BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Namens zusammen, und ich bin stolz darauf, eine Deutsche zu seyn. Allerliebst ist es, wie man hier, gerade wie in Deutschland, nach Anecdoten von unsren berühmten Dichtern und Musikern hascht, so hörte ich jüngst einen Zug aus Beethovens Leben, der wirklich die Individualität dieses Künstlers sehr treffend bezeichnet. Ein Kapellmeister reiste nach Wien, um Beethovens Bekanntschaft zu machen. Er begegnet nächst dem Thore einem kleinen, finstern Manne, den er um den Namen eines Gasthofe fragt, aber keine Antwort erhält. Unterdessen wankt ein Heuwagen die Straße herauf, und ist in Gefahr umzufallen. Schnell springt das Männchen hinzu, hilft und giebt durch Geberden zu verstehen, auch der Andere möge Hand anlegen. Dieß geschehen, fragt er: wer sind Sie? Kapellmeister B. und ich bin hier, Beethoven kennen zu lernen. Nun, den will ich Ihnen schon zeigen. Bald gelangten sie in eine Wohnung. "Ich bin Beethoven, sagte der Unbekannte. Sie können auch bei mir wohnen." Wer war froher als der Enthusiast. Sogleich am nächsten Morgen wünschte er seinen Wirth zu begrüßen. Wir bedauern, sagte der Diener, mein Herr pflegt schon um fünf Uhr des Morgens auszugehen, und kehrt erst am späten Abend nach Hause. So ging es mehrere Tage fort, und das war so ziemlich Alles, was ein Anbeter von dem in sich abgeschlossenen, launigen Musiker haben konnte.

Nun noch, geliebter Vater! zu Mr. Comte. Es ist dieß ein Theater für Kinder und von Kindern gespielt. Zu komisch ist, wenn diese kleinen Figürchen  Mama's  und  Papa's  repräsentiren.  Mit  welchem  Pathos!  wie  altklug!

 

Das können auch nur Franzosen, die eine eigentliche, kindliche Kinderzeit selten an sich erfahren. Noch halb im Flügelkleide, haben sie schon alle Kniffe der Conversation los. In den Logen um mich her, im Parterre, waren als Zuschauer nur Kinder. Ihre lauten Aeußeruugen von Schmerz, Freude, je nachdem die Bühne Tragisches oder Komisches giebt, sind ergötzlich; ob aber diese Art, Kinder zu unterhalten, ihnen heilsam, möchte ich sehr in Zweifel ziehen.

Macht Dir meine Schreibseligkeit nicht bange? Für die Zukunft kann ich freilich nicht stehen, für heute aber habe ich glücklicherweise weniger Papier als Stoff zum Schreiben.

 

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V.

Paris, am 2. März.

 

Schon sind viele Wochen vergangen, und Dein ver­sprochenes Briefchen will immer nicht ankommen. Daß Du unwohl seyn könntest, ist meine erste Sorge. Nicht weniger betrübt mich das Stillschweigen unsrer Freundin Elisa von der Recke; und wie geht es Tiedge? Nun ich der neuesten Nachrichten von dort entbehre, lese ich desto eifriger ihre alten, lieben Briefe wieder. Und doch sorge ich mich und verdanke nur häßliche Bilder und Träume meinem Kobold von Phantasie und eurer Saumseligkeit. Ich fühle mich immer wohl, während der Tod links und rechts neben mir die Sense schwingt; er besucht meistens die  Winkel  der  Armen,  aber auch die vornehmen Prasser

 

 


 

 

Elise von der Recke und ihr Lebensgefährte Christoph Tiedge waren Freunde der Familie Feuerbach.