mit dem Leben:

Für des Fergen Ende | soll er selbst hier Bürgschaft geben.»

1673

Ueber die Schilde neigten | da zum Stich den Sper

Gelfrat und Hagen; | sich zürnten beide schwer.

Dankwart und Else | zusammen herrlich ritten;

Sie erprobten, wer sie waren: | da wurde grimmig gestritten.

1674

Wer je versuchte kühner | sich und die Gunst des Glücks?

Von einem starken Stoße | sank Hagen hinterrücks

Von der Mähre nieder | durch Gelfratens Hand.

Der Brustriem war gebrochen: | so ward im Fallen bekannt.

1675

Man hört' auch beim Gesinde | krachender Schäfte Schall.

Da erholte Hagen | sich wieder von dem Fall,

Den er auf das Gras gethan | von des Gegners Sper:

Da zürnte der von Tronje | wider Gelfraten sehr.

1676

Wer ihnen hielt die Rosse, | das ist mir unbekannt.

Sie waren aus den Sätteln | gekommen auf den Sand,

Hagen und Gelfrat: | nun liefen sie sich an.

Ihre Gesellen halfen, | daß ihnen Streit ward kund gethan.

1677

Wie heftig auch Hagen | zu Gelfraten sprang,

Ein Stück von Ellenlänge | der edle Markgraf schwang

Ihm vom Schilde nieder; | das Feuer stob hindann.

Da wäre schier erstorben | König Gunthers Unterthan.

1678

Er rief mit lauter Stimme | Dankwarten an:

«Hilf mir, lieber Bruder, | ein schneller starker Mann

Hat mich hier bestanden: | der läßt mich nicht gedeihn.»

Da sprach der kühne Dankwart:|«So will ich denn Schiedsmann sein.»

1679

Da sprang der Degen näher | und schlug ihm solchen Schlag

Mit einer scharfen Waffe, | daß er todt da lag.

Else wollte Rache | nehmen für den Mann:

Doch er und sein Gesinde | schied mit Schaden hindann.

1680

Sein Bruder war erschlagen, | selber ward er wund.

Wohl achtzig seiner Degen | wurden gleich zur Stund

Des grimmen Todes Beute: | da muste wohl der Held

Gunthers Mannen räumen | in geschwinder Flucht das Feld.

1681

Als Die vom Baierlande | wichen aus dem Wege,

Man hörte nachhallen | die furchtbaren Schläge:

Da jagten die von Tronje | ihren Feinden nach;

Die es nicht büßen wollten, | die hatten wenig Gemach.

1682

Da sprach beim Verfolgen | Dankwart der Degen:

«Kehren wir nun wieder | zurück auf unsern Wegen

Und laßen wir sie reiten: | sie sind vom Blute naß.

Wir eilen zu den Freunden: | in Treuen rath ich euch das.»

1683

Als sie hinwieder kamen, | wo der Schade war geschehn,

Da sprach von Tronje Hagen: | «Helden, laßt uns sehn,

Wen wir hier vermissen, | oder wer uns verlorn

Hier in diesem Streite | gieng durch Gelfratens Zorn.»

1684

Sie hatten vier verloren; | der Schade ließ sich tragen.

Sie waren wohl vergolten; | dagegen aber lagen

Deren vom Baierlande | mehr als hundert todt.

Den Tronejern waren | von Blut die Schilde trüb und roth.

1685

Ein wenig brach aus Wolken | des hellen Mondes Licht;

Da sprach wieder Hagen: | «Hört, berichtet nicht

Meinen lieben Herren, | was hier von uns geschah:

Bis zum Morgen komme | ihnen keine Sorge nah.»

1686

Als zu ihnen stießen, | die da kamen von dem Streit,

Da klagte das Gesinde | über Müdigkeit:

«Wie lange sollen wir reiten?» | fragte mancher Mann.

Da sprach der kühne Dankwart: | «Wir treffen keine Herberg an.

