Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Zwölftes Abenteuer
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Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud.
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747 | Da dacht auch alle Tage | Brunhild die Königin:«Wie trägt nur Frau Kriemhild | so übermüthgen Sinn!Nun ist doch unser Eigen | Siegfried ihr Mann:Der hat uns nun schon lange | wenig Dienste gethan.» |
748 | Das trug sie im Herzen | in großer Heimlichkeit;Daß sie ihr fremde blieben, | das war der Frauen leid.Daß man ihr nicht zinste | von des Fürsten Land,Woher das wohl käme, | das hätte sie gern erkannt. |
749 | Sie versucht' es bei dem König, | ob es nicht geschehnMöchte, daß sie Kriemhild | noch sollte wiedersehn.Sie vertraut' ihm heimlich, | worauf ihr sann der Muth;Da dauchte den König | der Frauen Rede nicht gut. |
750 | «Wie könnten wir sie bringen,» | sprach der König hehr,«Her zu diesem Lande? | das fügt sich nimmermehr.Sie wohnen uns zu ferne: | ich darf sie nicht drum bitten.»Da gab ihm Brunhild Antwort | mit gar hochfährtgen Sitten: |
751 | «Und wäre noch so mächtig | eines Königs Mann,Was ihm sein Herr gebietet, | das muß doch sein gethan.»Lächeln muste Gunther | ihrer Rede da:Er nahm es nicht als Dienst an, | wenn er Siegfrieden sah. |
752 | Sie sprach: «Lieber Herre, | bei der Liebe mein,Hilf mir, daß Siegfried | und die Schwester deinZu diesem Lande kommen | und wir sie hier ersehn:So könnte mir auf Erden | nimmer lieber geschehn. |
753 | «Deiner Schwester Güte, | ihr wohlgezogner Muth,Wenn ich daran gedenke, | wie wohl mirs immer thut;Wie wir beisammen saßen, | als ich dir ward vermählt!Sie hat sich mit Ehren | den kühnen Siegfried erwählt.» |
754 | Da bat sie ihn so lange, | bis der König sprach:«Nun wißt, daß ich Gäste | nicht lieber sehen mag.Ihr mögt mich leicht erbitten: | ich will die Boten meinZu ihnen beiden senden, | daß sie kommen an den Rhein.» |
755 | Da sprach die Königstochter: | «So sollt ihr mir sagen,Wann ihr sie wollt besenden, | oder zu welchen TagenDie lieben Freunde sollen | kommen in dieß Land;Die ihr dahin wollt senden, | die macht zuvor mir bekannt.» |
756 | «Das will ich,» sprach der König: | «dreißig aus meinem LehnLaß ich zu ihnen reiten.» | Die hieß er vor sich gehn:Durch sie entbot er Märe | in Siegfriedens Land.Da beschenkte sie Frau Brunhild | mit manchem reichen Gewand. |
757 | Der König sprach: «Ihr Recken | sollt von mir sagenUnd nichts von dem verschweigen, | was ich euch aufgetragen,Siegfried dem starken | und der Schwester mein,Ihnen dürf auf Erden | nimmer Jemand holder sein. |
758 | «Und bittet, daß sie beide | uns kommen an den Rhein:Dafür will ich und Brunhild | ihnen stäts gewogen sein.Vor dieser Sonnenwende | soll er hier Manchen sehn,Er und seine Mannen, | die ihm Ehre laßen geschehn. |
759 | «Vermeldet auch dem König | Siegmund die Dienste mein,Daß ich und meine Freunde | ihm stäts gewogen sei'n.Und bittet meine Schwester, | daß sie's nicht unterläßtUnd zu den Freunden reitet: | nie ziemt' ihr so ein Freudenfest.» |
760 | Brunhild und Ute | und was man Frauen fand,Die entboten ihre Dienste | in Siegfriedens LandDen minniglichen Frauen | und manchem kühnen Mann.Nach Wunsch des Königs hoben | sich bald die Boten hindann. |
761 | Sie standen reisefertig; | ihr Ross und ihr GewandWar ihnen angekommen: | da räumten sie das Land.Sie eilten zu dem Ziele, | dahin sie wollten fahren.Der König hieß die Boten | durch Geleite wohl bewahren. |
762 | Innerhalb zwölf Tagen | kamen sie in das Land,Zu Nibelungens Veste, | wohin man sie gesandt,In der Mark zu Norweg | fanden sie den Degen:Ross und Leute waren | müde von den langen Wegen. |
763 | Siegfried und Kriemhilden | war eilends hinterbracht,Daß Ritter kommen waren, | die trügen solche Tracht,Wie bei den Burgunden | man trug der Sitte nach.Sie sprang von einem Bette, | darauf die Ruhende lag. |
764 | Zu einem Fenster ließ sie | eins ihrer Mägdlein gehn;Die sah den kühnen Gere | auf dem Hofe stehn,Ihn und die Gefährten, | die man dahin gesandt.Ihr Herzeleid zu stillen, | wie liebe Kunde sie fand! |
