August von Platen
1796 - 1835
Die AbbassidenEin Gedicht in neun Gesängen
1930
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Zweiter Gesang.
Auf dem Vorsprung einer Felsenkuppe,Peinlich harrend, stand indessen Assad.Wie die Braut den Bräutigam erwartet,Der, dem vaterländischen Ruf gehorsam, | |
5 | Taub für Liebe, zog der Schlacht entgegen:So, von Ungeduld gequält, erwartetSeines Bruders Wiederkunft der Jüngling.Sieben Stunden sind bereits vorüber,Vom Zenith zum Untergange neigt sich |
10 | Schon der Sonne Bahn. Die UngewißheitLänger trägt sie nicht Mohadi's Enkel.Selber steigt er vom Gebirg in EileNach der Stadt hinunter, durch des OelbergsLockere Schollen, durch Cypressenhaine, |
15 | Welche riesenhafte Schatten warfen.Als der Abendstern im Westen aufging,Stand er vor dem Thor, und drängte kühn sichDurch die wildbewegte Menschenmenge,Die die kühlere Luft gelockt in's Freie. |
20 | Bald gewahrt er, daß in dieser großenStadt nur wenige Muselmänner hausen,Ja, des Feuerdiensts Altäre sieht er.Durch die Straßen irrt er auf und nieder,Nach dem Bruder, doch vergebens, forschend, |
25 | Und zuletzt beschließt er, erst den MorgenAbzuwarten, und die Nacht in irgendEines Hauses Porticus zu schlafen.
Als er dieß erwägt, vernimmt er plötzlichPaukenschall, Drommetenklang und Pfeifen, |
30 | Ja, Gesang erhebend naht ein langerZug von Fackeln. Junge Fraun und MännerGingen paarweis, um die Schläfe Rosen,Und in goldenen Körben Rosen tragend,Die sie singend auf den Weg verstreuten; |
35 | Aber vier geschmückte Knaben führtenEinen weissen Zelter, bunt behangen.Auf dem Zelter saß die schönste Jungfrau,Uebersät von Perlen und Rubinen;Aber Thränen blitzten ihr im Auge,Thränen fielen über bleiche Wangen, |
40 | Und unendlich, wie der Seele Schönheit,Schien der Schmerz in ihrer schönen Seele.Ihr zur Seite ritt ein Zwerg, phantastischAufgeputzt, mit einem spitzen Höcker.Wie die alte Fabel uns die Göttin |
45 | Ewiger Reize malt, und widersinnigZugesellt ihr einen lahmen Unhold:Also ritt auch jenes Paar selbander.Aber Haruns Sohn verwandte keinenBlick vom nassen Angesicht der Jungfrau. |
50 | Aufgeweckt von Mitgefühl, entschwebteSeiner Brust der ersten Liebe Seufzer,Und in Sehnsucht schmolz das tiefste Herz ihm.Einen jungen Flötenspieler endlichAus dem Zug bei Seite ziehend, lispelt |
55 | Schüchtern Assad dieses kurze Wort ihm:Was bedeutet dieses Fest, und welcheSchöne Dame reitet auf dem Zelter?Was beweint sie? Sag' es mir, Geliebter!
Ihm versetzte drauf der Flötenbläser: |
60 | Welchem fernen Land entsprossen kommst du,Daß du nichts von Diwisadens Kummer,Nichts erfuhrst von Diwisadens Hochzeit?Dieses Mädchen ist die holde TochterUnsers einstigen Königs Abdorrachmans; |
65 | Aber Schehriar, sein Großwesir, nahmThron und Leben ihm, und weihte wiederDieses Land dem Feuerdienst der Väter;Doch die königliche DiwisadeWollt' als Erbin Schehriar vermälen |
70 | Mit dem Behram, seinem wilden Sohne,Der Corsarenschiffe sonst befehligt.Aber standhaft trotzte stets die Jungfrau,Treu dem Alcoran, und ihres VatersMörder hassend wie den Pfuhl der Hölle. |
75 | Drob ergrimmte Schehriar und sagte:Stolze Thörin, wenn der tapfere BehramDeinem Dünkel mißbehagt, so werdeDein Gemal der letzte meiner Sklaven!Fahen läßt er einen Zwerg (du siehst ihn), |
80 | Den er bettelnd auf dem Markt erblickte,Läßt in Purpur ihn und Seide kleiden,Schenkt ein Haus ihm, Diener und Eunuchen,Zur Gemalin unsere Diwisade.Feiern soll sie heute Nacht die Hochzeit; |
85 | Ihr zum Hohne läßt der König alsoDurch die Stadt sie mit Musik begleiten;Alle ziehn wir nach des Zwergs Behausung.