1687

«Ihr müst alle reiten | bis an den hellen Tag.»

Volker der schnelle, | der des Gesindes pflag,

Ließ den Marschall fragen: | «Wo kehren wir heut ein?

Wo rasten unsre Pferde | und die lieben Herren mein?»

1688

Da sprach der kühne Dankwart: | «Ich weiß es nicht zu sagen:

Wir können uns nicht ruhen, | bis es beginnt zu tagen;

Wo wir es dann finden, | legen wir uns ins Gras.»

Als sie die Kunde hörten, | wie leid war Etlichen das!

1689

Sie blieben unverrathen | vom heißen Blute roth,

Bis daß die Sonne | die lichten Stralen bot

Dem Morgen über Berge, | wo es der König sah,

Daß sie gestritten hatten: | sehr im Zorne sprach er da:

1690

«Wie nun denn, Freund Hagen? | Verschmähtet ihr wohl das,

Daß ich euch Hülfe brachte, | als euch die Ringe naß

Wurden von dem Blute? | Wer hat euch das gethan?»

Da sprach er: «Else that es: | der griff nächten uns an.

1691

«Seines Fergen wegen | wurden wir angerannt.

Da erschlug Gelfraten | meines Bruders Hand.

Zuletzt entrann uns Else, | es zwang ihn große Noth:

Ihnen hundert, uns nur viere | blieben da im Streite todt.»

1692

Wir können euch nicht melden, | wo man die Nachtruh fand.

All den Landleuten | ward es bald bekannt,

Der edeln Ute Söhne | zögen zum Hofgelag.

Sie wurden wohl empfangen | dort zu Paßau bald hernach.

1693

Der werthen Fürsten Oheim, | der Bischof Pilgerin,

Dem wurde wohl zu Muthe, | als seine Neffen ihn

Mit so viel der Recken | besuchten da im Land:

Daß er sie gerne sähe, | ward ihnen balde bekannt.

1694

Sie wurden wohl empfangen | von Freunden vor dem Ort.

Nicht all verpflegen mochte | man sie in Paßau dort:

Sie musten übers Wasser, | wo Raum sich fand und Feld:

Da schlugen auf die Knechte | Hütten und reich Gezelt.

1695

Sie musten da verweilen | einen vollen Tag

Und eine Nacht darüber. | Wie schön man sie verpflag!

Dann ritten sie von dannen | in Rüdigers Land;

Dem kamen auch die Mären: | da ward ihm Freude bekannt,

1696

Als die Wegemüden | Nachtruh genommen

Und sie dem Lande waren | näher gekommen,

Sie fanden auf der Marke | schlafen einen Mann,

Dem von Tronje Hagen | ein starkes Waffen abgewann.

1697

Eckewart geheißen | war dieser Ritter gut.

Der gewann darüber | gar traurigen Muth,

Daß er verlor das Waffen | durch der Helden Fahrt.

Rüdgers Grenzmarke, | die fand man übel bewahrt.

1698

«O weh mir dieser Schande,» | sprach da Eckewart.

«Schwer muß ich beklagen | der Burgunden Fahrt.

Als ich verlor Siegfrieden, | hub all mein Kummer an;

O weh, mein Herr Rüdiger, | wie hab ich wider dich gethan!»

1699

Wohl hörte Hagen | des edeln Recken Noth:

Er gab das Schwert ihm wieder, | dazu sechs Spangen roth.

«Die nimm dir, Held, zu Lohne, | willst du hold mir sein;

Du bist ein kühner Degen, | lägst du hier noch so allein.»

1700

«Gott lohn euch eure Spangen,» | sprach da Eckewart;

«Doch muß ich sehr beklagen | zu den Heunen eure Fahrt.

Ihr erschlugt Siegfrieden; | hier trägt man euch noch Haß:

Daß ihr euch wohl behütet, | in Treuen rath ich euch das.»

