BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

 

 

 

Gebete anknüpfe, denjenigen Stellen besonders, die mich beim Lesen am meisten betroffen haben.

 

―――――

 

Morgen reisen wir nach Bern. Adieu Ouchy! Und ihr friedlichen Tage!

 

―――――

 

Bern, am l. August.   

 

Immer zieht es mich zu der Plattform, einer Anlage hinter der Hauptkirche und dem höchsten Punkte der Stadt. Täglich seh' ich hinab, links und rechts, und noch kann ich mir, von dieser zauberischen Gegend nicht genaue Rechenschaft ablegen, wohl deshalb weil sie zu mannigfach und mein Geist an Worten zu arm ist. Mein Auge folgt gerne dem blaugrünen Aarfluß, der hier tief unten sich donnernd wälzt, und fernehin sich zwischen dunkelgrüne Hügel schlingt; es schweift über diese glänzenden Wiesen hin, versenkt sich in Thäler, durchirrt Wälder, übersteigt die Vorgebirge, und ruht staunend auf der stolzen Jungfrau und ihren Hoffräuleins, den Gletschern. Jene Allee von Ulmenbäumen, die sich von der Tiefe herauf über die Hügel am Ufer der Aar zieht, ist trotz ihrer Steifheit eine Zierde, ja ihre Einförmigkeit wird mir zum Ruhepunkt. Die Häuser sind in schweizerischem Geschmack gebaut, und die weit hinausragenden Dächer beschützen sie gut vor Regen. In den Straßen herrscht exemplarische Reinlichkeit, obgleich man sie kaum zu betreten  nöthig  hat,  indem,  unter  Arkaden,  ich  meine Reise    von   dem   einen   Ende   der   Stadt   bis   zum   an-

 

dern machen kann. Künste und Wissenschaften scheinen mir hier nicht einheimisch zu seyn; – Alles handelt, scha­chert oder braut an einer Politik-Latwerge. An der Table d'Hote unsres Gasthauses hab' ich die Ehre mit den Schwarzen zu speisen, so heißen die, welche der alten Form der Regierung hold sind, während im nächsten Zim­mer die Weißen sind, eine Parthei, welche liberale Gesin­nungen hegt. Vaterlandsliebe ist hier der Deckmantel des gehässigsten Partheigeistes. – Lieber grüße ich in den Umgegenden Berns die lieben Schweizerhütten oder Bauernpaläste, denn da ist Wohlhabenheit und deshalb eine Art Selbstständigkeit, Emsigkeit und Sparsamkeit, die Quelle des Reichthums. Mit welchen sehnsüchtigen Blicken betrachte ich jenes Häuschen dort! Obgleich von Holz erbaut, ist es ein Bild der Behaglichkeit und des Wohlstandes. Diese zierlich geschnitzte Galerie, über welche das Dach sich wölbt, würde mir zur Regenzeit als Spaziergang dienen; hinter jenen blanken, runden Fensterscheiben möcht' ich sitzen, oder in dem kleinen Gärtchen vor dem Hause meiner Blumen pflegen!

Was  mir  so  sehr  an  den  Schweizerbauern  gefällt ist, daß  sie  selbst  reich  geworden,  nie  aufhören  Bauern  zu seyn.  Der  Bürger  hält  hier  fest  an seinem  Stande,  an seinen  Ansprüchen.  Die  Frauen  bewahren  treu  ihre schöne  Landestracht  –  ob  auch  die  alte,  redliche  Sitte? Darüber    möcht'    ich    nicht   richten.   Gestern   begeg­nete ich einer  schönen  Frau  in  Berner  Tracht.  Statt silberner   Ketten   hielten   goldene   das   Mieder,   und auf  dem runden,  schwarzen  Strohhute  prangte eine schwarze    Feder.    Es    war    eine   Dame,   die,   obgleich

 

 


 

Immer zieht es mich zu der Plattform, einer Anlage hinter der Hauptkirche und dem höchsten Punkte Berns.

 

Berner Trachten