Angekommen unter diesen RedenWar am Hochzeithaus die Menge. Hohe |
90 | Candelaber brannten vor den Thüren,Aus den Fenstern hingen reichgestickteScharlachteppiche nieder. Doch in AssadsSeele glühten unbestimmte Wünsche,Schmerz und Sehnsucht, Zweifel und Verzweiflung. |
95 | Bald erhob sich sein Gemüt und sank dannWieder mutlos nieder bald; am EndeSiegte männlich aber doch die Kühnheit.Mitten unter jene Schaaren drängt erKeck sich ein. Er hatte seidene Börsen |
100 | Voll Zechinen, diamantne Schnüre,Goldene Ketten und JuwelenschätzeFür die Reise mitgebracht von Bagdad:Die vertheilt er nun umher an Alle.Gierig haschten Mohren und Trabanten, |
105 | Paukenschläger und Guitarrenspieler,Frau'n und Knaben nach den holden Schätzen,Die verschwendrisch seine Faust verstreute.Alles wich dem milden Geber, AllesWich dem hohen majestätischen Jüngling. |
110 | Schon im Saale, wo die SängerinnenVor der kummervollen DiwisadeTänze schlangen, steht der Sohn des Harun.Alle Herzen flogen ihm entgegen,Leise sprachen unter sich die Mädchen: |
115 | Dieser königliche Knabe wäreWohl ein würdiger Bräutigam der Fürstin,Statt des Zwergs mit seinem spitzigen Höcker.Also sprechend führten sie die schöneDiwisade nach dem Schlafgemache; |
120 | Aber Assad löst vom ZeigefingerSeinen Siegelring (ein großer Demant,Der ein Königreich zu kaufen hinreicht),Und den Mohren, die allein im Saale,Ehrerbietig um den Zwerg beschäftigt, |
125 | Noch zurückgeblieben, gibt den Ring er,Worte flüsternd, die sie wohl verstanden.Schnell ergriffen wird der Zwerg, der Mund wirdIhm verstopft, man schleppt zum Feuerherd ihn,Hängend ihn an einen Eisenhaken, |
130 | Der den Kessel sonst zu tragen diente;Jener zappelte nun, den Kopf nach unten.
Doch des Harun Alraschids ErzeugtenFühren unter'm Baldachin zum Thron sie,Wo der Zwerg gesessen; ehrerbietig |
135 | Neigen dreimal Alle sich vor Assad,Händ' und Arme kreuzend, rasch hinweg dannFliehn die Mohren, mit dem theuren KleinodAus der Stadt entweichend. - Unter hellenCandelabern, unter tausend Kerzen |
140 | Die von Wand und Decke festlich flammten,Sitzt allein im weiten Saal der Jüngling.Ihm beflügelte rasch der Gefühle ChaosSeines Herzens lauten Schlag, er dachteBald an Assur, bald an Diwisade. |
145 | Aus gedankenvoller Qual befreitenIhn die Dienerinnen; diese kehrtenAus dem Schlafgemach zurück der Fürstin,Die mit Zähren ihre Polster netzte.Staunend sehn sie auf dem Thron den Assad. |
150 | Aber still und im Gehorchen seligNeigen tief sich ihm die Frau'n und scheiden.Leise tritt zum Schlafgemach der Holden,Aber kühn und voll Verlangen, Assad:Abdorrachman's Tochter, Diwisade |
155 | Ruft er aus, der Weiber schönste Perle!Meinem Wagestück vergib, und meinerLiebe neige dein verklärtes Antlitz!Wenn von meinem Aug' in deins ein FunkeWiederstralt von meiner Glut, empfange |
160 | Dann zum Diener deinen Knecht, und knüpfeDein Geschick an meins, des kühnen TauschesFrucht genießen laß den seligen Fremdling,Der, berauscht von deinem Zauber, Schwüre,Ewige Schwüre zum Propheten sendet |
165 | Den du selbst verehrst und dem er huldigt:Eide schwör' ich unverrückter Treue!Nicht ein Sklave steht vor dir, o Fürstin:Mein Geschlecht ist edel, mein ErzeugerHarun Alraschid, Kalif in Bagdad.
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170 | So des Jünglings Rede. Nicht versagteDiwisade sich dem schönen Freier.Worte wurden, Liebe ward gewechselt,Bis der Schlaf die müden AugenliederBeiden schloß. – Doch plötzlich fühlt sich Assad |
175 | Aufgeweckt durch einen lichten Schimmer,Welcher schien um's ganze Haus zu fließen.Durch den Glanz geblendet, Angst im Herzen,Schlägt die Augen auf der Abbasside,Der Entdeckung schon und Tod vorher sieht. |
180 | Wie ein Erdstoß oft erschreckt die Schläfer,Der des Lagers feste Pfosten rüttelt,Während rings Palläste dröhnen, Glocken,Nicht von Menschenhand geschwungen, läuten:So betäubte dieser Glanz den Assad. |
185 | Doch emporgerichtet sieht er eineHohe Frau, von einer StralenkroneHaupt und Nacken göttlich überschimmert.Diese spricht zu ihm melodische Worte:Sohn des Harun Alraschid in Bagdad! |
190 | Fürchte nichts, ich bin die Fee Melinda,Deiner Braut Beschützerin von frühsterJugend an, so weit es mir die Sterne,Ueber denen heilige Wesen walten,Welche mächtiger, als ich selbst, vergönnten. |
195 | Warnen kann ich, kann in höchster DrangsalDurch ein Wunder meine Freunde retten.Dich, den Gatten dieses holden Kindes,Dessen Loos mit deinem Loos verknüpft ist,Hab' ich nun erkoren mir zum Schützling. |
200 | Fleuch, bevor dich Schehriars Trabanten,Voll Begier nach deinem Blut, betreffen!Fleuch hinweg aus dieser Stadt und nimm hierDiesen Talisman in eines RingesDiamantenzauber eingeschlossen: |
205 | Eines Wunsches Kraft enthält er in sich.Wenn du drehst ihn um den Zeigefinger,Magst du sprechen ein Verlangen, diesemFolgt, sobald gerecht es ist, Erfüllung.Doch die Kraft versiegt, sobald sie einmal |
210 | Diesem Talisman geheim entsprungen;Drum gebrauch' ihn nicht zu früh, und niemals,Wenn Vertraun du hegst in andern Beistand.Aber jetzt entfliehe, Sohn des Harun!