1701

«Nun, mög uns Gott behüten,» | sprach Hagen entgegen.

«Keine andre Sorge | haben diese Degen

Als um die Herberge, | die Fürsten und ihr Lehn,

Wo wir in diesem Lande | heute Nachtruh sollen sehn.

1702

«Vermüdet sind die Rosse | uns auf den fernen Wegen,

Die Speise gar zerronnen,» | sprach Hagen der Degen:

«Wir findens nicht zu Kaufe: | es wär ein Wirth uns Noth,

Der uns heute gäbe | in seiner Milde das Brot.»

1703

Da sprach wieder Eckewart: | «Ich zeig euch solchen Wirth,

Daß Niemand euch im Hause | so gut empfangen wird

Irgend in den Landen, | als hier euch mag geschehn,

Wenn ihr schnellen Degen | wollt zu Rüdigern gehn.

1704

«Der Wirth wohnt an der Straße, | der beste allerwärts, |

Der je ein Haus beseßen. | Milde gebiert sein Herz,

Wie das Gras mit Blumen | der lichte Maimond thut,

Und soll er Helden dienen, | so ist er froh und wohlgemuth.»

1705

Da sprach der König Gunther: | «Wollt ihr mein Bote sein,

Ob uns behalten wolle | bis an des Tages Schein

Mein lieber Freund Rüdiger | und Die mir unterthan?

Das will ich stäts verdienen, | so gut ich irgend nur kann.»

1706

«Der Bote bin ich gerne,» | sprach da Eckewart,

Mit gar gutem Willen | erhob er sich zur Fahrt

Rüdigern zu sagen, | was er da vernommen.

Dem war in langen Zeiten | so liebe Kunde nicht gekommen.

1707

Man sah zu Bechlaren | eilen einen Degen,

Den Rüdger wohl erkannte; | er sprach: «Auf diesen Wegen

Kommt Eckewart in Eile, | Kriemhildens Unterthan.»

Er wähnte schon, die Feinde | hätten ihm ein Leid gethan.

1708

Da gieng er vor die Pforte, | wo er den Boten fand.

Der nahm sein Schwert vom Gurte | und legt' es aus der Hand.

Er sprach zu dem Degen: | «Was habt ihr vernommen,

Daß ihr so eilen müßet? | hat uns Jemand was genommen?»

1709

«Geschadet hat uns Niemand,» | sprach Eckewart zuhand;

«Mich haben drei Könige | her zu euch gesandt,

Gunther von Burgunden, | Geiselher und Gernot;

Jeglicher der Recken | euch seine Dienste her entbot.

1710

«Das selbe thut auch Hagen, | Volker auch zugleich,

Mit Fleiß und rechter Treue; | dazu bericht ich euch,

Was des Königs Marschall | euch durch mich entbot,

Es sei den guten Degen | eure Herberge Noth.»

1711

Mit lachendem Munde | sprach da Rüdiger:

«Nun wohl mir dieser Märe, | daß die Könige hehr

Meinen Dienst verlangen: | dazu bin ich bereit.

Wenn sie ins Haus mir kommen, | des bin ich höchlich erfreut.»

1712

«Dankwart der Marschall | hat euch kund gethan,

Wer euch zu Hause | noch heute zieht heran:

Sechzig kühner Recken | und tausend Ritter gut

Mit neuntausend Knechten.» | Da ward ihm fröhlich zu Muth.

1713

«Wohl mir dieser Gäste,» | sprach da Rüdiger,

«Daß mir zu Hause kommen | diese Recken hehr,

Denen ich noch selten | hab einen Dienst gethan.

Entgegen reitet ihnen, | sei's Freund oder Unterthan.»

1714

Da eilte zu den Rossen | Ritter so wie Knecht:

Was sie der Herr geheißen, | das dauchte Alle recht.

Sie brachten ihre Dienste | um so schneller dar.

Noch wust es nicht Frau Gotlind, | die in ihrer Kammer war.