765 | Sie sprach zu dem Könige: | «Seht ihr, wie sie stehn,Die mit dem starken Gere | auf dem Hofe gehn,Die uns mein Bruder Gunther | nieder schickt den Rhein.»Da sprach der starke Siegfried: | «Die sollen uns willkommen sein.» |
766 | All ihr Ingesinde | lief hin, wo man sie sah.Jeder an seinem Theile | gütlich sprach er daDas Beste, was er konnte, | zu den Boten hehr.Ihres Kommens freute | der König Siegmund sich sehr. |
767 | Herbergen ließ man Geren | und Die ihm unterthanUnd ihrer Rosse warten. | Die Boten brachte manDahin, wo Herr Siegfried | bei Kriemhilden saß.Sie sahn den Boten gerne | sicherlich ohne allen Haß. |
768 | Der Wirth mit seinem Weibe | erhob sich gleich zur Hand. |Wohl ward empfangen Gere | aus BurgundenlandMit seinen Fahrtgenossen | in König Gunthers Lehn.Den Markgrafen Gere | bat man nicht länger zu stehn. |
769 | «Erlaubt uns die Botschaft, | eh wir uns setzen gehn;Uns wegemüde Gäste, | laßt uns so lange stehn,So melden wir die Märe, | die euch zu wißen thutGunther mit Brunhilden: | es geht ihnen beiden gut. |
770 | «Und was euch Frau Ute, | eure Mutter, her entbot,Geiselher der junge | und auch Herr GernotUnd eure nächsten Freunde: | die haben uns gesandtUnd entbieten euch viele Dienste | aus der Burgunden Land.» |
771 | «Lohn ihnen Gott,» sprach Siegfried; | «ich versah zu ihnen wohl |Mich aller Lieb und Treue, | wie man zu Freunden soll.So thut auch ihre Schwester; | ihr sollt uns ferner sagen,Ob unsre lieben Freunde | hohen Muth daheim noch tragen. |
772 | «Hat ihnen, seit wir schieden, | Jemand ein Leid gethanMeiner Fraue Brüdern? | Das saget mir an.Ich wollt es ihnen immer | mit Treue helfen tragen,Bis ihre Widersacher | meine Dienste müsten beklagen.» |
773 | Antwort gab der Markgraf | Gere, ein Ritter gut:«Sie sind in allen Züchten | mit Freuden wohlgemuth.Sie laden euch zum Rheine | zu einer LustbarkeitSie sähn euch gar gerne, | daß ihr des außer Zweifel seid. |
774 | «Sie bitten meine Fraue | auch mit euch zu kommen.Wenn nun der Winter | ein Ende hat genommen,Vor dieser Sonnenwende | da möchten sie euch sehn.»Da sprach der starke Siegfried: | «Das könnte schwerlich geschehn.» |
775 | Da sprach wieder Gere | von Burgundenland:«Eure Mutter Ute | hat euch sehr gemahntMit Gernot und Geiselher, | ihr sollt es nicht versagen.Daß ihr so ferne wohnet, | hör ich sie täglich beklagen. |
776 | «Brunhild meine Herrin | und ihre MägdeleinFreuen sich der Kunde, | und könnt es jemals sein,Daß sie euch wiedersähen, | ihnen schuf es hohen Muth.»Da dauchten diese Mären | die schöne Kriemhilde gut. |
777 | Gere war ihr Vetter: | der Wirth ihn sitzen hieß;Den Gästen hieß er schenken, | nicht länger man das ließ.Da kam dazu auch Siegmund: | als der die Boten sah,Freundlich sprach der König | zu den Burgunden da: |
778 | «Willkommen uns, ihr Recken | in König Gunthers Lehn.Da sich Kriemhilden | zum Weibe hat ersehnMein Sohn Siegfried, | man sollt euch öfter schaunIn diesem Lande, dürften wir | bei euch auf Freundschaft vertraun. |
779 | Sie sprachen: Wenn er wolle, | sie würden gerne kommen.Ihnen ward mit Freuden | die Müdigkeit benommen.Man hieß die Boten sitzen; | Speise man ihnen trug:Deren schuf da Siegfried | den lieben Gästen genug. |
780 | Sie musten da verweilen | volle neun Tage.Darob erhoben endlich | die schnellen Ritter Klage,Daß sie nicht wieder reiten | durften in ihr Land.Da hatt auch König Siegfried | zu seinen Freunden gesandt: |
781 | Er fragte, was sie riethen: | er solle nach dem Rhein.«Es ließ mich entbieten | Gunther der Schwager mein,Er und seine Brüder, | zu einer Lustbarkeit:Ich möcht ihm gerne kommen, | liegt gleich sein Land mir so weit. |
782 | «Sie bitten Kriemhilden, | mit mir zu ziehn.Nun rathet, liebe Freunde, | wie kommen wir dahin?Und sollt ich Heerfahrten | durch dreißig Herren Land,Gern dienstbereit erwiese | sich ihnen Siegfriedens Hand.» |