So die Fee; darauf erwiedert Assad: |
215 | Holde Göttin, die du wie ein TraumbildMich versuchst, wie soll ich DiwisadenFliehend ihren Feinden überlassen?Schützen laß mich meine Braut, und diesenTalisman gib meinem Bruder Assur, |
220 | Wenn du kennst den Aufenthalt des Guten.Mehr bedarf der Zartere deiner Hülfe,Der vielleicht in dieser Stadt umherirrt,Ohne Freund und ohne einen Bruder.
Nicht mit Undank lohne mir, versetzte, |
225 | Sanften Vorwurf im Gesicht, Melinda:Vorzugreifen wage nicht dem Schicksal!Nimm den Ring, ich schütze deine Gattin.Einst vielleicht vermag ich auch des BrudersAufenthalt in meinen Zauberbüchern, |
230 | Ihm zu helfen willig, auszuforschen.Lebe wohl indeß, o Sohn des Harun!Also sprach und dann verschwand Melinda.Stille kehrte mit dem Dunkel wieder,Während ruhig Diwisade fortschlief. |
235 | Assad aber säumte noch, er träumteHalb und wachte halb, und halbgereifteNachtgedanken wälzt' er im Gemüte.Doch gemach erschien der MorgenröteSanftes Licht. Da ward ein lautes Pochen |
240 | An der Thür des äußern Saals vernehmbar.Aus dem Schlaf erwachte Diwisade:Wehe mir! Mit seinen Häschern naht sichSchehriar! Er ist's! Er hat es gesternMir vorausverkündet, nach der Brautnacht |
245 | Mich zu höhnen ob des schnöden Gatten!Wenn ich selbst dir theuer bin, so fliehe!
Dich verlassen! rief der Abbasside.Wiedersehn, erwiedert ihm die Gattin,Werden wir in schönerer Zeit vielleicht uns. |
250 | Jetzt entfliehe! Nicht dem Tod entgingst du,Wenn du bliebst. Nicht meinethalben fürchte;Denn vor Weibern zittert nicht der Wütrich,Nimmer drum beraubt er mich des Lebens.Grausam ist er, aber nie von Jähzorn |
255 | Hingerissen; ohne Not und VortheilPflegt er nicht im Blute sich zu baden.Flieh' und rette dich für mich, Geliebter!Rasch vom Lager springt der Fürst, den KaftanWirft er um und gürtet sich den Säbel; |
260 | Flugs enteilt er nach der Thür des Vorsaals,Oeffnet schnell und sieht mit vier TrabantenStehn den König Schehriar, und stößt ihnVor die Brust, so daß zur Erd' er hinsank.
Während um den König seine Sklaven |
265 | Noch beschäftigt sind, gewinnt den VorsprungHarun Alraschids Erzeugter, Assad.Auf dem Markte drängt er durch die MengeRasch hindurch sich, im Gewühl verborgen,Bis er athemlos am Hafen anlangt. |
270 | Eben war ein Schiff hinweggesegelt,Weiter kaum entfernt vom letzten Steindamm,Als ein Knabe mit der Schleuder schleudert.Nach dem letzten ihm gebliebenen GoldstückGreift er schnell, und einen Mann erblickend, |
275 | Welcher müßig in einen Kahn gestreckt lag,Wirft er's diesem zu mit diesen Worten:Fördere schnell nach jenem Schiff, o Freund, mich.
Dieser auch befestigt unverzüglichAn den Pflock das Ruder mit der Schlinge; |
280 | Hurtig sprangen andre vier Matrosen,Die das Gold gesehn, zugleich in's Fahrzeug.Alle, vorgebeugt den jugendlichen,Rüstigen Leib, beschleunigen flugs die Reise,Rudernd emsiglich. Sie sind zur Stelle. |
285 | Gern empfängt der Schiffspatron den Flüchtling;Denn ein Kaufmann war's, dem MagierkönigWenig hold, weil für die Waaren dieserUebermäßigen Zoll bedungen hatte.Leichter schlägt das Herz dem Abbassiden, |
290 | Gleich dem Manne, der im Traum von einemHohen Thurm gemach gemach herabfiel,Endlich wachend seines Wahns gewahr wird.Doch das Schiff durchschnitt der Woge Purpur. |