783 | Da sprachen seine Recken: | «Steht euch zur Fahrt der MuthNach dem Hofgelage, | wir rathen, was ihr thut:Ihr sollt mit tausend Recken | reiten an den Rhein:So mögt ihr wohl mit Ehren | bei den Burgunden sein.» |
784 | Da sprach von Niederlanden | der König Siegmund:«Wollt ihr zum Hofgelage, | was thut ihr mirs nicht kund?Ich will mit euch reiten, | wenn ihrs zufrieden seid;Hundert Degen führ ich, | damit mehr ich eur Geleit.» |
785 | «Wollt ihr mit uns reiten, | lieber Vater mein,»Sprach der kühne Siegfried, | «des will ich fröhlich sein.Binnen zwölf Tagen | räum ich unser Land.»Die sie begleiten sollten, | denen gab man Ross' und Gewand. |
786 | Als dem edeln König | zur Reise stand der Muth,Da ließ man wieder reiten | die schnellen Degen gut.Seiner Frauen Brüdern | entbot er an den Rhein,Daß er gerne wolle | bei ihrem Hofgelage sein. |
787 | Siegfried und Kriemhild, | so hörten wir sagen,Beschenkten so die Boten, | es mochten es nicht tragenDie Pferde nach der Heimat: | er war ein reicher Mann.Ihre starken Säumer | trieb man zur Reise fröhlich an. |
788 | Da schuf dem Volke Kleider | Siegfried und Siegemund.Eckewart der Markgraf | ließ da gleich zur StundFrauenkleider suchen, | die besten, die man fandUnd irgend mocht erwerben | in Siegfriedens ganzem Land. |
789 | Die Sättel und die Schilde | man da bereiten ließ.Den Rittern und den Frauen, | die er sich folgen hieß,Gab man, was sie wollten; | nichts gebrach daran.Er brachte seinen Freunden | manchen herrlichen Mann. |
790 | Nun wandten sich die Boten | zurück und eilten sehr.Da kam zu den Burgunden | Gere, der Degen hehr,Und wurde schön empfangen: | sie schwangen sich zu ThalVon Rossen und von Mähren | dort vor König Gunthers Saal. |
791 | Die Jungen und die Alten | kamen, wie man thut,Und fragten nach der Märe. | Da sprach der Ritter gut:«Wenn ichs dem König sage, | wird es auch euch bekannt.»Er gieng mit den Gesellen | dahin, wo er Gunthern fand. |
792 | Der König vor Freude | von dem Seßel sprang;Daß sie so bald gekommen, | sagt' ihnen DankBrunhild die Schöne. | Zu den Boten sprach er da:«Wie gehabt sich Siegfried, | von dem mir Liebe viel geschah?» |
793 | Da sprach der kühne Gere: | «Er ward vor Freuden roth,Er und eure Schwester. | So holde Mär entbotSeinen Freunden nimmer | noch zuvor ein Mann,Als euch der edle Siegfried | und sein Vater hat gethan.» |
794 | Da sprach zum Markgrafen | des reichen Königs Weib:«Nun sagt mir, kommt uns Kriemhild? | Hat noch ihr schöner LeibDie hohe Zier behalten, | deren sie mochte pflegen?»Er sprach: «Sie kommen beide; | mit ihnen mancher kühne Degen.» |
795 | Ute ließ die Boten | alsbald vor sich gehn.Da wars an ihrem Fragen | leichtlich zu verstehn,Was sie zu wißen wünsche: | «War Kriemhild noch wohlauf?»Er gab Bescheid, sie kam auch | nach kurzer Tage Verlauf. |
796 | Da blieb auch nicht verhohlen | am Hof der Botensold,Den ihnen Siegfried schenkte, | die Kleider und das Gold:Die ließ man alle schaun | in der drei Fürsten Lehn.Da musten sie ihm Ehre | wohl für Milde zugestehn. |
797 | «Er mag,» sprach da Hagen, | «mit vollen Händen geben:Er könnt es nicht verschwenden, | und sollt er ewig leben.Den Hort der Nibelungen | beschließt des Königs Hand;Hei! daß er jemals käme | her in der Burgunden Land!» |
798 | Da freuten sich die Degen | am Hof im Voraus,Daß sie kommen sollten. | Beflißen überausSah man spät und frühe | Die in der Könge Lehn.Welch herrlich Gestühle | ließ man vor der Burg erstehn! |
799 | Hunold der kühne | und Sindold der DegenHatten wenig Muße: | des Amtes muste pflegenTruchseß auch und Schenke | und richten manche Bank;Auch Ortwein war behülflich: | des sagt' ihnen Gunther Dank. |
800 | Rumold der Küchenmeister, | wie herrscht' er in der Zeit |Ob seinen Unterthanen, | gar manchem Keßel weit,Häfen und Pfannen; | hei! was man deren fand!Denen ward da Kost bereitet, | die da kamen in das Land. |
801 | Der Frauen Arbeiten | waren auch nicht klein:Sie bereiteten die Kleider, | darauf manch edler Stein,Des Stralen ferne glänzten, | gewirkt war in das Gold;Wenn sie die anlegten, | ward ihnen Männiglich hold. |